Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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welche hinaus die alte Linde ihre Zweige breitet, und wem sie dann freundlich und mild zunickten, dem wurde wohl dabei. Sie waren sehr gut gegen die Armen; sie speisten sie, sie kleideten sie, und in ihrer Wohltätigkeit war Vernunft und wahres Christenthum. Die alte Frau starb zuerst; mir steht der Tag noch lebhaft vor Augen! Ich war ein kleiner Knabe und hatte meinen Vater zu dem alten Preben ins Haus begleitet, und wir waren eben dort, als sie hinübergeschlummert war; der alte Mann war tief bewegt und weinte wie ein Kind. – Die Leiche lag noch in der Schlafstube nebenan wo wir saßen, – er sprach zu meinem Vater und einigen Nachbarn, die dort waren, und sprach davon, wie einsam es nun bei ihm werden würde, wie gut und treu sie, die Entschlafene, gewesen, wie viele Jahre sie miteinander durchs Leben gewandelt und wie es gekommen, daß sie sich hatten kennen lernen und sich lieb gewonnen; ich war wie gesagt, ein Knabe, und stand nur dabei und hörte Dem zu, was die Andern sprachen, aber es erfüllte mich in wunderbarer Weise, den Worten des alten Mannes zu lauschen und Zeuge zu sein, wie er allmälig lebhaft wurde und seine Wangen sich färbten, als er von den Tagen des Brautstandes und davon sprach, wie schön sie gewesen, wie viele kleine unschuldige Umwege er gegangen sei, um ihr zu begegnen, und er erzählte von dem Hochzeitstage, seine Augen leuchteten, er lebte sich gleichsam zurück in jene Zeit der Freude, und nebenan lag sie in dem Kämmerchen, todt, eine alte Frau, und er war ein alter Mann und sprach von der Zeit der Hoffnung! – – ja, ja, so geht es! Damals war ich ein Kind nur, und jetzt bin ich alt, alt wie Preben Schwane. Die Zeit verstreicht und Alles wechselt! – Ich entsinne mich gar wohl des Tages ihrer Bestattung, der alte Preben ging dicht hinter dem Sarge einher. Wenige Jahre vorher hatte das Ehepaar seinen Grabstein zurecht machen lassen mit Inschrift und Namen bis auf das Todesjahr; der Stein wurde Abends nach dem Friedhofe gefahren und über das Grab gelegt, – und ein Jahr später ward er wieder abgewälzt und der alte Preben stieg zu seiner Ehegattin hinab. – Sie hinterließen bei weitem nicht den Reichthum, den die Leute geglaubt; was da war, kam an Familien weitläufiger Verwandtschaft, an Solche, von denen man bis dahin nichts gewußt hatte. Das alte Haus von Fachwerk, mit der Bank auf der hohen steinernen Treppe unter der Linde, wurde von der Behörde niedergerissen: es war zu alt und morsch, als daß man es hätte stehen lassen dürfen. Später als dasselbe Schicksal die Klosterkirche traf und als der Friedhof einging, kam der Grabstein Prebens und Martha's wie alles Andere von dort an Denjenigen, der es kaufen wollte, und nun trifft es sich doch so, daß der Grabstein nicht entzweigehauen und verwendet worden ist wie mancher andere, sondern daß er noch unten im Hofraume liegt, eine Scheuerbank der Mägde, eine Spielstätte der Kinder. – Die gepflasterte Straße führt jetzt über die Ruhestätte des alten Preben und seiner Gattin hin. »Niemand denkt mehr an sie!«

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Und der alte Mann, der dieses Alles erzählte, schüttelte wehmüthig den Kopf. »Vergessen! – Alles soll vergessen werden!« sprach er.

      Darauf sprachen sie im Zimmer von anderen Dingen; aber das jüngste Kind drinnen, ein Knabe mit großen ernsten Augen, stieg auf einen Stuhl hinter den Fenstervorhangen, und blickte in den Hofraum hinaus, woselbst der Mond den alten Stein mit seinem hellen Scheine übergoß, den alten Stein, der ihm sonst leer und flach erschienen war, jetzt aber da lag, ein großes Blatt aus einem Chronikbuche. Alles, was der Knabe von dem alten Preben und dessen Gattin vernommen, wohnte hier dem Steine inne: er blickte diesen an, und blickte in den klaren lichten Mond, schaute in die reine Luft hinein, es war als leuchte das Antlitz Gottes über die Erde hinaus.

