Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson

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Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke - Robert Louis Stevenson

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will so weit gehen, Euch um Verzeihung zu bitten, da die Sitte es erheischt, obwohl ich schwöre, daß ich nicht weiß, welche Ursache ich dazu hätte. Aber was diese Schauspielergebärden anbelangt, so müßt Ihr Euch einen anderen suchen.« »O Davie, wenn ich Euch nun darum bitte!« Da fiel mir ein, daß ich es ja mit einer Frau zu tun hatte, also mit einem Kinde, und daß sich das Ganze obendrein nur um eine Äußerlichkeit drehte.

      »Ich halte es zwar für kindisch«, entgegnete ich, »und für ein Euer unwürdiges Verlangen, ebenso wie die Gewährung meiner unwürdig ist. Trotzdem will ich es Euch nicht verweigern. Die Schande komme über Euer Haupt!« Mit diesen Worten sank ich tatsächlich in die Knie. »Da,« rief sie. »Das ist die Euch geziemende Stellung; ich hatte es mir vorgenommen, Euch dahin zu bringen.« Und plötzlich warf sie mir mit den Worten: »Fangt auf!« ein Billett zu und rannte lachend aus dem Zimmer. Das Billet verriet weder ein Datum noch den Ort des Schreibens. Es lautete: »Lieber Mr. David, – Ich höre regelmäßig von Eurem Wohlergehen durch meine Base, Miß Grant, und höre stets Angenehmes. Mir geht es sehr gut; ich befinde mich an einem freundlichen Ort bei freundlichen Menschen, muß mich aber wohl oder übel recht still verhalten, obwohl ich hoffe, Euch endlich einmal wiederzusehen. All Eure Freundschaften sind mir von meiner lieben Base, die uns beide liebt, berichtet worden. Sie will, daß ich Euch diesen Brief sende, und hat selbigen überwacht. Ich bitte Euch, alle ihre Befehle auszuführen, und verbleibe Eure treue Freundin Catriona MacGregor-Drummond. P.S. Wollt Ihr nicht meine Base Allardyce aufsuchen?«

      Ich erachte es als eines meiner glanzvollsten Bravourstückchen (wie es im Jargon der Militärs heißt), daß ich tat, worum man mich gebeten hatte, und mich unverzüglich nach Dean begab. Aber die alte Dame war jetzt vollständig verändert und so schmiegsam wie ein Handschuh. Wie Miß Grant das zuwege gebracht hatte, vermochte ich nie zu erraten. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß sie in dieser Affäre nicht offen hervorzutreten wagte, da ihr Papa sich darin bereits ziemlich tief kompromittiert hatte. In der Tat war er es gewesen, der Catriona überredet hatte, ihre Base zu verlassen oder, richtiger, nicht zu ihr zurückzukehren, und der sie statt dessen bei einer Familie Gregory einquartiert hatte – anständigen Leuten, die dem Lord Staatsanwalt durchaus ergeben waren, und in die Catriona um so mehr Vertrauen setzte, als sie zu ihrem eigenen Clan und Stamm gehörten. Diese Familie hielt sie bei sich verborgen, bis die Zeit reif war, spornte sie an und half ihr, ihres Vaters Befreiung durchzuführen und nahm sie, nach ihrer Entlassung, in gleicher Heimlichkeit wieder bei sich auf. So bemächtigte und bediente sich Prestongrange seines Werkzeugs, ohne daß auch nur eine Silbe von seiner Bekanntschaft mit James Mores Tochter ruchbar wurde. Natürlich munkelte man allerlei über die Flucht einer so zweifelhaften Persönlichkeit; aber die Regierung antwortete durch ostentative Strenge; einer der Gefangenenwärter wurde ausgepeitscht, und der wachhabende Leutnant (mein armer Freund Duncansby) verlor seinen Offiziersrang. Was Catriona anbetrifft, so fand die gesamte Männerwelt an ihrem Vergehen derartiges Gefallen, daß alle es wohl zufrieden waren, sie straffrei entkommen zu sehen. Miß Grant war durch nichts zu bewegen, Catriona ein Antwortbillett zu überbringen. »Nein,« entgegnete sie auf meine wiederholten Bitten, »ich bin entschlossen, die plumpen Füße vor dem Dazwischenstolpern zu bewahren.« Für mich war das um so schwerer zu ertragen, als ich wußte, daß sie mehrere Male in der Woche mit meiner kleinen Freundin zusammentraf und ihr jedesmal, »wenn ich brav gewesen war« (wie sie sich ausdrückte), von mir berichtete. Endlich machte sie mir eine Freude, zum mindesten nannte sie es so, mich dünkte die Sache jedoch eher eine Neckerei. Sie empfand ohne Frage eine starke, fast heftige Freundschaft für alle Menschen, die sie gut leiden konnte, darunter mit an erster Stelle für ein kränkliches, altes Edelfräulein, stockblind und sehr geistreich, das zusammen mit einer Schar eingesperrter Hänflinge auf einem hohen Hügel oberhalb eines engen Hofes häufte und den ganzen Tag über zahlreiche Besuche empfing. Miß Grant liebte es sehr, mich dorthin zu führen, damit ich die alte Dame mit dem Bericht meiner Abenteuer unterhielte, und Miß Tibbie Ramsay (so hieß das alte Fräulein) war stets besonders liebenswürdig und erzählte mir viel Wissenswertes von den alten Familien und vergangenen Ereignissen in Schottland. Ich muß noch erwähnen, daß man von ihrem Zimmerfenster aus keine drei Fuß entfernt – so eng ist der betreffende Hof – in ein vergittertes Ochsenauge blicken konnte, das den Treppenflur des gegenüberliegenden Hauses erhellte. Hier ließ mich Miß Grant eines schönen Tages unter irgendeinem Vorwande mit Miß Ramsay allein; ich weiß noch, daß die alte Dame mir unaufmerksam und zerstreut erschien. Außerdem fühlte ich mich unbehaglich, da entgegen jeder Gewohnheit das Fenster offen stand und es draußen kalt war. Plötzlich drang Miß Grants Stimme aus einiger Entfernung an mein Ohr. »Hierher, Shaw!« rief sie, »guckt einmal aus dem Fenster und seht, was ich Euch mitgebracht habe.« Ich glaube, das Bild, das sich mir bot, war das hübscheste, das ich je gesehen habe. Der Brunnen auf dem Hofe lag ganz in klarem Schatten, der alles deutlich erkennen ließ; die Mauern waren tiefschwarz und rußig, und aus dem vergitterten Mauerschlitz schauten zwei lächelnde Gesichter – Miß Grants und Catrionas. »Da!« rief Miß Grant, »ich wollte, daß sie Euch auch einmal in Eurem Staat sehen sollte, wie die Wirtstochter in Limekilnes. Ich wollte ihr einmal zeigen, was ich alles aus Euch machen kann, wenn ich mir ernsthaft Mühe gebe!« Da fiel mir ein, daß sie sich heute eingehender denn je mit meiner Kleidung befaßt hatte: ja, ich glaube, einen Teil der gleichen Sorgfalt hatte sie auch auf Catrionas Anzug verwendet. Für eine so lebhafte und gescheite junge Dame legte Miß Grant entschieden erstaunlichen Wert auf Putz.

