Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Ruf aus Kanada - Rudolf Obrea страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Ruf aus Kanada - Rudolf Obrea

Скачать книгу

ständig die verschiedensten Getränke heraus und servierten diese entweder direkt oder zu Cocktails gemixt den vor ihnen aufgereihten Gästen. Da um diese Zeit viele Boote zurückkamen, herrschte entlang der Theke ein großer Andrang. Eine bunte Schar, hauptsächlich Männer, stand dichtgedrängt in mehreren Reihen hintereinander. Sie berichteten von ihren Ausflügen und versuchten sich dabei lautstark mit ihren Segelkünsten und den dazugehörigen Fachausdrücken gegenseitig zu übertrumpfen.

      Schon bald entdeckte Jim eine Gruppe von Freunden, die ihn mit lautem Hallo begrüßten und die er als Ben, seinen Rechtsverdreher und Anwalt, Arne Erikson, den Inhaber einer Maschinenbaufirma und Max Weber als Kollegen und Vertreter der deutschen Firma Klöckner- Möller vorstellte. Typisch für Jim und wie von den anderen nicht anders erwartet, fügte er hinzu: „Sven hier wurde mir von meiner Firma zugeteilt, damit ich ihm die „Zivilisation“ beibringe, die er bei unseren „Lumberjacks“ ( Spitzname für die Land- bevölkerung im Norden und Westen Kanadas) auf seiner Baustelle benötigt.“ Alle lachten, da das momentane Training in dieser Umgebung eher das Gegenteil zu bewirken schien..

      Arne, mit dessen Boot er und seine Begleiter ebenfalls einen Ausflug gemacht hatten, ergänzte dann aber: „Vielleicht kann ich Sven eher helfen. Schließlich wohnen die meisten meiner Kunden auch in den einsamen Kleinstädten des Nordens und noch schlimmer in der endlosen Weite des Westens. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen und bin daher fast ein Zwitter. Einerseits wuchs ich in Toronto auf, habe hier studiert und zähle „Großstadtpflanzen“ wie Ben zu meinen besten Freunden. Andererseits schätze ich aber auch die Großzügigkeit und die damit verbundene Freiheit, die die Individualität der Leute auf dem Lande ausmachen.“ Ben, der sich als Anwalt sofort angesprochen fühlte, erwiderte: „In Toronto gelten wenigstens allgemein anerkannte und festgelegte Gesetze, die ähnlich wie in London, Paris oder Hamburg unser Zusammenleben regeln. Je weiter man nach dem Norden kommt, desto weniger werden sie beachtet, dafür aber umso großzügiger nach dem jeweiligen Bedarf von „Dorfältesten“ zurechtgebogen. Fremden und besonders Ausländern begegnet die Bevölkerung mit Misstrauen und ich hoffe nur, dass Sven der Kontakt zu Toronto erhalten bleibt. Selbst Arne mit seiner besonderen Kundschaft behält sein Boot hier und freut sich auf den Drink in der Bar dieses Clubs, in dem die Bank- und Geschäftsleute den Ton angeben.“ Max Weber, den Sven jetzt fragend ansah, bestätigte Bens Ansicht mit den Worten: „ Du wirst dich in Toronto nach einer Weile sicher wohlfühlen und ein angenehmes Leben genießen können. Ich werde dich in der nächsten Woche im Büro besuchen, da ich bei deinem Projekt beteiligt bin und wir die noch offenen Fragen abklären müssen.“Sven, der eigentlich andere Kontakte suchte, wusste nicht so recht, ob er sich auf diesen Besuch freuen sollte, sagte aber zu, indem er sich gleichzeitig mit Arne zu einem Wieder-sehen in dessen Haus in Don Mills, einem älteren, zentral gelegenen Wohngebiet von Toronto, verabredete. Jim, der sich an ihrem Gespräch wenig beteiligt hatte, entschuldigte sich bald darauf wegen seines Abendessens zu Hause und erreichte damit, dass er und Sven sich schnell wieder verabschiedeten.

      Die unerwartete Begegnung, vor Allem die mit seinem Landsmann Max Weber, hatte Sven neugierig gemacht. Auf dem Weg zu seiner Wohnung fragte er deshalb Jim:“Kannst du mir etwas mehr über diesen Max erzählen?“ „Er ist ein Deutscher, den seine Firma vor etwa einem Jahr nach hier geschickt hat, und einer, der über seine deutschen Kontakte sehr schnell zum Erfolg bei einigen Großfirmen, vor allem in der Automobilbranche, gekommen ist. Er nutzt seine Beziehungen geschickt aus und ich würde mich nicht wundern, wenn er momentan gerade über Arne als Gönner und notwendigen Bürgen versucht, Mitglied bei unserem Segelclub zu werden.“ „Keine schlechte Idee, wenn jemand als Vertreter ins Geschäft kommen will“ erwiderte Sven. Jim schien dieser Einwand wenig zu beeindrucken: „Du hast recht. Max muss einschlägige Erfahrungen mit diesem althergebrachten Geschäftssystem haben, bei dem Beziehungen die Hauptrolle spielen. Er versucht deshalb, sich bei den hiesigen, oft noch sehr einflussreichen, englischen Kreisen einen Zugang zu verschaffen. Dieses scheint sehr leicht zu sein, gelingt aber meist nur an der Oberfläche. Andererseits, und dabei nahm sein Gesicht einen geradezu zornigen Blick an, sind wir auch keine englische Kolonie mehr, in der über einen eng miteinander verflochtenen Handel alle Geschäfte beherrscht werden. Ich begegne bei meinen Geschäftsreisen in erster Linie selbstbewussten, eigenständigen Partnern, die vor Allem meine Fachkompetenz prüfen wollen. Die mühsam errungene Freiheit in Nordamerika besteht auch darin, dass jeder als einzelner bei den zuständigen Entscheidungsträgern Beachtung findet, wenn er den Vorteil seiner Idee oder seines Produktes überzeugend darstellt. Beziehungen helfen am Anfang, werden aber nüchtern und fachkundig beurteilt und nicht mehr honoriert, wenn der versprochene Vorteil ausbleibt.“

