Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen

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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen

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Du denn hier erfrieren, wenn es Winter wird? Sollen die Knaben kommen, Dich zu hängen, zu sengen und zu braten? Nun werde ich sie rufen!«

      »O nein!« sagte der junge Storch und hüpfte dann wieder auf das Dach, wie die andern. Am dritten Tage konnten sie schon ein Bischen fliegen, und da glaubten sie, daß sie auch schweben und auf der Luft ruhen könnten! Das wollten sie, aber bums! da purzelten sie; darum mußten sie schnell die Flügel wieder rühren. Nun kamen die Knaben unten auf der Straße und sangen ihr Lied:

      »Storch, Storch, fliege heim!«

      »Wollen wir nicht hinunter fliegen und ihnen die Augen ausstechen?« fragten die Jungen.

      »Nein, laßt das sein!« sagte die Mutter. »Hört nur auf mich, das ist weit wichtiger! Eins, zwei, drei! nun fliegen wir rechts herum; Eins, zwei, drei! nun links um den Schornstein! – Seht, das war sehr gut! Der letzte Schlag mit den Füßen war so niedlich und richtig, daß Ihr die Erlaubniß erhalten sollt, morgen mit mir in den Sumpf zu fliegen! Da kommen mehrere nette Storchfamilien mit ihren Kindern hin; zeigt ihnen nun, daß die meinen die niedlichsten sind, und daß Ihr recht einherstolzirt; das sieht gut aus und verschafft Ansehen!«

      »Aber sollen wir denn nicht an den unartigen Buben Rache nehmen?« fragten die jungen Störche.

      »Laßt sie schreien, so viel sie wollen! Ihr fliegt doch zu den Wolken auf, und kommt nach dem Lande der Pyramiden, wenn sie frieren müssen und kein grünes Blatt, keinen süßen Apfel haben!«

      »Ja, wir wollen uns rächen!« zischelten sie einander zu, und dann wurde wieder exercirt.

      Von allen Knaben auf der Straße war keiner ärger darauf erpicht, das Spottlied zu singen, als gerade der, welcher damit angefangen hatte, und das war ein ganz kleiner; er war wohl nicht mehr als sechs Jahre alt. Die jungen Störche glaubten freilich, daß er hundert Jahre zähle, denn er war ja um Vieles größer, als ihre Mutter und ihr Vater, und was wußten sie davon, wie alt Kinder und große Menschen sein könnten! Ihre ganze Rache sollte diesen Knaben treffen; er hatte zuerst begonnen und er blieb auch immer dabei. Die jungen Störche waren sehr aufgebracht, und als sie größer wurden, wollten sie es noch weniger dulden; die Mutter mußte ihnen zuletzt versprechen, daß sie gerächt werden sollten, aber erst am letzten Tage ihres Aufenthalts.

      »Wir müssen ja erst sehen, wie Ihr Euch bei dem großen Manöver benehmen werdet! Besteht Ihr schlecht, so daß der General Euch den Schnabel durch die Brust stößt, dann haben ja die Knaben recht, wenigstens in einer Weise! Laßt uns nun sehen!«

      »Ja, das sollst Du!« sagten die Jungen, und nun gaben sie sich recht Mühe; sie übten jeden Tag und flogen so niedlich und leicht, daß es eine Lust war.

      Nun kam der Herbst: alle Störche begannen, sich zu sammeln und nach den warmen Ländern fortzuziehen, während wir Winter hatten. Das war ein Manöver! Ueber Wälder und Dörfer mußten sie, nur um zu sehen, wie gut sie fliegen könnten, denn es war ja eine große Reise, die ihnen bevorstand. Die jungen Störche machten ihre Sachen so brav, daß sie »Ausgezeichnet gut, mit Frosch und Schlangen« erhielten. Das war das allerbeste Zeugniß, und den Frosch und die Schlangen konnten sie essen; das thaten sie auch.

      »Nun wollen wir uns rächen!« sagten sie.

