Dies Herz, das dir gehört. Ханс Фаллада
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Der junge Herr Wiebe ist sichtlich verwirrt und erregt, die Arbeiter beobachten ihn aufmerksam. Er spürt aller Blicke auf sich, möchte reden, wie es ihm ums Herz ist, und fühlt sich doch als Sohn der Fabrik.
»Ich komme von einer Reise«, sagt er abgerissen. »Mein Bruder hat mir kein Wort davon geschrieben. Ich verstehe nicht – wirklich ganz geschlossen, für alle?«
Der Klingler sagt bösartig: »Für Sie nicht, junger Herr! Sie müssen nicht uffs Arbeitsamt!«
Eine grobe Stimme aus dem Arbeiterhaufen ruft: »Halt die Klappe, Euschen!«
»Ich verstehe es nicht«, sagt der junge Herr wieder. »Ich habe auf meiner Reise Aufträge reingeholt, nicht viel, aber drei, vier Wochen helfen sie uns weiter. Mein Bruder …«
Er sieht die Arbeiter an, als erwarte er ein hilfreiches Wort von ihnen, aber die Arbeiter sehen ihn nur stumm an. Schließlich erbarmt sich seiner Martin Raschke und sagt: »Aber wenn Sie Aufträge rinjeholt haben, isset vielleicht nur ein Mißverständnis, Herr Wiebe?«
Der junge Mann belebt sich. »Gewiß! Sicher! Mein Bruder wird übersehen haben … Und außerdem wollte ich Anfang nächster Woche nach den Staaten, nach Amerika – ich würde sicher auch dort Aufträge …«
Ihm ist, als sei er vor den Kopf geschlagen, als müsse er sich rechtfertigen vor seinen Arbeitern. Plötzlich sagt der alte Mann am Laternenpfahl und hebt dabei den Schuh: »Junger Herr, det sind meene Schuhe bei voller Arbeet! Bei mir stempeln nämlich schon viere zu Hause! Wolln Se mir vielleicht sagen, wie meine Sohlen bei Arbeitslosigkeit aussehen werden?«
»Schrecklich!« sagt der junge Herr Wiebe und macht unwillkürlich einen Griff zur Brusttasche, als wollte er dem Arbeiter Geld schenken. Aber er schämt sich sofort, dafür sagt er mit festerer Stimme: »Es ist bestimmt ein Irrtum. Ich werde sofort mit meinem Bruder sprechen. Die Entlassungen werden rückgängig gemacht werden, ich kann es euch jetzt schon sagen. Ich habe ein paar Aufträge, und ich werde soviel Aufträge aus den Staaten bringen …«
Mit einem liebenswürdigen Lächeln: »Sie denken, weil ich so jung aussehe, kann ich nicht gut verkaufen? Aber ich bin ein guter Verkäufer! Und ich werde an euch denken …«
Er ist bei seinen Worten immer weiter auf das kleine Tor zugegangen. Jetzt zieht er einen Schlüssel aus der Tasche, nimmt Martin den Koffer ab, sagt: »Danke schön, Martin – für alles!«
Das Tor fällt zu.
Martin dreht sich zu den anderen um, sieht sie triumphierend an und sagt: »Na, seht ihr?«
Stille.
Dann antwortet der Klingler bösartig: »Der quatscht mir zu ville – viel jequatscht is halb betrogen, hat meine Jroßmutta immer jesagt!«
2
Die Herren in der Fabrik
In seinem recht gut ausgestatteten Fabrikbüro sitzt hinter dem großen, säuberlich aufgeräumten Schreibtisch der ältere Bruder von Johannes Wiebe, der Syndikus Thomas Wiebe, und erteilt dem Prokuristen der Firma, dem alten weißhaarigen Blohm, seine Weisungen.
Trotzdem Thomas Wiebe erst etwa dreißig Jahre alt ist, ist er schon ziemlich füllig. Das Gesicht, unverkennbar dem seines jungen Bruders ähnlich, hat nichts mehr von Frische und Mut, es ist das etwas fett gewordene Gesicht eines erfolgreichen Geschäftsmannes, vor allem aber eines Mannes, der sich für zum mindesten sehr gut aussehend hält und recht eitel auf dieses Aussehen und auf seine Erfolge ist.