      »Vergessen! – Alles soll vergessen werden!« tönte es drinnen im Zimmer, und in demselben Augenblicke küßte ein unsichtbarer Engel dem Knaben die Brust und die Stirn und flüsterte ihm leise zu: Bewahre Du das anvertraute Samenkorn, damit es gedeihe und reife, bewahre es wohl! Durch Dich, mein Kind, soll die verwischte Inschrift, der verwittert Grabstein in klaren, goldenen Zügen künftigen Geschlechtern vorgeführt werden! Das alte Ehepaar soll wieder Arm in Arm durch die alten Straßen wandeln und lächeln, mit frischen gesunden Wangen auf der hohen Bank unter der Linde sitzen, und Arm und Reich zunicken. Das Samenkorn dieser Stunde wird durch Jahre zu einer blühenden Dichtung gedeihen. Das Gute, das Schöne wird nicht vergessen, es lebt im Liede, es lebt in der Sage.

      Rings um den Garten zog sich eine Hecke von Haselbüschen; außerhalb derselben war Feld und Wiese mit Kühen und Schafen, aber mitten in dem Garten stand ein blühender Rosenstock; unter diesem saß eine Schnecke, die hatte Vieles in sich, sie hatte sich selbst.

      »Warte nur bis meine Zeit kommt!« sagte sie, »ich werde mehr ausrichten, als Rosen ansetzen, Nüsse tragen oder Milch geben, wie Haselbusch, Kühe und Schafe!«

      »Ich erwarte sehr viel von Ihr!« sagte der Rosenstock. »Darf ich fragen: wann wird es zum Vorscheine kommen?«

      »Ich lasse mir Zeit!« sagte die Schnecke. »Sie haben nun solche Eile! Das spannt die Erwartungen nicht.«

      Im darauf folgenden Jahre lag die Schnecke ungefähr auf derselben Stelle im Sonnenscheine unter dem Rosenstocke, der wieder Knospen trieb und Rosen entfaltete, immer frische, immer neue. Und die Schnecke kroch halb aus ihrem Hause heraus, streckte die Fühlhörner aus, und zog sie wieder ein.

      »Alles sieht aus wie im vorigen Jahre! Gar kein Fortschritt; der Rosenstock bleibt bei den Rosen, weiter kommt er nicht!«

      Der Sommer, der Herbst verstrich; der Rosenstock trug Rosen und Knospen bis der Schnee fiel, bis das Wetter rauh und naß wurde; dann beugte er sich zur Erde, die Schnecke kroch in die Erde.

      Es begann ein neues Jahr; die Rosen kamen zum Vorscheine, die Schnecke auch.

      »Sie sind jetzt ein alter Rosenstock!« sagte die Schnecke. »Sie müssen machen, daß Sie bald eingehen. Sie haben der Welt Alles gegeben, was Sie in sich gehabt haben, ob es von Belang war, das ist eine Frage, über die nachzudenken ich keine Zeit gehabt habe; so viel ist aber klar und deutlich, daß Sie nicht das Geringste für Ihre innere Entwicklung gethan haben, sonst wäre wohl etwas Anderes aus Ihnen hervorgegangen. Können Sie das verantworten? Sie werden jetzt bald ganz und gar nur Stock sein! Begreifen Sie, was ich sage?«

      »Sie erschrecken mich!« sagte der Rosenstock. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.«

      »Nein, Sie haben sich wohl überhaupt nie mit Denken abgegeben! Haben Sie sich jemals Rechenschaft gegeben, weshalb sie blühten, und wie der Hergang beim Blühen ist; warum so und nicht anders?«

      »Nein!« sagte der Rosenstock. »Ich blühe in Freude, weil ich nicht anders konnte. Die Sonne schien und wärmte, die Luft erfrischte, ich trank den klaren Thau und den kräftigen Regen; ich athmete, ich lebte! Aus der Erde stieg eine Kraft in mich herauf, von Oben kam eine Kraft, ich vernahm ein immer neues, immer wachsendes Glück, und deshalb mußte ich immer blühen; das war mein Leben, ich konnte nicht anders!«

      »Sie haben ein sehr gemächliches Leben geführt!« sagte die Schnecke.

      »Gewiß! Alles wurde mir gegeben!« sagte der Rosenstock; »doch Ihnen wurde noch mehr gegeben! Sie sind eine dieser denkenden, tiefsinnigen Naturen, Einer dieser Hochbegabten, welche die Welt in Erstaunen setzen werden!«

      »Das fällt mir nicht im Entferntesten ein!« sagte die Schnecke. »Die Welt geht mich nichts an! Was habe ich mit der Welt zu schaffen? Ich habe genug mit mir selbst und genug in mir selbst!«

      »Aber müssen wir Alle hier auf Erden nicht unser bestes Theil den Andern geben, das darbringen, was wir eben vermögen? – Freilich, ich habe nur Rosen gegeben! – Doch Sie? Sie, die Sie so reich begabt sind, was schenkten Sie der Welt? Was werden Sie geben?«

      »Was ich gab? Was ich gebe? – Ich spucke sie an! sie taugt nichts! sie geht mich nichts an. Setzen Sie Rosen an, meinetwegen,

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