Dies Herz, das dir gehört. Ханс Фаллада

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Dies Herz, das dir gehört - Ханс Фаллада

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wendet sich auch einmal, dann sind wir oben, und die sind unten. Da werden Sie doch nicht fehlen wollen?«

      · · ·

      Und ein anderes Bild taucht auf. Im Hamburger Hafen liegt der Dampfer, und die Auswanderer gehen an Bord. Fahle Gestalten, jämmerliche Gestalten – mit jämmerlichem Sack und Pack. Johannes Wiebe sieht von seinem Promenadendeck auf sie hinunter, wie sie an Bord zotteln, einem ungewissen Schicksal entgegen, mit weinenden Frauen und plärrenden Kindern.

      Und doch beneidet! Denn an Land steht ein dichter Schwarm derer, die ebenso zerlumpt, ebenso verzweifelt sind, denen aber das Schicksal nicht die Gunst geschenkt hat, Einwanderungserlaubnis in die Staaten zu erhalten.

      »Ach, Tilly, wein doch bloß nicht. Ihr habt’s doch jetzt geschafft, drüben habt ihr gleich Arbeit. Und in sechs Monaten fahrt ihr ’n eignes Auto!«

      »Schick gleich Dollar. Du weißt, Omi hat’s kaum noch zum Leben.«

      »Ach, wer da auch mitfahren könnte! Nur raus aus dem Dreck!«

      »Hier wird man doch nie wieder was!«

      »Sieh doch bloß mal den Ausgemergelten, der so hustet! Den Schwindsuchtskandidaten lassen sie rüber an all die schöne Arbeit, und wir, mit unsern guten Knochen, dürfen weiter stempeln!«

      Ja, dies war einer der Momente, da die Wolke sich lichtete, da sich Johannes Wiebe wie ein Bevorzugter vorkam. All diese Überladenen, Verarbeiteten, Besorgten hatten noch den Mut zu einem guten Start – wie sollte er ihn nicht haben müssen? Er fing drüben ganz anders an.

      Dann, als die Küste Deutschlands langsam verschwunden war, saß er im Rauchsalon neben einem Deutsch-Amerikaner.

      »Ich habe mir the old country angeschaut«, sagte der Deutsch-Amerikaner. »Aber ich leike es gar nicht more.«

      »Was tun Sie nicht?«

      »Ich leike es nicht. Wie sagen Sie in Deutsch? To like?«

      »Sie lieben es nicht mehr?«

      »Nein, es ist – nonsense! Alles Bruch. Aber God’s own land …« Der Mann beniest es. Er wischt sich die Nase.

      »Ich muß mich vor Zug sorgen. Ich habe einen Kalt.«

      »Was haben Sie? Wie lange sind Sie denn schon drüben? Sie können ja kaum noch Deutsch!«

      »Ein Jahr – aber das Deutsche verlernen Sie schnell. Das Deutsche ist alles Mist. Wir Amerikaner …«

      »Sie Affe!« hatte der junge Johannes Wiebe gesagt und war aufgestanden. So sehr deutsch fühlte er sich damals noch. Er hatte ja gerade erst die Heimat verlassen, er spürte noch nicht, daß er die Wurzeln ohne Erde hinter sich dreinschleppte.

      Aber das gab sich, es gab sich so schnell.

      Er erinnert sich an seine erste Hotelnacht in New York. Man hatte ihn in das Hotel des Vereins Christlicher Junger Männer geschickt, also ein Hospiz, wie er gedacht. Aber es war ein Wolkenkratzer. Er bekam Zimmer 997. Ein kleines Loch mit Bett, Stuhl, Garderobenständer, Spiegel.

      Sonst noch etwas? Nichts sonst.

      Er mußte sich am Morgen im Toilettenraum waschen.

      »Kann ich hier nicht irgendwo ein Privatbad haben?« fragte er fast verzweifelt. »Ich bin gerne für mich allein.«

      »Aber nein, mein Herr, ganz ausgeschlossen! Wir Amerikaner machen alles gemeinsam: ein Land, ein Geschmack, eine Idee – ein Waschraum. Bitte sehr! Es wird Ihnen schon gefallen!«

      Und wie es ihm gefiel! Mit vierzig, fünfzig jungen Amerikanern in einem Waschraum! Sie singen, sie gurgeln, sie putzen Zähne, schlagen Türen, johlen, schneiden sich die Fußnägel – eine halbe Stunde muß er stehen, bis ein Waschbecken für ihn frei ist.

