DURCH DIE CORONA KRISE. Markus Wilken
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Wenn wir der Pandemie Herr werden wollen, so ist es sinnvoll, sich nicht nur mit den biologischen und medizinischen Aspekten des Virus zu beschäftigen, sondern auch mit der Verbreitungsstrategie. Ein Virus ist ein Lebewesen und ein sehr kleines dazu. Auch er folgt bestimmten Regeln der Verbreitung und damit einer Strategie. Das Virus braucht eine Umwelt, in der es gedeihen kann und aktuell ist diese Umwelt die menschliche Zivilisation. Wenn wir verstehen wie der Virus tickt, fällt es uns vielleicht leichter, den Takt seiner Verbreitung ein wenig zu entschleunigen. Bei einer Pandemie ist jede und jeder von uns gefragt: Nicht nur das Robert-Koch-Institut, die Regierungen oder die Krankenhäuser. Verstehen ist die Grundlage, sich auch in Anbetracht einer Übermacht kleiner Viren sicher zu fühlen. Und Sicherheit ist, was wir gerade am dringendsten brauchen.
Angst ist ein schlechter Berater
Wir kennen folgende Pandemie-Szenarien aus diversen Science-Fiction Filmen. Ein Virus breitet sich aus. Menschen geraten in Panik. Regierungen sitzen in Bunkern. Es wimmelt von schwer bewaffneten Soldaten, die den Bunker abriegeln. Auf den Straßen herrscht Anarchie. Menschen plündern Geschäfte. Polizisten und Soldaten patrouillieren in der Mitte der Straße. Man sieht Truppentransporter und Panzer vorbeifahren und dennoch fällt die Ordnung zusehends auseinander. Menschen stehen vor Mauern und versuchen, diese zu überwinden. Die Straßen sind überfüllt mit Autos, die sich nicht fortbewegen können. Die Autos sind vollbepackt und doch kommt keiner voran. Die Menschheit steht am Rande des Bürgerkriegs. Am Ende wird wahlweise geschossen oder die Epidemie wird gerade so abgewendet, meistens durch einen Wissenschaftler im Wollpulli. Ach ja, nicht zu vergessen: entweder es regnet oder es herrscht eine schwüle Hitze.
Stand 31.03.2020: Fiktion ist Fiktion und Realität ist Realität. Zum Glück sieht die Realität ganz und gar anders aus als ein Hollywood Streifen. Es gibt eine reale Pandemie und dennoch läuft alles sehr zivilisiert ab. Tatsächlich ist New York von der Pandemie stark betroffen. Es gibt tausende Infizierte und es gibt Tote und dennoch sehen wir keine Menschen, die versuchen die Stadt zu verlassen. Wir sehen Soldaten, die Medikamente bringen oder ein Krankenhausschiff. Wir sehen Flugzeuge, die Menschen über Grenzen hinweg versorgen. Wir sehen Menschen, die sich gegenseitig aufmuntern. Wir sehen geschlossene Geschäfte, aber wir sehen keine Plünderungen. Es gibt einen Run auf Toilettenpapier, aber keine eingeschlagenen Schaufensterscheiben, aus denen schlecht vermummte Menschen Fernseher tragen. Nein, das hat nichts mit der Realität zu tun. Die Realität ist viel weniger dramatisch und bedrohlich als die Fiktion. Dabei ist die Pandemie viel dramatischer, als es sich die Fiktion in ihren Schreckensszenarios ausgemalt hat. Ist das nicht ermutigend? Die gewaltsame Reaktion ist ausgeblieben. Die Zivilisation und die Kulturtechniken greifen. Die Angst, das Bedrohungsgefühl hat nicht gewonnen und sie sollte dies auch nicht.
