Rudyard Kipling - Gesammelte Werke. Rudyard Kipling
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Читать онлайн книгу Rudyard Kipling - Gesammelte Werke - Rudyard Kipling страница 103
Hatte man seine dritte Pfeife hinter sich, so fingen die Drachen an, sich zu regen, und krochen aufeinander zu und kämpften miteinander. So manche, manche Nacht hindurch hab' ich ihnen zugesehen. Ich richtete mich mit meinem Rauch danach. Jetzt brauch' ich freilich zwölf Pfeifen, bis die Drachen in Bewegung kommen. Auch sind sie alle zerrissen und schmutzig wie die Matten, und der alte Fung-Tsching ist tot. Er ist vor 'n paar Jahren gestorben und hat mir noch die Pfeife gegeben, die ich jetzt immer benütze – eine silberne mit sonderbarem Tierzeug, das an dem Behälter unter dem Becher 'rauf- und 'runterkriecht. Vorher brauchte ich, glaub' ich, ein großes Bambusrohr mit 'nem ganz kleinen Kupferbecher und 'nem Mundstück aus Nephrit. Das Rohr war dicker wie 'n Spazierstock und rauchte sich süß – ach, so süß. Der Bambus, scheint's, sog den Rauch auf. Silber thut's nicht, und so muß ich's hin und wieder rein machen: das ist 'ne schwere Arbeit, aber wegen des Alten rauch' ich doch draus. Er hat seinen Schnitt bei mir gemacht, aber er hat mir auch immer reine Matten und Kissen gegeben und den allerbesten Stoff.
Wie er starb, übernahm sein Neffe das Geschäft und nannte es »Tempel der drei Gaben«, aber bei uns Alten heißt es doch immer noch »Hundert Sorgen«. Der Neffe betreibt das Geschäft sehr schäbig. Und die memsahib mein' ich, hilft ihm dabei. Sie hält's mit ihm wie vorher mit dem Alten. Die beiden lassen gemeines Volk, Schwarze und alles, herein, und auch der schwarze Rauch ist nicht mehr, was er gewesen ist. Immer und immer wieder hab' ich in meiner Pfeife gebrannte Kleie gefunden. Den Alten hätt's umgebracht, wenn so was in seiner Zeit passiert wäre. Auch das Zimmer niemals rein und alle Matten zerrissen und zerfetzt. Der Sarg ist fort – wieder nach China zurück mit dem Alten drin und zwei Unzen Rauch, wenn er unterwegs was brauchen sollte.
Dem Götzen wird nicht mehr so viel Räucherholz unter der Nase verbrannt wie früher, das bedeutet Unheil, so sicher wie der Tod. Auch ist er ganz braun, und niemand sorgt für ihn. Ich weiß schon, daran ist die memsahib schuld, denn wenn Tsin-Iing vergoldetes Papier vor ihm verbrennen wollte, sagte sie, 's wäre Geldverschwendung, und wenn er ganz langsam 'n Stück Holz glimmen ließe, würde der Götze keinen Unterschied merken. So werden nun die Hölzer mit 'nem Haufen Leim bestrichen, da brennen sie 'ne halbe Stunde länger, stinken aber schrecklich. So laßt doch das Zimmer riechen, wie es soll. Auf die Weise kann kein Geschäft gedeih'n. Dem Götzen gefällt das Ding auch nicht. Ich seh's wohl. Spät in der Nacht kriegt er manchmal sonderbare Farben – Blau und Grün und Rot – ganz wie früher, wie der alte Fung-Tsching noch lebte, und dann rollt er seine Augen und stampft mit den Füßen wie 'n Teufel.
Ich weiß nicht, warum ich nicht weg bleibe und in Ruhe an einem eignen kleinen Platz im Bazar rauche. Sehr wahrscheinlich würde mich Tsin-ling umbringen, wenn ich fortginge – er zieht ja jetzt meine sechzig Rupien – und dann macht mir's zu viel Mühe, auch ist mir nun mal das Thor der liebste Platz geworden. Es sieht freilich nicht mehr nach viel aus, nicht mehr so wie in der Zeit des Alten, aber von ihm mich trennen könnt' ich nicht. Ich hab' so viele kommen und gehen sehen. Und ich hab' so viele hier auf den Matten sterben sehen, daß ich mich davor fürchte, nun im Freien zu sterben. Ich habe manches gesehen, was den Leuten wunderbar genug vorkommen würde, aber wenn man beim schwarzen Rauch ist, ist nichts wunderbar wie der schwarze Rauch selbst. Und wär's auch wunderbar, so verschlägt's nichts.
