Der asiatische Archipel. Ludwig Witzani

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Der asiatische Archipel - Ludwig Witzani

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so dass es vorkommen konnte, dass die auswachsenden Geweihspitzen dem Tier in den Kopf drangen und es töteten. Große Schlangen, von den nicht erkennbar war ob sie aus dem asiatischen oder der australischen Tierwelt stammten, lagen müde in ihren Gehegen, neben ihnen gefesselte todgeweihte Vögel, die ihnen als Lebendnahrung dienen würden, sobald sie Hunger bekommen würden. Als wüssten sie um ihr Schicksal, gaben die kleinen Vögel keinen Pieps von sich und hielten still, so gut sie konnten. Nur der Komodo Waran, den wir zu sehen gehofft hatten, war gerade unterwegs. Vielleicht war er an den Mini Indonesia Park in Jakarta verliehen worden, wo der fest angestellte Komodo Waran kürzlich verstorben war.

      ***

      Weniger als dreißig Kilometer von Yogjakarta entfernt, befand sich Parangritis, der heilige Ort der Meeresgöttin Loro Kidul. Wie dem Osterhasen im Christentum war es auch der Meeresgöttin Loro Kidul mühelos gelungen, sich in den Nischen einer fremden Hochreligion auszubreiten. Den meisten Backpackern war das egal, sie schätzten die Loro Kidul, weil ihr Tempel an einem der schönsten Strände Südjavas lag.

      Zusammen mit Sam und Rike, aber ohne Amada (die sich mit Rike verzankt hatte), unternahmen wir einen Ausflug zum Strand von Parangritis. Wir bestiegen in Yogjakarta ein Bemo, in dem es herrlich geräumig war, ohne vorauszusehen, dass sich dieser Minibus bis zu unserem Ziel mit immer mehr Passagieren füllen würde. So klein und geschmeidig die Javaner auch waren, so geschickt sie sich in den engsten Lücken einzurichten wussten, am Ende quietschten die Achsen bedrohlich, und kurz vor dem Ziel mussten alle Fahrgäste aussteigen und die letzte Anhöhe zum Strand zu Fuß überqueren.

      Und dieser Strand konnte sich sehen lassen. Im wolkenfreien Sonnenlicht eines ganz und gar untypischen Tropentages lag das schwarzsandige Ufer von Parangritis vor uns. Sanft geschwungene Berge umrahmten die Bucht. Zwischen Land und Meer erstreckte sich ein prachtvoller Palmenhain, in dessen Mitte sich der beflaggte Tempel der Loro Kidrul erhob. Vom Indischen Ozean her wehte ein frischer Wind über den Strand und ließ die Papierdrachen am Himmel tanzen. Aber niemand badete. Nicht nur, weil der Javaner ohnehin keine Wasserratte ist sondern weil die tückischen Strömungen im Süden Javas selbst geübten Schwimmern gefährlich werden können. Wer hier versank, wurde nie mehr gefunden, denn südlich von Java stürzte der Meeresboden im Sundagraben bis zu 7500 Metern tief ab.

      Deswegen blieben auch wir auf dem Trockenen. Sam legte sich in den Schatten einer Palme und memorierte seine Tagesration an Bahasa Indonesia-Phrasen. Heute waren die Notfälle dran. „Talang Saya!“ hieß: „Helfen Sie mir“. „Panggi Doktor“ bedeutete: „Bitte rufen Sie einen Arzt“, und wenn man jemanden mitteilen wollte, dass ein Unfall stattgefunden hatte, dann sagte man „Ada kecelakaan.“ Rike erzählte Manfred, warum sie sich mit Amanda verzankt hatte, was sich dieser geduldig anhörte. Ich legte mich auf mein Handtuch in den Sand und schloss die Augen. Das Rauschen der Brandung deckte alle Geräusche wie eine dicke Decke zu, und ich schlief ein.

Titel

       Prambanan

      Shiva und Buddha

      im Schatten der Vulkane

      Eine Reise zum Dieng Plateau, zum Borobodur und zu der Tempelanlage von Prambanan

      Der Taxifahrer hieß Sashan, er war ein junger Javaner mit einem spärlichen Oberlippenbart und grotesk dünnen Armen. Während der ganzen Fahrt gab er keinen Mucks von sich, kaute aber unablässig Betelnüsse, deren Süd er in hohem Bogen aus dem Fenster spuckte. Sein Wagen war äußerlich in vertretbarem Zustand, glich aber im Inneren einer Müllkippe, war also genau das Gegenteil eines javanischen Kampunghauses. Zusammen mit Sam, Rike und Manfred befand ich mich auf einer Tagestour zum Dieng Plateau, das gute einhundertzwanzig Kilometer nordwestlich von Yogjakarta in den Tenanggungbergen lag. Eine lange Tagestour, deren Fahrtpreis durch drei geteilt wurde. Da Rike pleite war, durfte sie umsonst mitfahren.

