Der Ruf aus Kanada. Rudolf Obrea
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Svens Antwort kam prompt: „Keine Sorge! Mit meinen Auslandsaufenthalten bin ich auch bereits ein Außenseiter bei meinen deutschen Freunden. Ich hoffe, dass ihr mir zusätzlich helft, die hiesigen Besonderheiten sowohl in Toronto als auch in der Einsamkeit des Nordens kennen und verstehen zu lernen, damit ich, ähnlich wie Arne, mit beiden zurechtkomme und mir vielleicht sogar eine neue, dauerhafte Zukunft aufbaue, die mein bisheriges, unstetes Wanderleben durch eine von euch geschilderte kanadische Variante ersetzt. Mein jetziger Kurzaufenthalt im Norden hat mir aber, so glaube ich, noch vor Allem wegen der Landschaft gefallen. Der Kontakt mit den Leuten beschränkte sich hauptsächlich auf mein Treffen mit Ron Harrington, dem Projektleiter des Kunden. Er wurde von Montreal auf die Baustelle in Bancroft geschickt und hat als Franco-Canadier selbst noch Verständigungsprobleme mit den einheimischen Mitarbeitern bzw. Lieferanten und deren Vorgehensweise. Wahrscheinlich ist das auch die Ursache dafür, dass sich der Arbeits-fortschritt um drei Monate verzögert. Wir mussten einen neuen Zeitplan aufstellen, den unsere Firmen anschließend genehmigten. Ich hoffe, dass ich durch meine Mitarbeit auf diese Weise wenigstens Ron ein wenig auf meine Seite ziehen konnte und damit den Einstieg für ein gutes Einvernehmen geschaffen habe, selbst wenn mich meine Firma jetzt noch einmal für zwei Monate nach Deutschland zurückholt.“
Arne, der als Lieferant von Maschinen an dem Projekt beteiligt war und deshalb Ron bereits kannte, versuchte Sven zu unterstützen, indem er erklärte: „ Du hast Rons Schwierigkeiten richtig erkannt, solltest dich allerdings dadurch nicht entmutigen lassen, sondern die zusätzliche Wartezeit dazu benutzen, um dich noch besser über die örtlichen Gegebenheiten zu informieren. Ron wollte zunächst nur die Vorgaben seiner Firma berücksichtigen, muss dafür jetzt seine Pläne auf „Ortszeit“ umstellen, was nicht einfach aber notwendig ist. Du kommst definitiv in eine neue Umgebung, die trotzdem auch angenehme Überraschungen bereithält, falls du offen und unvoreingenommen die Arbeitsweise der eigenwilligen Nord-länder berücksichtigst und ihnen ein gemeinsames Vorgehen anbietest, das für beide Seiten Vorteile und Raum erkennen lässt.“
Lachend fügte Arnes Frau hinzu: „Du kannst deine Künste schon bei Arne ausprobieren. Jedes Mal, wenn er von seinen Inlandsausflügen zurückkommt, haben meine Kinder und ich bereits Schwierigkeiten, sein ungestümes, unberechenbares Verhalten wieder auf zivile Maßstäbe zurück zu führen.“ Als Entschuldigung gab Arne zu bedenken: „Kanada besteht hauptsächlich aus entlegenen, weiträumigen Gebieten. Wenn du uns kennen lernen willst, musst du uns nicht nur in Toronto oder Montreal besuchen, sondern auch die Vorzüge des Landlebens genießen können. Meine Frau offeriert uns jetzt einen kleinen Vorgeschmack mit ihrem Abendessen, das sie uns nach einem Rezept ihrer Freundin servieren wird, die in Timmins, im Norden von Ontario, lebt.“
Arne hatte damit nicht zu viel versprochen. Der Hammelbraten, den sie „Roast mutton, Helenstyle“ nannte, schmeckte hervorragend und zeigte, dass Rita als echte Kanadierin genau wie ihr Mann nicht nur in der Großstadt zu Hause war, sondern auch die Gastfreundschaft zu demonstrieren wusste, die Sven später als einen der von Arne angedeuteten Vorzüge seiner in der Abgeschiedenheit der Wälder lebenden neuen Freunde und Bekannte kennen und schätzen lernen sollte. Der kanadische Neuling erlebte einen Abend in freundschaftlicher, aufgeschlossener Atmosphäre und erhielt dadurch neuen Mut, um die bei Ron in Bancroft beobachteten, lokal bedingten und für ihn als Ausländer besonders kritischen Kontakt- schwierigkeiten an seinem zukünftigen Arbeitsort erfolgreich auszuräumen. Außerdem durfte er auf eine persönliche Beziehung zu Arne hoffen, der ihm bei den sicherlich noch zu bestehenden ungewohnten Erlebnissen die hilfreiche Unterstützung nicht versagen würde.