Fung-Tsching war sehr eigen mit seinen Kunden und brachte keinen 'rein, der Skandal machte. Aber sein Neffe fragt wenig danach. Überall schreit er aus, er hielte ein feines Haus. Er kann die Leute nicht anständig 'reinbringen und es ihnen behaglich machen, wie's Fung-Tsching machte. Drum wird auch das Thor was mehr bekannt wie früher. Natürlich unter den Schwarzen. Der Neffe wagt gar nicht, einen Weißen oder dafür wenigstens eine Mischhaut herzubringen. Uns drei, mich und die memsahib und den andern Eurasier, muß er natürlich hier lassen. Wir gehören zum Lokal. Aber er würde uns nicht für 'ne Pfeife Kredit geben – nicht um alles in der Welt.
Nächster Tage, hoff' ich, werd' ich im Thore sterben. Der Perser und der Mann aus Madras sind jetzt furchtbar zittrig. Sie müssen 'nen Jungen haben, der ihnen die Pfeifen anzündet. Ich thue das immer selber. So werd' ich sie wohl vor mir 'naustragen sehen. Ich denke nicht, daß ich die memsahib oder Tsin-ling überleben werde. Frauen halten beim schwarzen Rauch länger aus wie Männer, und Tsin-ling hat 'nen Tropfen vom Blute des Alten in sich, obgleich er schlechten Stoff raucht. Die Händlerin wußte zwei Tage vor ihrem Tode, daß sie dran glauben mußte; sie ist doch auf einer saubern Matte mit einem hübschen Wattekissen gestorben, und der Alte hat ihre Pfeife grade über dem Hausgötzen aufgehängt. Ich denke, er hat sie immer gern gehabt. Aber ihr Ohrgehänge hat er doch genommen.
Ich wünschte, ich könnte sterben wie die Händlerin – auf einer reinen kühlen Matte und mit einer Pfeife voll von gutem Stoff zwischen den Lippen, Wenn ich fühle, 's ist aus mit mir, werd' ich Tsin-ling sagen, er soll mir beides geben, und er kann dann meine sechzig Rupien den Monat immer wieder von frischem ziehen, solange er will. Dann werd' ich daliegen, ruhig und behaglich, und zusehen, wie die schwarzen und roten Drachen ihre letzte große Schlacht schlagen, und dann...
Doch was kümmert's mich. Mich kümmert eigentlich gar nichts mehr – nur wünscht' ich, Tsin-ling thäte keine Kleie in meinen schwarzen Rauch.
In Soddhus Hause
Nur einen Steinwurf hier wie dort
Gehn vom gebot'nen Pfad wir fort,
Und eine wilde, sond're Welt
Auf einmal uns umfangen hält.
Werwolf und andre bösen Geister,
Sie werden nächtens mit uns sein,
Denn in das Land geht's jäh hinein,
Wo nur die finstern Mächte Meister.
Vom Düsterland ins Dämmerland.
Soddhus Haus unweit des Talsali-Thores ist zweistöckig, hat vier Fenster, deren Rahmen aus braunem Holze geschnitzt sind, und ein flaches Dach. Man erkennt es an den fünf roten Handabdrücken, die auf der getünchten Wand zwischen den beiden obern Fenstern zu sehen sind. Der Geldverleiher Bhagwan Das und ein Mann, der angeblich sein Brot als Stempelschneider verdient, wohnen im unteren Stocke mit einer ganzen Schar von Weibern, Dienern, Freunden und Klienten. Die beiden oberen Räume bewohnten damals Dschanu und Asisun sowie ein kleiner schwarzgelber Dachshund, den ein Soldat aus dem Hause eines Engländers gestohlen und Dschanu geschenkt hatte. Jetzt lebt Dschanu allein in den oberen Zimmern. Soddhu pflegt auf dem Dache sein Nachtlager zu halten, wenn er nicht etwa auf der Straße schläft. Bei kaltem Wetter ging er wohl nach Peschawer zum Besuche seines Sohnes, der dort beim Edwardsthore Kuriositäten feil hält, und dann fand er seine Nachtruhe unter einem wirklichen Lehmdache. Soddhu ist ein guter Freund von mir, weil ich einmal durch meine Empfehlung dem Sohne seines Vetters die Stelle eines ersten Laufburschen bei einer großen Firma der Station verschafft habe. Soddhu sagt, Gott wird mich bald zu dem Posten eines Gouverneurs erheben. Ich behaupte kühn, daß seine Prophezeiung in Erfüllung gehen wird. Er ist schon sehr, sehr alt mit seinem weißen Haar und seinem fast zahnlosen Munde; auch seine geistigen Fähigkeiten sind ihm verloren gegangen wie fast alles außer der Neigung zu seinem Sohne in Peschawer. Dschanu und Asisun stammen aus Kaschmir und erfreuen sich einer ausgebreiteten Stadtbekanntschaft, doch hat Asisun seitdem einen Studenten der Medizin aus dem Nordwesten geheiratet und führt irgendwo in der Umgegend von Bareilly ein