      Kaum hatten wir Yogjakarta verlassen, empfing uns die Landschaft Javas wie ein Schock. Eine Endlosigkeit von Feldern, Palmen und sanft geschwungenen Bergen erstreckte sich links und rechts der Straße. Sie war durchsprenkelt mit kleinen Dörfern und bevölkert von unzähligen Menschen, die in den Reisfeldern standen oder mit ihren Wasserbüffeln die Felder bearbeiteten. Der homo javanensis und sein Freund, der Boden Javas, ein unschlagbares Team auf dem vielleicht fruchtbarsten Boden der Welt. Dieser Boden war der Wohltäter der Insel, eine unendlich langsam explodierende Granate des Lebendigen, die die Pflanzen nur so aus sich herausschleuderte. Was wir sahen, war eins Symphonie des Lebens in grün: giftgrün war das feuchte Moos an den Rinden der Bäume, hellgrün waren die Farne an den Straßenrändern und sattgrün die Palmenblätter, die die Felder begrenzten. Dieser Boden existierte in einem Übermaß von Regen und Sonne und nährte sich von den Mineralien, die die javanischen Vulkane bei ihren Ausbrüchen über das Land verteilten. Einer der Väter dieser Fruchtbarkeit befand sich übrigens nur 36 Kilometer von Yogjakarta entfernt: Sein Name war Merapi, er war groß und schön, pyramidal und brandgefährlich. Seit Anbeginn der menschlichen Geschichte glomm er vor sich hin, um gelegentlich wie eine Apokalypse über das Land zu kommen. Es hieß, dass er dann Glutwolken ausspieh, fast tausend Grad heiß und so schnell, dass es vor ihnen keine Rettung gab.

      Doch von dieser Bedrohlichkeit war an diesem Tag nichts zu erkennen. „Der Merapi schläft“, hatte es in Yogjakarta geheißen, und tatsächlich zog der Vulkan wie ein Ausbund an Friedlichkeit am Horizont vorüber. Oder war es ein anderer Vulkan? Wer wollte bei so viel Magma unter der Erde die Übersicht behalten? Oberhalb der Erde aber prangten die Geschenke der unberechenbaren Erde, veredelt durch den Fleiß der Menschen.

      Auf sanft ansteigenden Bergschrägen waren Reisterrassen angelegt worden. Reisterrassen schmückten die Landschaft um den Preis unfassbarer Mühe, nicht nur, was ihre Anlage, sondern auch, was ihre Erhaltung betraf. Die Bewässerung der Reisterrassen war wegen des reichlichen Regens zwar kein Problem, aber die Gefällewinkel der Terrassen mussten genau die richtige Schräge finden, um sowohl eine Verschlammung wie ein zu schnelles Abfließen des Wassers zu verhindern. Ihre Begrenzungen glichen den Brüstungen kleiner Burgen, in ihrem Wasser verdoppelte sich der Zug der Wolken.

      Als wir in einem indonesischen Dorf, eine kurze Rast einlegten, waren wir sofort von Kindern umringt. Ich konnte mich kaum sattsehen an ihrer filigranen Vollkommenheit, dem Bronzeton ihrer Haut, dem blauschwarzen, dichten Haaren und ihren großen, neugierigen Augen. Alle waren barfuß unterwegs, die meisten trugen kurze Hosen und halb zerrissene Leibchen über ihren schmalen Oberkörpern. Sie bettelten nicht, sie störten nicht, sondern starrten uns aus ihren großen Augen an wie Aliens aus einem anderen Universum. Vor allem der massige Sam hatte es ihnen angetan, am liebsten hätten sie seine helle Haut und seinen Bart berührt. Schließlich wurden sie mutiger und begannen auf Sam einzubrabbeln, was Sam Gelegenheit gab, Kostproben seiner Bahasa Indonesia Kenntnisse zum Besten zu geben. „Saya seorang lelaki kulit putih” (Ich bin ein Weißer) sagte er, was die Kinder zu kreischendem Lachen veranlasste. Dann machte Sam plötzlich „Buh!“, und erschrocken stieben die Kinder auseinander.

      Nach der Rast führte die Straße in stetigen Windungen langsam höher. Endlich wurde es etwas kühler. Rike kurbelte das Seitenfenster herunter und zündete sich eine Zigarette an. Im Grunde war sie ein hübsches Mädchen, sie besaß ausdrucksstarke Augen und niedliche Pausbäckchen, die auch die Entbehrungen einer monatelangen Indonesienreise überstanden hatten. „Was hat es eigentlich mit diesem Dieng Plateau auf sich?“ fragte sie.

      „Auf dem Dieng Plateau befinden sich die Überreste hinduistischer Tempel mitten in einem Vulkankegel“, antwortete Sam. Er saß gleich neben ihr und wirkte in seiner Massigkeit wie eine Vatergestalt. Frag mich, und ich sage dir, was du wissen willst.

      „Und wie kommen diese Hindutempel nach Java?“

      „Indische

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