      »Catriona!« war alles, was ich über die Lippen brachte. Und sie? Sie äußerte kein einziges Wort, winkte nur hinüber und lächelte mich an und wurde plötzlich vom Fenster fortgezogen. Kaum war diese Vision meinen Blicken entschwunden, als ich auch schon zur Haustür rannte, die ich jedoch verschlossen fand; von dort lief ich zu Miß Ramsay zurück und verlangte polternd den Schlüssel; ebensogut hätte ich den Burgfelsen anflehen können. Sie hätte ihr Wort gegeben, beteuerte sie, ich müsse ein folgsamer Junge sein. Es war unmöglich, die Tür zu sprengen, selbst wenn es der Anstand erlaubt hätte; nicht minder unmöglich war es, aus dem Fenster zu springen, da das sieben Stockwerke über dem Erdboden lag. Ich konnte also lediglich auf den Hof hinausstarren und warten, daß sie zusammen die Treppe hinunter zur Tür herausträten. Auch dann gab es nur wenig zu sehen: nichts als von oben ihre beiden Köpfe, die sich auf einer Spule von Reifröcken bewegten – ein lächerlicher Anblick, wie zwei wandelnde Nadelkissen. Catriona blickte auch nicht einmal auf, um Lebewohl zu sagen; später hörte ich, Miß Grant habe sie daran gehindert durch die Mitteilung, nie nähme man sich so unvorteilhaft aus, wie von oben betrachtet. Auf dem Heimwege, sobald ich die Freiheit wiedererlangt hatte, schalt ich Miß Grant ob ihrer Grausamkeit.

      »Es tut mir leid, daß Ihr enttäuscht seid«, sagte sie, ganz sittsame Sanftmut. »Ich dagegen war sehr zufrieden. Ihr saht besser aus, als ich erwartet hatte; Ihr nahmt Euch aus – hoffentlich werdet Ihr nicht gar zu eitel – wie ein verflixt hübscher junger Mann, als Ihr dort oben am Fenster erschienet. Vergeßt nicht, daß sie Eure Füße nicht sehen konnte.« Letzteres fügte sie in beruhigendem Tone hinzu.

      »O!« rief ich, »laßt meine Füße in Ruh – sie sind auch nicht größer als die meiner Mitmenschen.«

      »Sie sind sogar kleiner als viele andere, aber ich spreche in Parabeln, wie die jüdischen Propheten.« »Dann wundere ich mich nicht, daß sie mitunter gesteinigt wurden! Böses Mädchen! Wie brachtet Ihr das nur übers Herz? Weshalb findet Ihr Vergnügen daran, mich durch einen flüchtigen Augenblick zu quälen?« »Die Liebe ist wie die Menschen; beide bedürfen einer gewissen Nahrung.« »O Barbara! Erlaubt, daß ich sie richtig spreche!« flehte ich. »Es steht in Eurer Macht – Ihr seht sie, wann es Euch beliebt; vergönnt mir eine halbe Stunde!« »Habt Ihr oder habe ich diese Liebesaffäre in die Hand genommen?« forschte sie und griff, als ich sie weiter mit Bitten bestürmte, auf ein unfehlbares Mittel zurück; sie imitierte den Ton meiner Stimme, als ich Catriona mit Namen rief. Ja, durch das gleiche Mittel hielt sie mich die nächsten Tage in Schach. Niemals fiel auch nur ein Wort von dem Memorial, wenigstens nicht von meiner Seite. Prestongrange und Seine Gnaden, der Lord Präsident mögen – was weiß ich – auf der tauben Seite ihres Kopfes davon gehört haben; jedenfalls behielten sie die Sache für sich – und die Öffentlichkeit wurde um keinen

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