Moderne Alchemie und der Stein der Weisen. Wilfried B. Holzapfel
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In der entsprechenden Abbildung 6 deutet der große Kreis zunächst einmal an, dass bei der Schöpfung in diesem Weltenkreis aus dem umgebenden Chaos, dem „Confusum Chaos“, eine erste Ordnung entstand. Hier erscheinen jetzt die vier Elemente in dem von dem äußeren Kreis eingeschlossenen Quadrat. Diese vier Elemente sind durch einen inneren Kreis verbunden mit drei „Prinzipien“, die durch die drei Symbole für Salz, Schwefel und Quecksilber dargestellt sind. Der nächste Kreis umschließt den sechszackigen Stern, der ja nichts anderes ist, als die Überlagerung der vier Element-Symbole. Im innersten Kreis steht dann das Symbol der Sonne über dem Symbol für den Mond, ähnlich wie Yin und Yang in der asiatischen Symbolik für männlich und weiblich, wobei im Mittelmeerraum die Sonne ja männlich und der Mond weiblich ist.
Helen: Marie, meinst du nicht, dass dieses Bild doch schon so etwas Ähnliches wie die moderne Tafel für die chemischen Elemente ist?
Marie: Na ja, es zeigt wohl eine Ordnung für die Elemente der alten Griechen, aber auch viele spekulative Zusammenhänge in diesem alten Weltbild der Alchemisten auf. Heute würde man die drei hier mit eingetragenen Stoffe Salz, Schwefel und Quecksilber als typische Beispiele für die drei wesentlichen Bindungstypen in der modernen Chemie ansehen. Die Salze wie Kochsalz, Pottasche, Natron oder Soda, die du vielleicht noch aus Omas Küche kennst, die bei den Alchemisten wohl bekannt waren, und die sich alle leicht in Wasser lösen, sind typische Vertreter der ionischen Bindung. Diese besonders einfachen Salze bestehen jeweils aus zwei ganz unterschiedlichen Atomsorten, einem unedlen, chemisch sehr reaktionsfreudigen Metall, wie z. B. Natrium (Na) oder Kalium (K), und einem Salzbildner, einem Halogen, oder anderen Bestandteilen von Säuren, wie z. B. Kohlendioxid (CO2). In diesen Salzen gibt das Metallatom ein Elektron an ein Atom des Salzbildners ab, so dass beim Aufbau dieser Salzkristalle sich nicht mehr neutrale Atome sondern positiv und negativ geladene Ionen zusammenlagern. Bei solchen Stoffen spricht man deshalb von Ionenbindung.
Ganz anders ist die Sache bei Schwefel. Im Schwefel gibt es keine Ionen. Die Bindung der Schwefelatome muss also durch andere Kräfte erfolgen. Seit man mehr über den Aufbau der Elektronenschalen der Atome weiß, versteht man auch diese Bindung zwischen gleichartigen Atomen viel besser. Grob gesprochen werden hier unvollständig gefüllte Elektronenschalen der Atome dadurch gefüllt, dass sich zwei Atome ein gemeinsames Elektronenpaar teilen. Die Wissenschaftler sprechen dann von kovalenter Bindung. Das beste Beispiel für einen Stoff mit kovalenter Bindung ist der harte, glasklare Diamant, der nur aus reinem Kohlenstoff (C) besteht. Auch die meisten wasserunlöslichen Kristalle und Schmucksteine sind gute Beispiele für Stoffe mit kovalenter Bindung.
Ja, und das Quecksilber ist hier ein Vertreter für die metallische Bindung, die durch die Verteilung von gemeinsamen Elektronen über viele Nachbaratome zu einem anderen Bindungstyp bei den Metallen führt. Dabei sind diese bindenden Elektronen praktisch über den ganzen Metallkristall oder Metalldraht verteilt und ermöglichen so auch die Leitung von elektrischem Strom.
Helen: Willst du damit sagen, dass die alten Alchemisten ahnten, dass unterschiedliche Bindungskräfte für die Unterschiede zwischen den drei Stoffklassen, Salzen, schwerlöslichen (kovalenten) Kristallen und Metallen, verantwortlich sind?