Herr Thomas Wiebe sitzt bequem in seinem Armstuhl und sieht nicht zu dem auf der andern Seite des Schreibtisches stehenden Prokuristen auf. Er spielt mit einer dünnen, goldenen Uhrkette, während er sagt: »Also, Sie sehen, daß bei der Auszahlung der Restlöhne alles glattgeht. Ich wünsche kein Geschrei und Geschimpfe – vor allem keine Zeitungsnotizen.«
»Sehr wohl, Herr Wiebe!«
»Es ist unsre Privatsache, ob wir arbeiten oder schließen. Wir sind ein Privatbetrieb. – Für alle Fälle können Sie ja das Polizeirevier verständigen, daß es ein paar Schutzleute in der Nähe hält.«
»Ich würde nicht gerne …«
Der Prokurist bricht ab, denn sein junger Herr hat mit einem nicht mißzuverstehenden Ausdruck hochgesehen.
»Was würden Sie nicht gerne, Herr Blohm?«
»Die Firma Hermann Wiebe hat in den siebenundzwanzig Jahren ihres Bestehens noch nie mit der Polizei zu tun gehabt!«
»Eben! Die Firma Hermann Wiebe würde auch in diesem Falle nichts mit der Polizei zu tun haben, sondern schlimmstenfalls ein aufsässiger Arbeiter.« In einem andern Ton: »Seien Sie kein Narr, Blohm! Sie wissen genausogut wie ich, daß der Betrieb unter den jetzigen Verhältnissen nichts abwirft. Wozu sollen wir uns all die Arbeit und Mühe machen, bloß damit wir an den Staat Lohnsteuern und Arbeitslosenversicherungen abführen? Ich denke, ich bin ein Kaufmann!«
Der Prokurist Blohm, mit versteckter Ironie: »Das sind Sie, Herr Wiebe!«
»Ich mache keine Geschäfte ohne Verdienst. Ich bin kein Beitragskassierer …«
»Siebenundzwanzig Jahre haben diese Schornsteine geraucht, Herr Wiebe. Und jetzt …«
»Jetzt sind sie in siebenundzwanzig Jahren alt und sentimental geworden, Blohm. Gehen Sie vier Wochen in Urlaub, gehen Sie acht Wochen, gehen Sie ein halbes Jahr …«
»Sie brauchen mich nicht mehr, Herr Wiebe?«
Der junge Herr lenkt ein. »Also ruhen Sie sich erst einmal aus. Ob wir Sie brauchen oder nicht, entscheidet meine Mutter. Vorläufig bin ich nur der Syndikus der Firma …«
»Und wären Sie der Herr, würden Sie mich auch entlassen. Ich danke Ihnen, Herr Wiebe …«
Der alte Mann dreht sich um und geht gegen die Tür.
Thomas Wiebe ruft ihm ärgerlich nach: »Ich habe kein Wort von Entlassung gesagt – wenn Sie meiner Mutter derartiges erzählen, lügen Sie. Ach was, seien Sie nicht so empfindlich, Blohm!«
Der alte Prokurist hat nicht mehr auf die Worte seines Herrn gehört, ohne Antwort will er aus dem Zimmer. Da öffnet sich die Tür, und Johannes Wiebe stürmt herein.
»Was ist das«, ruft er erregt. »Ihr habt hier zugemacht?! Warum denn? Ich habe euch Aufträge für drei Wochen gebracht …«
Der Prokurist Blohm, zu sehr beschäftigt mit seinem eigenen Schmerz, um die Aufregung seines jungen Herrn zu verstehen, verweist ihn mit einer Handbewegung an seinen Bruder: »Darüber müssen Sie mit dem Herrn Syndikus sprechen …«
Und geht.
Johannes Wiebe starrt ihm verblüfft nach, vergißt ihn aber sofort wieder und wendet sich an seinen Bruder, der sich mit einem halb spöttischen, halb überlegenen Lächeln von seinem Sitz erhoben hat.
»Und du hast mir kein Wort davon geschrieben. Du hattest kein Recht …!«
Der Ältere faßt ihn bei den Schultern. »Ist das eine Begrüßung nach einer so langen Reise?! Guten Tag, Hannes, du siehst prächtig