Dies Herz, das dir gehört. Ханс Фаллада
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Frau Erna Wiebe, eine stattliche, nicht schlecht aussehende mittelalterliche Dame – aber eben Dame –, steigt aus dem Auto – es dämmert nun schon wieder, aber nun ist es die Abenddämmerung – und geht in das Haus.
In der Halle nimmt ihr ein Mädchen die Überkleider ab. Auch die Halle ist ein Produkt der neunziger Jahre mit Geweihkronleuchtern, massigen, dunklen Möbeln, einer zufällig erworbenen Ritterrüstung, die unter der vergrößerten Fotografie eines Wiebeschen Ahnherrn, der noch Hufschmied war, steht. Viel Samt, viel gepreßter Plüsch, noch mehr Troddeln. Ab und zu ein schönes Stück, aber es kommt nicht zu seiner Geltung, weil Scheuel und Greuel es bedrängen.
Frau Wiebe geht durch all diese mit »ererbtem Wohlstand« angefüllten Zimmer. Sie hat das Mädchen gefragt: »Mein Sohn Johannes?« und das Mädchen hat in einem gewissermaßen kondolierenden Ton geantwortet: »Der junge Herr ist noch immer oben.« Darauf hat Frau Wiebe gefragt: »Hat er sich noch zu essen geben lassen?« und das Mädchen hat in demselben trübseligen Ton »Nichts!« geantwortet.
Nun geht Frau Wiebe zu ihrem Sohn Johannes. Sie geht, ohne sie zu sehen, durch all diese öden, längst verstorbenen Zimmer, zögert einen Augenblick vor einer Tür, beugt sich ein wenig, lauscht, klopft dann, in plötzlichem Entschluß, energisch und tritt ein, ohne das »Herein« abzuwarten.
Der Sohn hat am Fenster gestanden und in den entlaubten, immer trüber und dunkler werdenden Garten hinausgesehen, genau so, wie er schon dastand, als seine Mutter vor Stunden von ihm fortging. Jetzt wendet er ihr langsam das Gesicht zu.
Aber die Mutter ist nicht gesonnen, diese Unterredung im Halbdunkeln zu halten. Sie schaltet sofort alle Flammen ein, und das Licht enthüllt nun ein sehr anderes Zimmer, als die sind, durch die sie eben gegangen – das Zimmer eines jungen unausgeglichenen Menschen, halb puritanisch, halb luxuriös, mit wenigen strengen Möbeln, aber dicken Teppichen, mit glatten Wänden, aber drei, vier Bildern (die Bilder sind, keine »Ansichten«), mit einer Bücherwand, aber auch mit einem Medizinball.
»Stehst du noch immer am Fenster?« fragt die Mutter lebhaft. »Setze dich, Hannes – du hättest lieber etwas essen sollen! Nein, rauche jetzt nicht. Rauchen ist in deinen Jahren immer schädlich, und nun erst auf leeren Magen!«
»Nun?« fragt der Sohn, ohne viel auf diese mütterlichen Ermahnungen zu achten, denn er brennt sich doch eine Zigarette an.
»Du fragst: nun? Also, ich bin bei deinem Bruder gewesen. Ihr habt euch die üblichen brüderlichen Grobheiten gesagt, diesmal vielleicht etwas mehr als üblich – das ist nicht tragisch. Ein paar Monate Trennung werden das schon ausgleichen.«
»Und die Fabrik?«
»Mit welcher Hartnäckigkeit du plötzlich auf der Fabrik bestehst! Sonst war dir Vaters Werk ziemlich egal, und du warst ganz froh, daß dein Bruder und ich dir alle Arbeit abnahmen. Also, die Fabrik bleibt natürlich geschlossen. Ich bin noch einmal mit Blohm, der doch wahrhaftig nicht deines Bruders Freund ist, alle Unterlagen durchgegangen. Der Betrieb trägt sich jetzt gerade noch, bald würden wir zulegen.«
»Und wir sind zu arm, um einmal ein paar Monate zuzulegen?«
»Rede doch keine Albernheiten, Hannes – bist du ein Sozialist? Eine Fabrik ist ein Geschäftsunternehmen und wird nach geschäftlichen Grundsätzen geführt. Unser Privatvermögen hat damit gar nichts zu tun.«
»Stammt aber aus den Erträgnissen der Fabrik!«
