Spiel des Zufalls. Joseph Conrad

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Spiel des Zufalls - Joseph Conrad

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..! ›Ich muß noch vier Jahre dienen,‹ sagte er, ›bevor ich die volle Pension bekomme. Man könnte die Sache sehr zu meinen Ungunsten auslegen, darüber besteht gar kein Zweifel‹, sagte er. Und dabei hielt er fortwährend das eine Knie hochgezogen, schlenkerte mit dem anderen Bein, wie ein Junge auf dem Gartenzaun, und sah mir mit seinen glänzenden Augen scharf ins Gesicht. Ich war sehr bestürzt, sage ich Ihnen. Die bloße Andeutung, daß irgend jemand es wagen würde, ihn anzuzeigen, machte mich ganz krank.

      ›Aber nein, so gemein wird doch niemand sein‹, stammelte ich entsetzt. Ich nahm ihm die bloße Annahme einer solchen Möglichkeit fast übel. ›Niemand?‹ sagte er leise vor sich hin. ›Der erstbeste, vielleicht einer der Amtsdiener. Ich habe mich zum Senior dieser Kanzlei hochgearbeitet, und wir sind alle die besten Freunde. Aber glauben Sie nicht, daß mein Kollege dort am nächsten Pult es begrüßen würde, wenn er vier Jahre vor der bestimmten Zeit auf diesen Platz am Fenster vorrücken könnte? Oder auch nur ein Jahr früher, vielleicht? Es ist einfach menschlich!‹

      Ich konnte nicht umhin, mich nach den anderen umzusehen. Die drei alten Knaben, die bei meinem Eintritt gefaulenzt hatten, unterhielten sich nun ganz ernsthaft, und der langhalsige Mensch schrieb immer noch. Er schien mir der gefährlichste von allen zu sein. Ich sah ihn von der Seite, und seine Lippen waren fest zusammengepreßt. Nie zuvor hatte ich mir ein menschliches Wesen daraufhin angesehen. Solange man jung ist, will man von der Menschennatur nichts wissen. Meine Beobachtungen fanden ein plötzliches Ende, als ich sah, wie sich die Tür, durch die ich eingetreten war, langsam öffnete und sich ein Kopf mit Dienstmütze hereinschob. Es war der verwünschte Pförtner von der Eingangshalle. Er hatte mich zu Bau gejagt und wollte mich nun wohl auch wieder sprengen. Er kam durch die Kanzlei daher, mit selbstgefälligem Schmunzeln, und spielte mit der Mütze zwischen den Fingern.

      ›Was gibt's, Symons?‹ fragte Herr Powell.

      ›Ich habe mich nur umsehen wollen, wo der Herr da hingehen wollte, Herr.‹

      ›Schon gut, Symons, ich kenne den Herrn‹, erläuterte Herr Powell, ernst wie ein Richter.

      ›Sehr wohl, Herr. Natürlich, Herr! Aber ich sah den Herrn hier unten mit den Türen Verstecken spielen, und so ...‹

      ›Es ist schon gut‹, unterbrach Herr Powell seinen Redeschwall und winkte ihm mit der Hand ab; erst als der alte Wicht hinausgegangen war, blickte er zu mir auf. Ich war stark im Zweifel, was ich tun sollte: dableiben, oder fortlaufen, oder mich entschuldigen.

      ›Nun also,‹ sagte er, ›wie war doch Ihr Name?‹

      Sie müssen nun wissen, daß er mich überhaupt noch nicht nach meinem Namen gefragt hatte, und die Frage setzte mich in neue Verlegenheit. Ich konnte mich nicht entschließen, ihm seinen eigenen Namen sozusagen an den Kopf zu werfen. So zog ich denn als Antwort meinen neuen Prüfungsschein aus der Tasche und legte ihn aufgeschlagen in seine Hand, so daß Charles Powell deutlich zu lesen war.

      Er sah auf das Pergament und legte es nach einer Weile ruhig vor sich hin. Ich wußte nicht, ob er eine Bemerkung über den Zufall machen wollte. Bevor er jedoch Zeit hatte, irgend etwas zu sagen, öffnete sich die Glastür mit einem Ruck, und ein großer, lebhafter Mann eilte mit langen Schritten herein. Sein Gesicht unter dem Glanzhut war hochrot. Man konnte sofort erkennen, daß es der Kapitän eines großen Schiffes sein mußte.

      Herr Powell flüsterte mir zu, ein wenig zu warten, und begrüßte dann den Fremden.

      ›Kapitän, ich habe alle Augenblicke erwartet, daß Sie sich Ihre neuen Musterrollen holen. Hier liegen sie alle bereit.‹ Damit wandte er sich zu einem Stoß von Papieren, die neben ihm lagen, und nahm die obersten zur Hand. Ich konnte von meinem Platz aus die Worte ›Schiff Ferndale‹ lesen, die in Rundschrift auf der ersten Seite geschrieben standen.

