Moderne Alchemie und der Stein der Weisen. Wilfried B. Holzapfel

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Moderne Alchemie und der Stein der Weisen - Wilfried B. Holzapfel

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Nach dieser Aufzählung all der Eigenschaften, die mit den vier Elementen im Mittelalter verbunden wurden, möchte ich dir jetzt doch zeigen, wie unser Alchemist das heute sieht. Dazu hat er in dem bunten Bild 13 für die vier Elemente zunächst mal vier bunte Symbole eingezeichnet. Am Rand hat er auch noch die von Aristoteles hinzugefügten Eigenschaften kalt-heiß sowie feucht-trocken eingetragen. Der Pfeil links zwischen kalt und heiß zeigt an, wie die Temperatur zunimmt. Zwischen feucht und trocken ist auch ein Pfeil eingefügt, der zum heutigen Weltbild besser passt, wenn man hier statt feucht und trocken einen Maßstab für die dichte des Stoffes oder noch besser für den äußeren Druck einführt. Der Temperaturachse gibt man dann natürlich auch noch einen passenden Maßstab. Du siehst schon, wenn man von Bildern der alten Alchemisten zu modernen Vorstellungen übergehen will, werden physikalische Größen, die man messen kann, sehr wichtig.

      Das waren neue Gesichtspunkte, die in der Zeit von Galileo Galilei um 1600 in die Naturwissenschaften eingeführt wurden. Sinngemäß soll er gesagt haben, dass man alles messen soll, was man messen kann, und alles, was man nicht messen kann, soll man messbar machen. Das war ein völlig neues Weltbild, eine Zeitenwende in der Naturbetrachtung!

Textfeld: Abbildung 13: Die 4 Elemente anders dargestellt

      Was diese Zeitenwende für das bunte Bild 13 bedeutet, werde ich dir gleich zeigen, aber vorher möchte ich dir noch die alte Frage stellen, ob man die Natur mit diesen vier Elementen, mit diesen vier Essenzen, vollständig erklären kann, oder ob nicht vielleicht doch noch eine fünfte Essenz, eine Quintessenz, zur vollständigen Beschreibung der Materie fehlt?

      Aristoteles sprach da von einem Äther, der die ganz Welt erfüllt. Andere Alchemisten glaubten wohl eher an einen Urstoff, den sie in ihrem Latein auch materia prima oder prima materia nannten. Sicher war dabei wohl immer umstritten, ob die prima materia eher der Urstoff für alle vier Elemente oder doch vielleicht eher so etwas wie eine fehlende Quintessenz sein sollte, eine himmlische, unwandelbare Substanz. Es gab also immer wieder die Fragen:

      Was ist denn diese Quintessenz?

      Marie: Wie mir unser Alchemist mal seine moderneren Bilder über die vier Elemente zeigte, hat er mir genau diese Frage gestellt! Es war die Frage nach dem, was neben den vier Elementen fehlen könnte, um die Natur vollständig zu beschreiben. Ist diese Quintessenz so etwas wie ein Äther, der der unbelebten Natur eingehaucht werden müsste, um Leben zu erzeugen? So etwas wie die Liebe, die als fünftes Element noch fehlte?

      Du siehst, dass diese Frage nur der Anfang von einem langen Gespräch sein konnte, in dem ich nur die Gegenfrage stellen konnte:

       Was ist die Quintessenz dann heute?

      Der Alchemist: Das war mir schon klar, dass diese Frage kommen muss, denn selbst in einer modernen Alchemie ist es nicht einfach, darauf eine gute Antwort zu geben. In den alten Bücher über Alchemie findest du auf solche Fragen keine klaren Antworten. Diese Bücher sind ja meist nur Bücher über die Alchemisten und nicht von Alchemisten selbst geschrieben. So wie heute über einen Harry Potter geschrieben wird, konnte man auch zu jener Zeit mit Bücherschreiben wohl eher Geld verdienen, wenn man phantastische Geschichten über Alchemisten erfand statt über ihre Arbeiten und Denkweisen zu berichten. Selbst wenn die Namen der Alchemisten nicht frei erfunden waren, wurden neben Tatsachen immer viele Legenden mit eingefügt. Schon damals verkauften sich Legenden besser als reine Sachbücher!