      Wie ein Traum steigt vor ihm das Zimmer daheim auf. Hat er nicht so etwas gesagt, er wolle nach Amerika, um ein Mensch für sich zu sein? Der Bruder hatte gelacht – sollte der Bruder recht gehabt haben zu lachen?

      Aber das war erst der Anfang.

      Er erinnert sich schrecklicher italienischer Restaurants aus dieser ersten Zeit, mit schwärzlichen Kellnern, schwärzlichen Hemden und schmierigen Fräcken. Alles schreit, spuckt, schwatzt, bohrt in den Zähnen und bohrt in der Nase. Alles Essen ist Normalfraß.

      Und er erinnert sich an Kaffeestuben, wo er vom laufenden Band alles nimmt, was er braucht: Kaffee und Milch, Haferbrei und Sandwichs, Normalfrühstück, geistlos, lieblos …

      Und er erinnert sich an einen Arbeiter im Bus, der ihm ein Taschenmesser in die Hand gibt und von ihm verlangt, er solle ihm einen Splitter aus der Hand schneiden – er, das Söhnchen aus feinem Hause, vor allen Leuten im Bus, einem Arbeiter. Er hat einmal ein echtes Gefühl mit den zerrissenen Sohlen eines alten Arbeiters gehabt, er hat schon manches echte Gefühl in seinem Leben gehabt, die Resultate waren gering.

      Er erinnert sich an schreckliche Kinovorstellungen, wo zwischen den Bildern die albernsten Schlagertexte auf der Leinwand erschienen, und das ganze Publikum singt begeistert schreiend mit, außer sich vor Vergnügen.

      Und er erinnert sich schöner Konzerte, die das Publikum nur dazu benutzt, sich zu zeigen, mit Brillanten und nackten Brüsten, mit den schönsten Frauen, mit den berühmtesten Stars.

      Er fühlt sich namenlos allein. Er weiß nichts mit sich anzufangen, er ahnt nicht, welche Arbeit er unter diesem brutalen, unbekümmerten, spuckenden und schreienden Volk tun könnte! Langsam schwindet seine Barschaft dahin, so ängstlich er sie hütet, wie gering er seine Ansprüche auch stellt.

      Und er erinnert sich gut, wie ihm einmal, in einer nordamerikanischen Stadt, in seinem kleinen Hotel der Portier einen Brief hinhält: »For you, Mister Wiebe?«

      Er erzittert, als er diesen Brief nimmt, auf dem er die Handschrift seiner Mutter erkennt.

      Er geht mit ihm auf sein kahles Loch, er legt ihn vor sich auf den Tisch, er starrt ihn an.

      Er ist allein mit diesem Brief aus der Heimat, von der Mutter. Drunten auf der Straße braust und strudelt es vorüber, zehntausend Menschen, Autos, Lastwagen, das Gebrüll einer Stadt mit Mädchen, Liebe, Feindschaften, Frauen, Haß, Arbeit – er aber ist allein mit seinem Brief.

      Dreimal nimmt er ihn in die Hände, um ihn durchzureißen. Er legt ihn wieder auf den Tisch zurück.

      Er hat Angst, schwach zu werden, wie der verlorene Sohn in die Heimat zurückzukehren, dem man ein fettes Kalb schlachten muß, um ihn nur satt zu kriegen.

      (Oh, das freche, höhnische Gesicht seines Bruders – ohne dies Gesicht wäre alles so einfach! Vor einer Mutter schämt man sich doch nicht!)

      Schließlich öffnet er den Brief – zwei Blätter liegen darin: ein Scheck und ein Briefblatt seiner Mutter. Es stehen nur sechs Worte darauf, aber sie treffen ihn ins Herz. »Deine Mutter wartet auf dich, Hannes«, liest er.

      Er legt den Kopf auf den Tisch und träumt. Vielleicht weint er auch ein wenig, wer weiß, man sieht es nicht.

      Schließlich, nach einer langen Zeit, sieht er hoch.

      Er liest

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