Menschen sind konfrontiert mit Eingriffen in ihr Leben. Sie sind gemeinsam in einem Haus oder einer Wohnung in der sozialen Isolation. Die wirtschaftliche Zukunft steht in Frage. Orientierungslosigkeit verbreitet sich genauso schnell wie der Virus. Die Pandemie hat nicht nur Folgen für die medizinische Versorgung und für die Wirtschaft. Sie hat ebenso große Folgen für unsere psychische Stabilität. Es gibt Befürchtungen, dass die Unterbrechung von Psychotherapien und psychiatrischer Behandlungen Menschen in ihrer Stabilität gefährden. Es gibt bereits erste Zahlen, die auf eine Zunahme häuslicher Gewalt hinweisen.i Gewinnt am Ende doch die Angst und brechen Menschen doch auf zu neuen Ufern und verlassen die Städte? Eines ist gewiss: Angst ist ein schlechter Berater für alle Situationen und Lebenslagen. Die Herausforderungen die vor uns liegen als Individuen, in unseren Beziehungen und auch als Gesellschaft brauchen Mut. Sie benötigen „Das Gegenteil der Angst!“ii Daher wird sich ein Kapitel der individuellen Situation in diesen heraufordernden Zeiten widmen.
Wirtschaften
Das erste was passierte war, dass die Börse einbrach und einbrach und einbrach: Von Höchstständen zum historischen Tief. Die wirtschaftliche Lage ist unklar. Sie ist so unklar wie der Weg, der vor uns liegt. Wie sollte es auch anders sein. Wir haben uns daran gewöhnt, dass an der Börse Wetten abgeschlossen werden. Sie platzieren eine Wette auf den Aktienkurs eines beliebigen DAX-notierten Unternehmens für den 31.03.2021: Worauf setzen Sie? Wie wird es in einem Jahr sein? Für viele Menschen stehen der eigene Job und die eigene Existenz auf dem Spiel.
Stand 31.03.2020: An diesem Tag haben 470.000 Betriebe in Deutschland Kurzarbeit angemeldet.iii Der Ölpreis ist auf ein Krisen-Tief gerutscht.iv Eine Rezession gilt als unvermeidbar.v Die Nachrichten in Spanien, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich vermelden ähnliches. Diese Daten sind feste und belastbare Daten. Leider ist es keine Science-Fiction, die Meldungen sind echt. Die Weltwirtschaft ist dem Zusammenbruch nahe. Weiterhin ist es der 31.03.2020. Auch wenn Geschäfte und Produktionsstätten geschlossen oder weit heruntergefahren sind, sind sie noch da. Die Infrastruktur steht und ist nicht beschädigt. Kein Haus ist abgebrannt oder vom Sturm niedergewalzt worden. Es ist alles noch da und dennoch schläft es. Unternehmen stellen sich eine Frage: Wie kommen wir durch die Krise und was kommt danach? Voraussagen sind immer schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Wir können aktuell nicht sagen ab wann wir die soziale Distanz wieder aufheben und wir zu Zeiten zurückkehren, in denen ein Wirtschaften möglich wird. Vielleicht sind es noch drei Wochen oder drei Monate bis wir Geschäfte und Restaurants wieder öffnen. Vielleicht dauert es noch Monate, bis Menschen für einen geschäftlichen Termin in einen Flieger steigen. Wir wissen nicht, ab wann und in welcher Form wir wieder Urlaub machen werden.
Es steht außer Frage, Unsicherheit hat sich auf die Wirtschaft gelegt. Die Frage ist, können wir abwarten? Wir sehen bereits jetzt, dass die wirtschaftliche Aktivität sich verändert. Wir sehen schlechte und gute Signale. Geschäfte beginnen sich umzustellen. Plötzlich gibt es Eislieferdienste und kleine Restaurants stellen Fahrer ein, die einem den Lieblingsburger bis an die Haustür bringen. Es passiert etwas. Es entsteht eine Dynamik, eine non-linearer Dynamik. Wenn wir versuchen eine Antwort auf die Frage zu finden, wie das Wirtschaften von Morgen aussehen wird, müssen wir einen kleinen Virus mit ins Augen fassen und die durch ihn verursachten Wellen. Kann in einer Krise aus „flatten the curve“ ein „flatten the curve-business“ werden? Stellen wir uns dieser Herausforderung und gestalten wir, was wir gestalten können, denn es ist Zeit für ein wenig mehr Optimismus.
Politisch
Menschen blicken in die Kamera, sie sind Gesundheitsminister, Staatsoberhäupter, Finanzminister, Wirtschaftsminister, Stadtkämmerer oder Oppositionsführer. Wir sehen diese Menschen und sehen Müdigkeit und Erschöpfung. Wir können die Telefonate sehen, die sie als Vorboten der Krise führen mussten, die Telefonate, die sie aktuell während der Krise führen müssen und die Telefonate, die sie nach der Krise führen