      ›Nein, Herr Powell, leider sind sie noch nicht erledigt‹, sagte der Kapitän. ›Ich muß Sie bitten, meinen Zweiten Offizier von der Liste zu streichen.‹ Er schien aufgeregt und besorgt und erklärte, daß sein Zweiter Offizier den ganzen Morgen über an Bord gearbeitet habe. Um ein Uhr sei er an Land gegangen, um etwas Essen zu kaufen, und sei um zwei Uhr noch nicht zurück gewesen. Statt seiner sei ein Bote vom Krankenhaus gekommen, mit einem von einem Arzte unterzeichneten Bericht: Schlüsselbein und einen Arm gebrochen. Hatte sich einfach von einem Zweispänner vor dem Hafentor überrennen lassen, als er über die Straße ging, als hätte er weder Ohren noch Augen im Kopfe. Dabei liege das Schiff klar zur Abfahrt für den nächsten Morgen sechs Uhr.

      Herr Powell nahm seine Feder und begann in den Papieren zu blättern. ›Dann müssen wir eben seinen Namen streichen‹, sagte er scheinbar unbekümmert vor sich hin.

      ›Aber was soll ich tun?‹ platzte der Kapitän los. ›Dieses Amt schließt um vier Uhr. Ich kann nicht in einer halben Stunde einen Offizier finden.‹

      ›Dieses Amt schließt um vier Uhr‹, wiederholt Herr Powell, überfliegt dabei die Seiten und ergänzt da und dort einen Buchstaben.

      ›Selbst wenn ich es fertig brächte, heute noch einen Mann zu finden, der in so kurzer Frist antreten könnte, so könnte ich ihn doch hier nicht mehr regelrecht anmustern, nicht wahr?‹ Herr Powell war eingehend damit beschäftigt, die Eintragungen über jenen unglücklichen Zweiten Offizier mit seiner Feder zu durchkreuzen und eine Bemerkung an den Rand zu schreiben.

      ›Sie könnten ihn selbst an Bord einstellen,‹ sagte er, ohne aufzublicken, ›aber ich bezweifle, daß Sie so leicht einen Offizier finden werden, der so Hals über Kopf zu haben ist.‹

      Auf diese Mitteilung, hin blickte der nette Kapitän sehr bestürzt drein. Das Schiff durfte auf keinen Fall die Morgenflut versäumen. Er sollte vor der Ausfahrt in See irgendwo unten an der Flußmündung noch 40 Tonnen Dynamit und 29 Tonnen Sprengpulver an Bord nehmen. Alles war schon für den nächsten Tag festgesetzt. Es würde unglaublichen Wirrwarr und Krach geben, wenn das Schiff nicht rechtzeitig an Ort und Stelle wäre ... Ich konnte nicht umhin, dies alles mit anzuhören, und wünschte dabei den Schiffer ungeduldig fort, denn ich brannte darauf, zu wissen, warum Herr Powell mich hatte warten lassen. Nach allem, was er mir gesagt hatte, schien es zwecklos, mich noch länger da herumzudrücken. Hätte ich mein Ausweispapier in der Tasche gehabt, dann hätte ich versucht, mich unauffällig davonzumachen. Aber Herr Powell hatte wieder die gleiche Stellung eingenommen wie vorher und schwang das eine Bein hin und her. Mein Papier lag offen auf dem Pulte unter seinem linken Ellbogen, so daß ich nicht gut hingehen und es wegnehmen konnte.

      ›Ich weiß nicht‹, sagte er nachlässig zu dem hilflosen Kapitän gewandt, starrte mich aber dabei unentwegt an, mit einem Ausdruck, als sei ich nicht vorhanden: ›Ich weiß nicht, ob ich es Ihnen sagen soll, daß ich einen stellungslosen Zweiten Offizier zur Hand habe.‹

      ›Soll das heißen, daß Sie ihn hier haben‹, rief der andere aus, indem er sich in dem leeren Warteraum vor der Kanzlei umsah, als sei er bereit, sich mit Gewalt auf alles zu stürzen, was auch nur die geringste Ähnlichkeit mit einem Zweiten Offizier haben könnte. Ich glaube tatsächlich, er war so mit seinen Sorgen beschäftigt, daß er mich überhaupt noch nicht bemerkt hatte. Oder er hatte mich vielleicht für einen Kanzleidiener gehalten, da ich innerhalb des Schalters stand. Als Herr Powell jedoch mit dem Kopf nach mir wies, schwieg er plötzlich und sah mich scharf an, dann beugte er sich zu Herrn Powells Ohr, -- er bildete sich wohl ein, zu flüstern, aber ich konnte ihn nur zu gut verstehen: ›Er sieht ganz annehmbar aus.‹

      ›Gewiß‹, bemerkte der Heuerbas ruhig, indem er mich nicht aus den Augen ließ. ›Er heißt Powell.‹ -- ›Ah, ich verstehe‹, sagte der Kapitän, als ginge ihm ein Licht auf. ›Aber kann er denn sofort eintreten?‹

      Ich hatte

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