Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 124
Und der Schneemann schaute danach und gewahrte einen blank polirten Gegenstand mit messingener Trommel; das Feuer leuchtete daraus von unten her. Dem Schneemann« wurde ganz wunderlich zu Muthe, es überkam ihn ein Gefühl, er wußte selbst nicht welches, er konnte sich keine Rechenschaft von ihm geben; aber alle Menschen, wenn sie nicht Schneemänner sind, kennen es.
»Warum verließest Du sie?« fragte der Schneemann. Er hatte es im Gefühle, daß es ein weibliches Wesen sein mußte. »Wie konntest Du nur einen solchen Ort verlassen?«
»Ich mußte wohl!« sagte der Kettenhund. »Man warf mich zur Thür hinaus und legte mich hier an die Kette. Ich hatte den jüngsten Junker ins Bein gebissen, weil er mir den Knochen wegstieß, an dem ich nagte; Knochen um Knochen, so denke ich! Das nahm man mir aber sehr übel, und von dieser Zeit an bin ich an die Kette gelegt und habe meine Stimme verloren, hörst Du nicht, daß ich heiser bin: Weg! Weg! Ich kann nicht mehr so sprechen wie die andern Hunde. Weg! Weg! Das war das Ende vom Liede!«
Der Schneemann hörte ihm aber nicht mehr zu; er sah immerfort in die Kellerwohnung der Haushälterin, in ihre Stube hinein, wo der Ofen auf seinen vier eisernen Beinen stand und sich in derselben Größe zeigte wie der Schneemann.
»Wie das sonderbar in mir knackt!« sagte er. »Werde ich nie dort hinein kommen? Es ist doch ein unschuldiger Wunsch, und unsere unschuldigen Wünsche werden gewiß in Erfüllung gehen. Ich muß dort hinein, ich muß mich an sie anlehnen, und wenn ich auch das Fenster eindrücken sollte!«
»Dort hinein wirst Du nie gelangen,« sagte der Kettenhund, »und kommst Du an den Ofen hinan, so vergehst Du. Weg! Weg!«
»Ich bin schon so gut wie weg!« erwiderte der Schneemann, »ich breche zusammen, glaube ich.«
Den ganzen Tag guckte der Schneemann durch's Fenster hinein; in der Dämmerstunde wurde die Stube noch einladender; vom Ofen her leuchtete es mild, gar nicht wie der Mond, nicht wie die Sonne; nein, wie nur der Ofen leuchten kann, wenn er etwas zu verspeisen hat. Wenn die Stubenthüre aufging, stand ihm die Flamme zum Munde heraus – diese Gewohnheit hatte der Ofen; es flammte deutlich roth auf um das weiße Gesicht des Schneemannes, es leuchtete roth seine ganze Brust herauf.
»Ich halte es nicht mehr aus!« sagte er. »Wie schön es ihm steht, die Zunge so herauszustrecken!«
Die Nacht war lang; dem Schneemanne wurde sie aber nicht lang, er stand da in seine eigenen, schönen Gedanken vertieft, und die froren, daß es knackte.
Am Morgen waren die Fensterscheiben der Kellerwohnung mit Eis bedeckt; sie trugen die schönsten Eisblumen, die nur ein Schneemann verlangen konnte, allein sie verbargen den Ofen. Die Fensterscheiben wollten nicht aufthauen; er konnte den Ofen nicht sehen, den er sich als ein so liebliches weibliches Wesen dachte. Es knackte und knickte in ihm und rings um ihn her; es war gerade so ein Frostwetter, an dem ein Schneemann seine Freude haben muß. Er aber freute sich nicht – wie hatte er sich auch glücklich fühlen können: er hatte Ofensehnsucht.
»Das ist eine schlimme Krankheit für einen Schneemann,« sagte der Kettenhund, »ich habe auch an der Krankheit gelitten, aber ich habe sie überstanden. Weg! Weg!« bellte er. – »Wir werden anderes Wetter bekommen!« fügte er hinzu.
Das Wetter änderte sich; es wurde Thauwetter. Dieses nahm zu; der Schneemann nahm ab. Er sagte nichts, er klagte nicht, und das ist das richtige Zeichen.