»Wahrhaftig, Hannes, dein Bruder hat recht: du bist ja ein halber Kommunist. Aber über diese Dinge wollen wir nicht reden. Du bist bisher recht zufrieden gewesen, daß ein Privatvermögen da war.«
»Und jetzt habe ich etwas verstanden, nämlich, daß man nicht alle Last auf die Rücken der Schwachen abladen darf. Ich habe unsere Monteure vor der Fabrik stehen sehen.«
»Thomas hat mir das erzählt. Das hat dein Herz bewegt – macht dir alle Ehre, Hannes. Aber haben wir schließlich diese Leute arbeitslos gemacht? Die Regierung mit ihrer verfehlten Politik ist schuld. Schließlich weißt du es schon länger aus den Zeitungen, daß es in Deutschland soundsoviel Arbeitslose gibt, daß da nun gerade unsre zwölf dein Herz so bewegen …«
Johannes in plötzlichem Ausbruch: »O Mutter, hör auf! Ich kann das nicht hören. Du bist doch meine Mutter, ich weiß doch, du hast ein gutes, weiches Herz, und du redest von denen vor den Toren, als seien es ganz andere Menschen, die nichts Gemeinsames mit uns zu tun haben!«
»Es sind auch andere Menschen!«
»Da war ein alter Mann, der hat mir seine durchlöcherte Schuhsohle gezeigt. Da war Martin, der Junge vom Gärtner Raschke, mit dem ich früher gespielt habe – wie ein alter Mann sah er aus, und er ist ebenso alt wie ich! Mutter, ich empfinde es wie eine Schuld, daß ich hier mit heilen Kleidern in einem gut geheizten Zimmer sitze, und die da draußen in der Nässe … Ich ertrage es nicht! Mutter, mach die Fabrik wieder auf, gib ihnen wenigstens dies bißchen Arbeit! Ich will feierlich vor allen Notaren und in allen Verträgen, die mein Herr Bruder für gut befindet, auf meinen Anteil an Fabrik und Vermögen verzichten.«
Die Mutter, nun gar nicht mehr Dame, sondern nur noch Mutter, zieht mit einer plötzlichen zärtlichen Gebärde seinen Kopf an sich.
»Mein armer Junge! Wie du leidest! Wie ich dich wiedererkenne! Du konntest nie ein Tier leiden sehen – diese elende Zeit ist viel zuviel für dich …« In ärgerlichem Ton: »Daß diese albernen Kerle auch gerade vor dem Tor stehen mußten!«
Der Sohn, hoffnungsvoll, nahe der Mutter: »Du wirst die Fabrik wieder öffnen, ja, Mutter?«
Die Mutter richtet sich straffer auf, die zärtliche Minute ist vorüber.
»Aber das ist unmöglich, Hannes! Sieh es doch ein! Man führt keine Fabrik mit zärtlichen Gefühlen.«
Der Sohn, erst halb und halb entschlossen, sich vor den Folgen des eigenen Entschlusses fürchtend: »Dann muß ich fortreisen …«
Die Mutter herzlich: »Natürlich – ich halte es auch für das beste. Reise eine Weile, sieh dir die Staaten an. Es soll da auch nicht mehr so blühend aussehen. Geh nach Südamerika, bleibe ein, zwei Jahre dort. Wir – ich werde dich vermissen, aber …«
»Nein, Mutter, nicht so. Wenn ich reise, nicht so. Wenn ich jetzt von euch gehe, dann trenne ich mich von euch. Nicht von dir, Mutter, aber von – ihm und von Vaters Werk, das ihr falsch, verderblich führt, wie ich fühle.«
»Und von was willst du leben, mein armer Träumer? Die Welt draußen wird« – Blick durchs Zimmer – »keine Stuben voll Ölbilder und geliebter Bücher für dich bereithalten. Die Welt ist hart, nicht nur vor den Fabriktoren deines Vaters, überall ist sie hart.«
»Ich kann auch hart sein! Mutter, wenn ich jetzt reise, hast du dich gegen mich und für Thomas entschieden!«
Die Mutter, in einem anderen, schärferen Ton: »Soll das eine Drohung sein, Johannes?«
»Keine Drohung. Aber es soll dir sagen, daß deine Entscheidung mir die Rückkehr zu euch, in dieses Werk unmöglich macht. Wenn ich reise, reise ich für – immer!«
Die Mutter kälter: »Ich habe schon von Thomas gehört, daß du solche Drohungen in der Hitze