Marie: Von Bindungskräften hat man damals wohl noch nicht gesprochen. Der Aufbau der Materie aus Atomen war damals auch nur eine theoretische Spekulation. Die Reaktionsfreudigkeit verschiedener Stoffe hat man viel menschlicher als "Affinität", also eine Art Zuneigung, angesehen. Aus dem Bild 6 kannst du aber noch mehr über die Welt der Alchemisten erfahren. Da gab es die Vorstellung, dass alle Materie letztlich aus einem Urstoff, der materia prima, entstanden ist. Das wird in diesem Bild einmal durch die Vereinigung der vier Elemente in dem sechs-zackigen Stern verdeutlicht, und dann noch einmal weiter innen durch die Vereinigung von Sonne und Mond im innersten Kreis.
Helen: Reden nicht heute die Kosmologen auch von einer "großen Vereinigung" aller Materie und aller Bindungskräfte in einer Art Ursuppe zur Zeit, als die Welt in einem Urknall entstand?
Marie: Ja, das klingt sehr ähnlich. Das werde ich dir später noch genauer erklären.
Die Alchemisten des Mittelalters waren ja die Universalgelehrten ihrer Zeit. Neben chemischen Prozessen der Metallveredelung, neben medizinischen Kenntnissen und einem umfassenden Wissen über alle möglichen Götterlehren, Religionen und Legenden hatten diese Alchemisten auch ein breites Wissen über die Philosophie und Naturlehre der alten Griechen.
Da gab es einmal den Naturphilosophen Demokrit, der allein aus logischen Überlegungen zu der Auffassung kam, dass alle Materie aus verschiedenen kleinsten, unteilbaren Teilchen bestehen müsste. Aus dem griechischen Begriff für unteilbar, a-tomos, entstand so unser Wort Atom. Da Harmonie und Symmetrie in dieser Zeit besonders in der Philosophie eine große Rolle spielten, meinte dazu Platon, dass diese Atome irgendwie aus gleichseitigen Dreiecken aufgebaut sein müssten. Mit vielen Dreiecksflächen, aber auch aus Quadraten und regelmäßigen Fünfecken baute er dann "ideale" hochsymmetrische Körper zusammen, die er als Modelle für verschiedene "Atome" ansah. Aber auch die vier verschiedenen Erscheinungsformen der Materie als Erde, Wasser, Luft und Feuer versuchte er so zu erklären. Heute nennen wir seine Modelle Platonische Körper, und du wirst sehen, dass diese Modelle in etwas anderer Form auch bei den modernen Alchemisten wieder auftauchen! Einige dieser Körper siehst du im nächsten Bild.
Helen: Aber werden die Atome heute nicht meistens als Kugeln dargestellt?
Marie: Für einzelne freie Atome in einem Gas sind Kugeln ein brauchbares Bild. Aber bei Kugeln denkt man immer sofort an eine feste Oberfläche, die es bei den Atomen so nicht gibt, und damit stößt das Bild der kugelförmigen Atome bei den chemischen Verbindungen und erst recht bei festen Stoffen, den Salzen, kovalenten Kristallen und Metallen, an seine Grenzen. In einem besseren Bild bestehen die Atome aus einer weiten, nebelartigen Hülle aus unheimlich leichten, ganz diffus verteilten Elektronen mit negativer Ladung ohne scharfe äußere Oberfläche und einem winzigen, schweren Kern mit positiver Ladung. Wichtig für den Aufbau der Atome ist dabei auch, dass alle Elektronen völlig gleich aussehen. Sie haben alle die gleiche negative elektrische Ladung. So nimmt man dann die Ladung eines einzelnen Elektrons als Maß für alle Ladungen, und bezeichnet sie oft als -1.
Die Atome eines chemischen Elements besitzen alle die gleiche Zahl von Elektronen und gleich viele positive Ladungen in dem winzigen Kern. Damit kann man allen chemischen Elementen eine "Ordnungszahl" geben, mit der die Elektronenzahl und die Kernladungszahl dieses Elements angezeigt wird. Mit trickreichen Apparaturen kann man die einzelnen Atome auch wiegen und stellt dabei fest, dass nicht nur die Ladung der Atomkerne sondern auch ihre Masse in gleichmäßigen Portionen von einem Element zum nächsten zunimmt. So bekommt der Wasserstoff als leichtestes Element die Ordnungszahl 1 und auch die Massenzahl 1. Der Kern dieses normalen Wasserstoffatoms besteht damit nur aus einem Teilchen, dem positiv geladenen Proton mit der Massenzahl 1.
Aber Achtung, es gibt auch noch neutrale Teilchen mit der Massenzahl 1, die man dann Neutronen nennt. Damit wird die Massenzahl der