Eines Morgens brach er zusammen. Und siehe, es ragte Etwas wie ein Besenstiel, da, wo er gestanden hatte, empor; um den Stiel herum hatten die Knaben ihn aufgebaut.
»Ja, jetzt begreife ich es, jetzt verstehe ich es, daß er die große Sehnsucht hatte!« sagte der Kettenhund. »Da ist ja ein Eisen zum Ofenreinigen an dem Stiele, – der Schneemann hat einen Ofenkratzer im Leibe gehabt! Das ist es was sich in ihm geregt hat; jetzt ist das überstanden: Weg! Weg!«
Und bald darauf war auch der Winter überstanden. »Weg! Weg!« bellte der heisere Kettenhund; aber die Mädchen aus dem Hause sangen:
»Waldmeister grün! Hervor aus dem Haus;
Weide! die wollenen Handschuhe aus;
Lerche und Kuckuk! singt fröhlich drein, –
Frühling mit Februar wird es sein!
Ich singe mit: Kuckuk! Quivit!
Komm, liebe Sonne, komm oft – quivit!«
Und dann denkt Niemand an den Schneemann.
Sie taugte nichts.
Der Bürgermeister stand am offenen Fenster; er war in seinem Hemde mit Handmanschetten, mit Tuchnadel in dem Busenstreifen, und außerordentlich glatt rasirt, selbsteigene Arbeit; und doch hatte er sich einen kleinen Schnitt beigebracht, aber auf demselben klebte ein Stückchen Zeitung. »Höre 'mal, Du Kleiner!« rief er.
Und der Kleine war kein Anderer als der Sohn der armen Waschfrau, der gerade am Hause vorüberging und ehrfurchtsvoll seine Mütze zog; der Schirm derselben war in der Mitte gebrochen, die Mütze war dazu eingerichtet, zusammengerollt und in die Tasche gesteckt zu wenden. In seinen ärmlichen, aber reinen und außerordentlich gut geflickten Kleidern, mit schweren Holzschuhen an den Füßen, stand der Knabe da, ehrfurchtsvoll, als stände er dem Könige selbst gegenüber.
»Du bist ein guter Junge,« sagte der Bürgermeister. »Du bist ein höflicher Knabe. Deine Mutter spült wohl Wäsche unten am Flusse; dort mußt Du das gewiß hinbringen, was Du in der Tasche hast. Das ist ein garstig Ding mit Deiner Mutter; wie viel hast Du drin?«
»Ein halbes Maas,« sagte der Knabe erschrocken, mit halblauter Stimme.
»Und heute Morgen bekam sie ebenso viel,« fuhr der Mann fort.
»Nein, es war gestern!« antwortete der Knabe.
»Zwei halbe machen ein ganzes« – Sie taugt nichts! Es ist traurig mit der Art Leute! – Sage Deiner Mutter, sie solle sich schämen! und werde Du nur kein Trunkenbold; aber das wirst Du schon werden! Armes Kind! Geh nur!« Und der Knabe ging weiter; die Mütze behielt er in der Hand und der Wind spielte in seinen gelben Haaren, daß lange Büschel in die Höhe standen. Er lenkte um die Straßenecke, in die kleine Gasse ein, die nach dem Fluße führte, wo die Mutter im Wasser stand an der Waschbank und mit dem Schlägel die schwere Wäsche schlug. Das Wasser strömte stark, denn die Schleusen der Mühle waren aufgezogen, das Bettlaken trieb mit dem Strome und war im Begriffe, die Bank umzureißen. Die Waschfrau mußte sich dagegen stemmen.
»Bald wäre ich davon gesegelt!« sagte sie, »es ist gut, daß Du kommst, denn ich habe es nöthig, den Kräften ein wenig zu Hilfe zu kommen! Es ist kalt hier im Wasser; sechs Stunden, stehe ich schon hier. Hast Du Etwas für mich?«
Der Knabe zog die Flasche hervor und die Mutter setzte sie an den Mund und trank einen Schluck.
»Ach, wie das wohl thut! Wie das wärmt! Das ist ebenso gut wie warmes Essen, und nicht so theuer! Trinke, mein Junge! Du siehst ganz blaß aus, es friert Dich in den dünnen Kleidern! Es ist ja auch Herbst. Hu! wie ist das Wasser kalt! Wenn ich nur nicht krank werde! Doch