Konfrontation mit einer Selbstvernichtung. Stefan G Rohr

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Konfrontation mit einer Selbstvernichtung - Stefan G Rohr

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ist, aber eben auch nicht unbedingt „krank“ oder gar „krankhaft“.

       Auch ist hierüber eine weiterführende Sorgsamkeit gegenüber sich selbst (oder gegenüber dem betroffenen Hinterbliebenen) zu erzeugen, was fürsorglich beobachten und rechtzeitig handeln lassen sollte.

       Der betroffene Hinterbliebene ist nicht „wahnsinnig“, auch nicht übersensibel oder gar ein Hypochonder. Sein ganzer Körper ist auf einen Schlag zu einer offenen Wunde geworden – und so sollte man sich selbst sehen /verstehen (oder von anderen) verstanden werden.

       Wenn sich die Trauma-Symptome beharrlich halten, sich vielleicht sogar verschlimmern, dann darf nicht gezögert werden: fachliche Hilfe ist dann ein Muss, um ein späteres psychisch gesundes Leben zu ermöglichen.

      Der Wille zu sterben

       Im Ganzen wird man finden, dass,

      

       sobald die Schrecknisse des Lebens

      

       die Schrecknisse des Todes überwiegen,

      

       der Mensch seinem Leben ein Ende macht.

      

      

      Arthur Schopenhauer (1788 – 1860)

      Deutscher Philosoph

      Der Mensch ist das einzige Wesen, das einen Todeswunsch entwickeln kann. Kein Tier ist dazu in der Lage, auch kein Schimpanse oder Gorilla, deren Evolutionsstufe der unseren am nächsten kommt. Tiere können fühlen, lieben, Mitleid entwickeln und nachdenken. Gewiss nicht in einer unmittelbaren Vergleichbarkeit zu uns Menschen, doch aber in einer, die es vermuten lassen könnte, sich auch das Leben nehmen zu wollen. Dennoch ist es ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen, dieses zu können.

      Nun ist es bekannt, dass es viele Suizidenten gibt, deren tatsächlicher Wunsch gar nicht das Sterben, sondern durchaus das (Weiter)Leben ist, der Suizid(versuch) nur Mittel zu einem anderen Zweck ist und das Überleben erhofft, vielleicht auch einkalkuliert, zumindest dann doch aber als eine Art „Gottesurteil“ in die Hände des Schicksals gelegt wird. Doch bei allen anderen Suizidenten muss davon ausgegangen werden, dass der eigene Tod so oder so tatsächlich einem echten und unermesslich großen Wunsch entspricht, woher dieser auch immer herrühren mag.

      Instinktiv und kognitiv ist uns der Tod kein anzustrebendes Szenario. Freiwillig aus dem Leben zu treten kommt daher einem weitgehend abnormalen Gedanken gleich, denn jeder will doch im Grunde (und instinktiv) das Gegenteil: leben! Der unter den Experten so umstrittene „Bilanz-Suizid“ (klassisches Beispiel: der unheilbare Krebspatient, der durch die schnelle Selbsttötung einem grausamen Siechtum entgehen will) mag vom Motiv her eine Ausnahme mit größerer Nachvollziehbarkeit darstellen. Ich möchte an dieser Stelle nicht in die Tiefe gehen, warum sich die Fachwelt darüber streitet, ob es diesen „Bilanz-Suizid“ wirklich gibt, die Motivlage aber ist in besonderer Weise auch für gesunde Menschen „akzeptabel“: in einer bilanzähnlichen Kontierung wird das Für und Wider gegenübergestellt und das kleinere Übel gewählt. In Ermangelung eines qualvollen und dazu vielleicht noch langen Todes erscheint uns die Selbsttötung als gangbarer Ausweg, der sogar eine „Logik“ aufweist. Der Überlebensinstinkt ist mit einer solchen ausschaltbar.

      Aber Suizid, weil man das Leben nicht mehr erträgt?

      Gilbert Keith Chesterton - englischer Schriftsteller (1874-1936) – schrieb das Folgende:

      „Der Mensch, der einen anderen tötet, tötet nur einen;

       aber der Mensch, der sich selber tötet, tötet alle Menschen;

       was ihn betrifft, so löscht er das ganze Weltall aus."

