Dies Herz, das dir gehört. Ханс Фаллада
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Dann nimmt er seinen Koffer und geht wieder einmal aus seinem Zimmer, weiter auf seiner Irrfahrt – ins Nichts.
5
Der Arbeiter
In einer Automobilfabrik in Detroit steht Johannes Wiebe am laufenden Band der Motorenmontage und setzt Muttern auf. Langsam laufen, mit ihrer Unterseite nach oben, die Motoren an ihm vorüber. Acht Muttern hat er auf acht Bolzen zu stecken, weiter nichts. Er muß sie nicht umdrehen, er braucht sie nur aufzustecken.
Neben ihm, fast in Ellbogenberührung, steht ein kleiner krummer Ire, Mike, der die Lagerdeckel auf die Bolzen legt, rechts neben ihm steht ein baumlanger Neger, Jeff, der mit einem elektrischen Schlüssel die Muttern anzieht.
Johannes Wiebe steht nicht den ersten Tag am laufenden Band, aber trotzdem steht ein Werkmeister hinter ihm und beobachtet genau, wie Wiebe aus einer eisernen Schale acht Muttern greift, sie mit der andern Hand rasch aufsetzt – er hat gerade so viel Zeit, es eiligst zu tun, während der Motor an ihm vorüberfährt – und schon wieder nach acht neuen Muttern greift, denn jetzt ist schon wieder der nächste Motor da.
Johannes Wiebe schaut nicht auf. Mechanisch greift er nach den Muttern, mechanisch setzt er sie auf. Seine Finger sind schon ziemlich geschickt und flink geworden, selten vergreifen sie sich und fassen nur sieben Muttern. Selten muß er eine kleine Bewegung nach rechts hin machen, um dem Motor zu folgen, weil noch nicht die achte Mutter aufgesetzt ist. Dann stößt er gegen den Ellbogen des Negers Jeff, der scheinbar sehr zornig mit den Zähnen fletscht.
»Nimm dich heute zusammen, Jack«, sagt der Werkmeister ermahnend. »Paß auf deine Arbeit auf, du darfst das Band heute nicht wieder aufhalten.«
Johannes-Jack Wiebe antwortet nicht. Dafür sagt der kleine Ire: »Er macht’s, so gut er kann, Herr. Er ist noch nicht voll eingearbeitet. Gestern nachmittag lief das Band für ihn zu schnell.«
»Er bekommt aber seinen vollen Lohn«, sagt der Werkmeister böse. »So hat er seine volle Arbeit zu tun. Heh, du, Deutscher, ich spreche mit dir! Du sollst das Band nicht aufhalten! Du sitzt schon wieder am Ellbogen von Jeff!«
»Entschuldigen Sie, Herr! Das Band läuft schon wieder sehr schnell.«
»Wollen Sie Ihre Arbeit tun, oder wollen Sie nicht?«
»Ich will schon, Herr.«
»Dann tun Sie sie auch!«
Mehr zu den andern als zu Johannes Wiebe: »Ich kenne diese Deutschen, sie taugen alle nicht zu vernünftiger Arbeit. Immerzu wollen sie denken! Du sollst deine Muttern rechtzeitig aufsetzen, du!«
»Jawohl, Herr!«
»Also, ich habe es dir gesagt! Wenn du das Band noch mal aufhältst, du …!«
Der Werkmeister geht langsam, beobachtend, an seinem Bandabschnitt entlang und sucht ein neues Opfer, Johannes Wiebe fährt sich eilig mit der Hand über die Stirn.
»Mach zu«, mahnt ihn Mike. »Der Boss hat dich mächtig auf dem Strich.«
»Ich mache so schnell ich kann, aber …« sagt Johannes Wiebe mutlos.
»Aber du kannst nicht sehr schnell, was? Schau den Jeff an, der könnte zehn statt acht Muttern in seiner Zeit festdrehen.«
Der Neger fletscht wieder die Zähne. Es erweist sich nun, daß dies sein Lachen ist.
»Mach dir nichts aus Boss«, sagt er tröstend, »das alles Dummartigkeiten sein. Gib mir zwei Muttern, ich sie setze auf …«
Johannes Wiebe seufzt tief. Das bißchen Stirnwischen hat ihn schon wieder aus dem Takt gebracht, er bedrängt schon wieder Jeff.