2.1
Zwei Tage nach dem Abend bei Arne Erikson kam Max Weber zu dem bei ihrem Treffen in der Bar des Segelclubs angekündigten Besuch in Svens Büro. Er trug jetzt die Kleidung eines englischen Geschäftsmannes mit dunkelblauer Clubjacke und dazu passender, grauer Hose. Sein weißes Hemd zierte eine rot-blau gestreifte Krawatte, die scheinbar ein besonderes Merkmal von anerkannten Vertretern der hiesigen Geschäftswelt zu sein schien. Sven, der im Stil seines Kollegen Jim nur mit Jeans und dunkelgrauem Pullover aufwarten konnte, fühlte sich zunächst etwas deplatziert, erholte sich aber schnell, als er von seinem, in dieser neuen Umgebung selten gewordenen Landsmann nach gewohnter Art freundschaftlich begrüßt wurde. Auch die bei diesen Begegnungen übliche erste Frage nach dem jeweiligen deutschen Herkunftsort konnten beide gleichlautend mit Hamburg beantworten und damit zumindest beim Geschäftsgespräch schnell eine Verständigung bei der damit verbundenen Denkweise erzielen.
Obwohl Max bereits seit einem Jahr in Toronto tätig war, bemerkte Sven, dessen Aufenthalt sich erst auf einen Monat beschränkte, im Laufe der Unterhaltung bald einen gravierenden Unterschied in der Beurteilung ihrer Umgebung. Als er Max von den Verzögerungen in Bancroft erzählte, bekam er von diesem die etwas verblüffende, aber trotzdem eindeutige Antwort: „Was erwartest du von diesen Holzfällern, die selbst hier in Toronto als untaugliche „Lumberjacks“ bezeichnet werden. Besonders in der langen Winterzeit sitzen sie in ihren Hütten und treiben bei reichlich Alkoholkonsum ihre nutzlosen, groben Späße, haben dafür wenig Gefallen an einer ganzjährigen, täglichen Arbeit in deiner Fabrik.“ Obwohl diese Feststellung sicherlich bei den gegebenen Umständen nicht ganz von der Hand zu weisen war, betrachtete sie Sven dennoch als wenig hilfreiche Kritik eines Außenseiters. Er sehnte sich nach dem Zuspruch seiner neuen kanadischen Freunde, Jim Shaw und Arne Erikson, um den Sprung in den dunklen Teich der ungewissen Fremde zu wagen und. nach dem Auftauchen mit dem festen Grund des anderen Ufers und zusammen mit seinen ein-heimischen Mitarbeitern eine erfolgreiche, neue Marschrichtung einzuschlagen. Da sich ihr Gespräch bei diesen unterschiedlichen Vorstellungen festzufahren drohte und diese Differenzen wegen der fehlenden, praktischen Erfahrungen auch kaum zu überwinden waren, versuchten sie bei einem anschließenden Abendessen im Restaurant des nahegelegenen Hotels sich bei der damit verbundenen, gelockerten Atmosphäre doch etwas näher kennen zu lernen und so wenigstens das für die weitere Zusammenarbeit notwendige, gegenseitige Verständnis zu gewährleisten. Mit Bezug auf ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort erzählte Max aus seiner Vergangenheit die folgende, spannende Geschichte:
„Mein Aufenthalt in Toronto gefällt mir wieder recht gut. Die Stadt bietet alle Annehmlich-keiten und besonders für mich eine gesicherte, abwechslungsreiche Zukunft, die mir vorher ziemlich abrupt und tiefgreifend verloren ging. Ich hatte über mehrere Jahre die Vertretung meiner Firma in Teheran. Auf einer Hochebene am Fuße des Elbursgebirge gelegen, herrscht dort ein angenehmes Klima und der Blick auf den 5600 m hohen, oft schneebedeckten Demawend ersetzte die Aussicht auf die Elbe in Hamburg oder den Ontario See hier in Toronto.
Zusammen mit meiner Frau und zwei Töchtern bewohnten wir einen Bungalow mit Garten und Swimmingpool, umgeben von zahlreichen deutschen Freunden aus der Nachbarschaft. Das Geschäft lief auch sehr gut, da ich im Laufe der Zeit viele Kontakte bekam und mit meiner Firma technische Produkte anbot, die im Iran als qualitativ hochwertig sehr geschätzt wurden. Das Bemühen um neue Kunden fiel dadurch nicht schwer und konzentrierte sich hauptsächlich auf Begegnungen mit einflussreichen Leuten, die ich auf den verschiedenen Partys im Tennisclub und bei den häufigen Privateinladungen traf. Die Wochenenden gehörten meist der Familie. Wir verbrachten sie entweder zusammen mit Freunden im Garten beim Barbecue oder fuhren im Sommer über das Gebirge zum Baden ans Kaspische Meer und im Winter zu den Skigebieten am Demawend. Selbst Ausflüge ohne Kinder bereiteten keine Schwierigkeiten, da sie vom Hauspersonal selbst über längere Zeit gut versorgt und betreut wurden. Später schickten wir sie auf ein Internat nach Deutschland, um ihnen eine deutsche Schulbildung zu ermöglichen.
Diese Kurzbeschreibung demonstriert eigentlich bereits recht deutlich den sorglosen Luxus, den wir damals genießen durften. Wir gewöhnten uns im Laufe der Jahre so daran, dass wir die Anzeichen einer