      »Ja gewiß!« sagte die Storchmutter. »Was ich mir ausgedacht, ist gerade das Richtigste! Ich weiß, wo der Teich ist, in dem alle die kleinen Menschenkinder liegen, bis der Storch kommt und sie den Eltern bringt. Die niedlichen, kleinen Kinder schlafen und träumen so lieblich, wie sie später nie mehr träumen. Alle Eltern wollen gern solch ein kleines Kind haben, und alle Kinder wollen eine Schwester oder einen Bruder haben. Nun wollen wir nach dem Teiche hinfliegen und eins für jedes der Kinder holen, welche nicht das böse Lied gesungen und die Störche zum Besten gehabt haben!«

      »Aber Der, welcher zu singen angefangen, der schlimme, häßliche Knabe!« schrieen die jungen Störche; »was machen wir mit ihm?«

      »Da liegt im Teiche ein kleines, todtes Kind, das sich todt geträumt hat; das wollen wir für ihn nehmen; da wird er weinen, weil wir ihm einen kleinen, todten Bruder gebracht haben; aber dem guten Knaben – ihn habt Ihr doch nicht vergessen, ihn, der da sagte: Es sei Unrecht, die Thiere zum Besten zu haben! – ihm wollen wir sowohl einen Bruder, als eine Schwester bringen. Und da der Knabe Peter hieß, so sollt Ihr auch allesammt Peter heißen!«

      Und es geschah, wie sie sagten; und es hießen alle Störche Peter, und so werden sie noch genannt.

      Ein Kreisel und ein Bällchen lagen im Kasten beisammen unter anderem Spielzeug, und da sagte der Kreisel zum Bällchen: »Wollen wir nicht Brautleute sein, da wir doch in Einem Kasten zusammenliegen?« Aber das Bällchen, welches von Saffian genäht war, und das sich eben so viel einbildete, als ein feines Fräulein, wollte auf dergleichen nicht antworten.

      Am nächsten Tage kam der kleine Knabe, dem das Spielzeug gehörte: er bemalte den Kreisel roth und gelb und schlug einen Messing-Nagel mitten hinein; das sah einmal recht prächtig aus, wenn der Kreisel sich herumdrehte!

      »Sehen Sie mich an!« sagte er zum Bällchen. »Was sagen Sie nun? Wollen wir nun nicht Brautleute sein? Wir passen so gut zu einander: Sie springen und ich tanze! Glücklicher, als wir Beide, würde Niemand werden können!«

      »So? Glauben Sie das?« sagte das Bällchen. »Sie wissen wohl nicht, daß mein Vater und meine Mutter Saffianpantoffeln gewesen sind, und daß ich einen spanischen Kork im Leibe habe?«

      »Ja, aber ich bin von Mahagoniholz,« sagte der Kreisel; »und der Bürgermeister hat mich selbst gedrechselt. Er hat seine eigene Drechselbank und es hat ihm viel Vergnügen gemacht.«

      »Kann ich mich darauf verlassen?« fragte das Bällchen.

      »Möge ich niemals die Peitsche bekommen, wenn ich lüge!« erwiderte der Kreisel.

      »Sie wissen gut für sich zu sprechen!« sagte das Bällchen. »Aber ich kann doch nicht: ich bin mit einer Schwalbe so gut wie versprochen; jedes Mal, wenn ich in die Luft fliege, steckt sie den Kopf zum Neste heraus und fragt: »Wollen Sie?« Und nun habe ich innerlich ja gesagt, und das ist so gut, wie eine halbe Verlobung; aber ich verspreche Ihnen, Sie nie zu vergessen!«

      »Ja, das wird viel helfen!« sagte der Kreisel. Und so sprachen sie nicht mehr mit einander.

      Am nächsten Tage wurde das Bällchen von dem Knaben hervorgenommen. Der Kreisel sah, wie es hoch in die Luft flog, gleich einem Vogel; zuletzt konnte man es gar nicht mehr erblicken; jedes Mal kam es wieder zurück, machte aber immer einen hohen Sprung, wenn es die Erde berührte; und das geschah entweder aus Sehnsucht, oder weil es einen spanischen Kork im Leibe hatte. Das neunte Mal aber blieb das Bällchen weg und kam nicht wieder; und der Knabe suchte und suchte, aber weg war es.

      »Ich weiß wohl, wo es ist!« seufzte der Kreisel. »Es ist im Schwalbenneste und hat sich mit der Schwalbe verheirathet!«

      Je mehr der Kreisel daran dachte, um so mehr wurde er für das Bällchen eingenommen; gerade weil er es nicht bekommen konnte, darum nahm seine Liebe zu; daß es einen Andern genommen hatte, das war das Eigenthümliche dabei; und der Kreisel tanzte herum und schnurrte, dachte aber beständig an das Bällchen, welches in seinen Gedanken immer schöner und schöner wurde. So verstrich manches Jahr – – und nun war es eine alte Liebe.

      Und der Kreisel war nicht mehr jung! – – Aber da wurde er eines Tages über und über vergoldet; nie hatte er so schön ausgesehen; er war nun ein Goldkreisel und sprang, daß er schnurrte.

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