      Obwohl Sven diese Argumentation gefiel, musste er trotzdem die erwähnte Projektbeteiligung von Max berücksichtigen. Er versuchte deshalb die offensichtliche Erregung und Abneigung von Jim mit dessen stets offenem Ohr für einen flotten Ausspruch zu normalisieren, indem er mit ernster, fast trauriger Miene sagte: „ Die Reise mit dem Luftballon ist ein tolles Erlebnis. Nur schade, wenn er platzt.“ Der Ire verstand sofort und lachte, sodass der wunderbare Tag beim Abschied wieder gerettet war.

      1.5

      Am Wochenbeginn startete Sven zu seiner ersten Fahrt nach Bancroft, dem Ort, den keiner seiner Freunde kannte, dafür aber alle bereits dem Gebiet des einsamen Nordens zurechneten und der trotzdem, wie bei seinem Beruf schon öfters der Fall, zum Zentrum seiner vorläufigen Aktivitäten bestimmt worden war.

      Auf dem Highway 401 in Richtung Osten bemerkte er zunächst nichts von der Einsamkeit. Die Strecke verbindet Toronto mit Montreal, der zweitgrößten Stadt Kanadas und besitzt bis Oshawa, Torontos Zentrum der Schwer- und Autoindustrie, jeweils acht Fahrspuren auf jeder Seite. Erst als sich danach einige Lücken zwischen den rechts fahrenden Lastwagenkolonnen auftaten, bekam Sven einen Blick auf die Wasserfläche des Ontariosees. Der Highwasy blieb anschließend ca. 100 km an seiner Seite und Seebreite erlaubte nicht, das gegenüberliegende, zur USA gehörende Ufer zu erkennen. Kurz hinter Port Hope erreichte er die Abzweigung der Highway 28, die ihn über Peterborough, dem zentralen Ort dieser Gegend, bis nach Bancroft führen sollte. Die noch verbleibende Strecke von ca 200 km bis zu seinem Ziel in der nördlichen Region Ontarios kündigte sich dadurch an, dass ihn zunächst bis Peterborough eine hügelige Feld- und Wiesengegend begleitete, die mit Farmhäusern und kleinen Ortschaften durchsetzt, eine wohlhabende Landwirtschaftdemonstrierte.

      Peterborough selbst zeigte ein reges Leben. Die Stadt besitzt als alte, englische Siedlung gepflegte Anwesen, die in parkartigen Vororten eingebettet sind. Das Lehrpersonal von mehreren bekannten Internatsschulen bewahrt das englische Kulturerbe im besonderen Maße und verleiht damit dem Ort eine spezielle Note. Sven fand ein gemütliches Restaurant für die Mittagspause. Anschließend benötigte er jedoch alle seine Orientierungskünste, um die jetzt zweispurige Landstraße Nr. 28 für seine Weiterfahrt zu entdecken.

      Wie seine Freunde in Toronto vorausgesagt hatten, änderte sich wiederum nicht nur die Straße sondern auch die Landschaft. Zunächst passierte er mehrere Seen, deren Ufer sich viele Wassersportler aus der Großstadt mit Sommerhäuschen zum Ferienparadies ausgebaut hatten. Anschließend verschluckte ihn eine schier endlose Waldfläche. Rasch erlahmte der Verkehr und bestand vorwiegend aus den hoch mit Schnittholz beladenen Ungetümen von Trailer-Trucks, die die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 80 kmh sträflich missachteten, sowie aus gelegentlich vorbeikommenden Pick-ups der weit verstreut in irgendeinem Versteck wohnenden Einheimischen. Ab und zu zweigten zu beiden Seiten Schotterstraßen ab, deren Richtungsschilder auf kleine, unsichtbare Ortschaften hinwiesen, aber nicht zum Abbiegen verleiteten. Ein Fußmarsch in den Wald barg die Gefahr des sofortigen Verirrens.

      Als die Straße über einige langgezogene Hügel führte, erkannte Sven durch die Bäume hindurch den auf seiner Karte eingezeichneten, in einer Talsohle gelegenen, weit verzweigten Paudash See und wusste, dass Bancroft nicht mehr weit sein konnte. Erleichtert erreichte er nach der langen Fahrt durch die gleichförmige, nur zwischen Bäumen, Sträuchern und unzähligen Blättern abwechselnde Einsamkeit seinen Bestimmungsort. Er übersah

Скачать книгу