      Das, was Chesterton damit ausdrücken wollte, hat eine große Bedeutung. Natürlich tötet der Suizident keine anderen Menschen (abgesehen von den Fällen, in denen der Suizident andere mit in den Tod reißt). Suizid ist aber etwas Allumfassendes. Denn die Auslöschung der gesamten Menschheit betrifft allein ihn selbst. Mit seinem Tod ist für ihn alles – auch die Menschheit – vernichtet. Dazu das ganze Weltall – demnach eine Totalvernichtung.

      Damit geht einher, dass die Vernichtung alles betrifft, was ihn als Individuum ausmacht, einschließlich seiner Schmerzen, Sorgen, Leiden, Ängste, Verzweiflung, Hass oder Rache. Der Wille zu sterben ist nicht etwa die Hoffnung auf eine bessere Welt nach dem Tode, auch wenn es sicher Suizidenten gibt, die dieses anstreben. Der weit überwiegende Teil der Menschen, der sich für die Selbsttötung entscheiden, will, dass „es“ aufhört. Diese haben sich in eine Ausweglosigkeit hineingedacht, die sie nur noch durch die eigene Auslöschung beheben können, die so unerträglich für sie scheint, dass nur der Tod Erlösung verspricht. Das Licht ausmachen, für immer ruhen, keine Gedanken mehr haben, keine Leiden und Schmerzen ertragen, keine Zwiespälte mehr erdulden, Konflikte nicht mehr austragen, keine Angst mehr haben zu müssen.

      Als Hinterbliebene eines Suizidenten haben wir ständig das Argument parat, dass der Tod unseres geliebten Menschen „unnötig“, „unsinnig“ war. Nach unserem Dafürhalten kann es nur sehr wenige Probleme geben, die so groß sind, dass diese unseren Tod rechtfertigen können. Ein langjähriger Freund von mir litt über zehn Jahre an Lungenkrebs. Der Tod war nur eine Frage der Zeit für ihn, und er kämpfte dennoch kraftvoll und schaffte es einige Jahre sich gegen das Unvermeidliche zu stemmen. Zuletzt lag er seit Wochen nur noch in seinem Krankenbett und wurde durch einen Schlauch mit Sauerstoff versorgt. Spät nachts entschied er sich seinem Leiden ein Ende zu setzen. Das Einzige, wozu er noch fähig war, tat er dann auch: er drückte sich mit der Hand selbst die Zufuhr des lebensnotwenigen Sauerstoffs ab. Sein Todeswille war so stark, dass seine Hand den Schlauch noch zupresste, als er schon längt tot war.

      Ich denke, Sie werden nun zu sich selbst so etwas wie „verständlich“, „nachvollziehbar“ gesagt haben. Vielleicht auch: „Hätte ich ebenso gemacht!“ So wird die Mehrheit aller Menschen reagieren, zudem ganz gewiss auch den Mut und die Kraft bewundern, die für eine solche Tat aufgebracht werden muss. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und spreche von „Disziplin“, denn alles, was für eine solche von Nöten ist, steckt in der Tat meines Freundes. Tugenden, für die wir Menschen bewundern, ehren und sie wertschätzen. So gerät mit einem Mal der Suizid zu einem Akt der Größe, wird nahezu heroisch.

      Wir senken den Blick, verneigen uns vor einer Leistung, zu der man sich selbst nicht fähig sieht. Unser Schutzmechanismus, unser Instinkt, funktioniert automatisch. Auch entwickeln wir in den meisten Gesellschaften auf unserem Planeten ein bedingtes Verständnis für den Suizid in besonders „einleuchtenden“ Lebenslagen. Der bettlägerige Greis, der seinen ihn pflegenden Kindern nicht mehr zur Last fallen will. Vielleicht auch der Suizid eines Menschen, der schwere Sünde, eine furchtbare Untat, auf sich geladen hat und nun „sich selbst gerichtet hat“, oder aus Verzweiflung über das Unglück, dass er über andere gebracht hat, sein eigenes (Weiter)Leben nicht mehr für gerechtfertigt ansah. Und in bestimmten Kulturkreisen ist es die Scham um eine verlorene Ehre, die in der relevanten Gesellschaft sogar als „richtig“ (und anständig) verstanden, und von vielen mit einer Art Verpflichtungsempfinden respektiert wird.

      Wir

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