»Nimm dich doch in acht, Jack!« ruft Mike ärgerlich. »Der Boss guckt schon wieder. Ruf einen Helfer, geh aufs Klo, ehe du …«
Aber es ist schon zu spät, der Werkmeister kommt zornsprühend zurück.
»Eben ist da unten ein Motor mit nur sechs Muttern an mir vorbeigelaufen! Du hältst nicht nur das Band auf, verdammter Deutscher, du bringst es noch so weit, daß mir Motoren bei der Prüfung zurückgewiesen werden!«
Johannes Wiebe ist viel zu klein und viel zu beschäftigt, um zu antworten. Er muß acht Muttern greifen, sie aufsetzen, der neue Motor ist da, acht Muttern greifen, aufsetzen … Es ist so viel Lärm in dieser einen Morgen großen Halle, in der er mit fünfzehnhundert Mann und dreihundert Spezialmaschinen arbeitet. Das bißchen Geschimpf in seinem Rücken stört ihn kaum noch. Er ist in diesen Monaten, die er hier arbeitet, so viel gescholten worden!
Alles, was er an Kraft, Willen, an Widerstand noch in sich hat, das frißt diese lächerliche Arbeit mit ihren acht Muttern. Es ist wahrhaftig so, als ginge die Welt unter, wenn er diese acht Muttern nicht zur Zeit aufsetzt.
Wenn man sich das so vorstellt, daß ein Gott im Himmel sitzt, der es so eingerichtet hat, daß Johannes Wiebe essen und leben kann, wenn er sich gut Mühe gibt, acht Muttern aufzusetzen … Und nun sitzt dieser Gott im Himmel da und paßt gewissermaßen für den Werkmeister auf, gibt ihm einen Stoß: ›Du, der Johannes Wiebe hängt schon wieder nach!‹ – Da muß man nur grinsen, da muß man alles lächerlich finden, besonders wenn man daran denkt, daß man wegen einer genauso lächerlichen Sache, wegen einer durchlöcherten Schuhsohle, aus einem behaglichen Heim fortging …
»Jetzt lacht er noch! Hören Sie …!« Der Werkmeister ist, wie man so sagt, sprachlos. »Sie halten das Band auf, und wenn ich Ihnen Vorhaltungen mache, dann lachen Sie noch!«
»Entschuldigen Sie, Herr, ich habe nicht gelacht. Ich habe bloß gedacht …«
»Seht ihr, diese verdammten Deutschen! Ihnen passen unsere amerikanischen Arbeitsmethoden nicht, sie wollen denken! Sie wollen die Welt beherrschen, diese …!«
Er endet mit einem Fluch.
Der kleine Irländer hat Sinn für Humor, er wirft einen raschen Seitenblick auf die jämmerliche Gestalt, die sich da mit ihren Schraubenmuttern abquält, und meint: »Sehr sieht der nicht nach Weltbeherrschung aus, was, Boss?«
Ehe der Werkmeister sich in einen neuen Zornesausbruch steigern kann, tönt eine Stimme vom laufenden Band: »Was ist hier los?«
Statt eines Motors ist ein Aufseher auf dem Transportwägelchen das laufende Band hinabgefahren. Sie machen das ab und zu, um die Arbeiter zu kontrollieren, und es gelingt ihnen vortrefflich, auch die Geschicktesten zu überraschen. Plötzlich – Johannes Wiebe hielt schon seine Mutter zwischen zwei spitzen Fingern – war da ein Paar Schuhe statt der Bolzen – und schon war der Mann zwischen ihnen.
»Was ist hier los?« fragt er. »Was ist mit dem Mann?«
»Er hält das Band auf, Herr«, sagt der Meister plötzlich in einem ganz anderen Ton. »Seit Wochen hält er immer wieder das Band auf. Er ist zweimal angelernt worden, immer wieder stelle ich ihm Helfer. Zwei, drei Tage geht es, also kann er es. Und plötzlich kann er es wieder nicht.«
»Sabotage?« fragt der Aufseher den Werkmeister halblaut.
Der Werkmeister zuckt die Achseln. »Er ist