      So gibt es viele Schriften über die großen arabischen Wissenschaftler Gabir und Avicenna, die wohl überwiegend mystische Legenden wiedergeben. Wer konnte damals wohl naturwissenschaftlich-philosophische Schriften aus dem Arabischen so übersetzen, dass auf dem langen Weg in unsere Welt der Inhalt noch verständlich blieb? Überall wurden Legenden den einzelnen Alchemisten angedichtet, so dass fast nur noch Märchen übrig blieben. Was wurde aus dem Dr. Faust bei Goethe? Wie diese frühen Naturforscher und Philosophen die Grundlage für unsere heutigen Naturwissenschaften schufen, will ich dir gleich erklären.

      Hier will ich aber erst noch mal daran erinnern, dass der Begriff Alchemist im frühen Mittelalter entstand, als Christen in der Zeit der Kreuzzüge der islamisch-arabischen Welt begegneten. Zu dieser Zeit pflegten im Abendland die Klöster die Wissenschaft und unabhängige Forschung war kaum denkbar. Die Kirche besaß die alleinige Wahrheit und bestimmte das Weltbild. Unabhängige Denker, die womöglich auch noch verbotene Schriften der satanischen Araber lasen, konnten als Ketzer verurteilt werden. Was blieb diesen Alchemisten anderes übrig, als ihre Arbeit in mehr oder minder geheimen Zirkeln zu diskutieren und in ihre Schriften christliche Symbole mit einzuarbeiten. Gott, der alleinige Schöpfer, musste auch dem Stein der Weisen seine Kraft verliehen haben, andernfalls wären der Stein der Weisen und alle Alchemie ja Teufelswerk. Wer mit medizinischen Kenntnissen aus dem Morgenland heilen wollte, hatte doch sicher einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen! Das Bild der Alchemisten dieser Zeit war sicher stark von der Kirche und von der wenig gebildeten, christlich-fundamentalistischen Bevölkerung geprägt. Erst in der Zeit der Renaissance und der Aufklärung wurde unabhängige Forschung langsam möglich. Galilei wurde für die Verbreitung seiner Überzeugung noch verurteilt! Wenn man spitzfindig ist, wurde er verurteilt, weil er behauptete, die "Wahrheit" zu kennen! Die "Wahrheit" ist aber eine Glaubenssache, für die die Kirche ein Monopol besitzt. Wissenschaftler sind heute bescheidener und sprechen nur noch von "Erkenntnissen", die sich im Laufe der Zeit ändern können, und die Erkenntnisse der Astronomen jener Zeit werden von der katholischen Kirche auch nicht mehr so bekämpft. Die düstere Darstellung und Verleumdung der Alchemisten wurde aber bis auf den heutigen Tag kaum revidiert!

      Und wie sieht es heute mit der Lehre von Charles Darwin über die Entwicklung der Arten aus?

      In wissenschaftlichen Kreisen ist diese Lehre durch eine riesige Zahl einzelner Erkenntnisse umfassend bestätigt, aber dennoch gibt es nicht nur in den USA weit verbreitete, fundamentalistische Sekten, die göttliche Einzelschöpfung verschiedener Lebewesen und der Menschen allein mit Zitaten aus der Bibel begründen und alle wissenschaftlichen Erkenntnisse verwerfen. Dieser Kreationismus ist heute wohl noch ein gutes Beispiel für die eigenartige Ablehnung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch Fundamentalisten.

      In diesem Sinne waren die Alchemisten nur Wissenschaftler ihrer Zeit, die durch ihr unabhängiges Denken und Forschen mit einem Blick über die engen Grenzen des Abendlandes hinaus in Schwierigkeiten mit der Gewalt der Kirche und der indoktrinierten Bevölkerung gerieten. Es ist also gar nicht verwunderlich, dass dieses Brandmarken der Alchemisten erst im Laufe der Aufklärung verloren ging. Dann sprach man auch nicht mehr von Alchemisten sondern von Humanisten, Universalgelehrten oder Naturforschern. Eine wirkliche Rehabilitierung der Alchemisten steht aber noch aus!

      Marie: Wolltest du mir nicht die Quintessenz erklären?

      Der Alchemist: Ja, ich weiß schon, dass ich manchmal zu weit aushole, aber ohne einen kleinen Einblick in die Welt der Alchemisten, kann man doch kaum verstehen, was heute "Quintessenz" bedeuten soll. Wenn ihr darauf wirklich eine vernünftige Antwort wollt, muss ich eben doch noch etwas weiter ausholen.

      Moderne Alchemie

      Der Alchemist: Schaut euch dazu zunächst mal hier in dem schematischen Bild

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