Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 134
Gerda mußte wieder ausruhen; da hüpfte dort auf dem Schnee, der Stelle, wo sie saß, gerade gegenüber, eine große Krähe; die hatte lange gesessen, sie betrachtet und mit dem Kopfe gewackelt; nun sagte sie: »Krah! Krah! – Gu'Tag! Gu'Tag!« Besser konnte sie es nicht herausbringen, aber sie meinte es gut mit dem kleinen Mädchen und fragte, wohin sie so allein in die weite Welt hinausginge. Das Wort allein verstand Gerda sehr wohl und fühlte recht, wie viel darin lag; und sie erzählte der Krähe ihr ganzes Leben und Schicksal und fragte, ob sie Kay nicht gesehen habe.
Und die Krähe nickte ganz bedächtig und sagte: »Das könnte sein! Das könnte sein!«
»Wie? Glaubst Du?« rief das kleine Mädchen und hätte fast die Krähe todt gedrückt, so küßte sie diese.
»Vernünftig, vernünftig!« sagte die Krähe. »Ich glaube, ich weiß; – ich glaube; es kann sein; der kleine Kay – aber nun hat er Dich sicher über der Prinzessin vergessen!«
»Wohnt er bei einer Prinzessin?« fragte Gerda.
»Ja, höre!« sagte die Krähe. »Aber es fällt mir so schwer, Deine Sprache zu sprechen. Verstehst Du die Krähensprache[22]? dann will ich besser erzählen.«
»Nein, die habe ich nicht gelernt,« sagte Gerda, »aber die Großmutter verstand sie, und auch sprechen konnte sie diese Sprache. Hätte ich sie nur gelernt!«
»Thut gar nichts!« sagte die Krähe. »Ich werde erzählen, so gut ich kann; aber schlecht wird es gehen.« Dann erzählte sie, was sie wußte.
»In dem Königreiche, in welchem wir jetzt sitzen, wohnt eine Prinzessin, die ist ganz unbändig klug; aber sie hat auch alle Zeitungen, die es in der Welt giebt, gelesen und wieder vergessen, so klug ist sie. Neulich saß sie auf dem Throne, und das ist doch nicht so angenehm, wie man sagt; da fing sie an, ein Lied zu singen, und das war dieses: »Weshalb sollt' ich mich nicht verheirathen?« »Höre, da ist etwas daran,« sagte die Krähe, »und so wollte sie sich verheirathen; aber sie wollte einen Mann haben, der zu antworten verstehe, wenn man mit ihm spreche; einen, der nicht blos da stehe und vornehm aussehe, denn das sei zu langweilig. Nun ließ sie alle Hofdamen zusammentrommeln, und als diese hörten, was sie wollte, wurden sie sehr vergnügt. »Das mag ich leiden!« sagte sie; »daran dachte ich neulich auch!« – »Du kannst glauben, daß jedes Wort, was ich sage, wahr ist!« fügte die Krähe hinzu. »Ich habe eine zahme Geliebte, die geht frei im Schlosse umher, und die hat mir Alles erzählt!«
Die Geliebte war natürlich auch eine Krähe. Denn eine Krähe sucht die andere, und es bleibt immer eine Krähe.
»Die Zeitungen kamen sogleich mit einem Rande von Herzen und der Prinzessin Namenszug heraus; man konnte darin lesen, daß es einem jeden jungen Manne, der gut aussehe, freistehe, auf das Schloß zu kommen und mit der Prinzessin zu sprechen; und Derjenige, welcher so spreche, daß man hören könne, er sei dort zu Hause, und der am Besten spräche, den wolle die Prinzessin zum Manne nehmen. – Ja, ja,« sprach die Krähe, »Du kannst mir es glauben; es ist so gewiß wahr, als ich hier sitze. Junge Männer strömten herzu; es war ein Gedränge und ein Laufen; aber es glückte weder am ersten, noch am zweiten Tage. Sie konnten alle gut sprechen, wenn sie auf der Straße waren, aber wenn sie in das Schloßthor traten und die Gardisten in Silber sahen und die Treppen hinauf die Lakaien in Gold und die großen erleuchteten Säle – dann wurden sie verwirrt. Und standen sie gar vor dem Throne, wo die Prinzessin saß, dann wußten sie nichts zu sagen, als das letzte Wort, was sie gesprochen hatte; und das noch einmal zu hören, dazu hatte sie keine Lust. Es war als ob die Leute drinnen Schnupftabak auf den Magen bekommen hätten und in den Schlaf gefallen wären, bis sie wieder auf die Straße kamen, dann erst konnten sie wieder sprechen. Da stand eine Reihe vom Stadtthore an bis zum Schlosse. – Ich war selbst drinnen, um es zu sehen!« sagte die Krähe. »Sie wurden hungrig und durstig, aber auf dem Schlosse erhielten sie nicht einmal ein Glas Wasser. Zwar hatten einige der Klügsten Butterbrot mitgenommen, aber sie theilten nicht mit ihrem Nachbar; sie dachten so: Laß ihn hungrig aussehen, dann nimmt ihn die Prinzessin nicht!«
»Aber Kay, der kleine Kay!« fragte Gerda. »Wann kam der? War er unter der Menge?«
»Warte! warte! Jetzt sind wir bei ihm! Es war am dritten Tage, da kam eine kleine Person, ohne Pferd und Wagen, fröhlich gerade auf das Schloß zu marschirt; seine Augen glänzten wie Deine; er hatte schönes langes Haar, aber sonst ärmliche Kleider.«
»Das war Kay!« jubelte Gerda. »O, dann habe ich ihn gefunden!« und sie klatschte in die Hände. »Er hatte ein kleines Ränzel auf dem Rücken!« sagte die Krähe.
»Nein, das war sicher sein Schlitten!« sagte Gerda; »denn mit dem Schlitten ging er fort!«
»Das kann wohl sein,« sagte die Krähe; »ich sah nicht so genau darnach! Aber das weiß ich von meiner zahmen Geliebten, daß er, als er in das Schloßthor kam und die Leibgardisten in Silber sah und die Treppe hinauf die Lakaien in Gold, nicht im mindesten verlegen wurde; er nickte und sagte zu ihnen: »Das muß langweilig sein, auf der Treppe zu stehen; ich gehe lieber hinein!« Da glänzten die Säle von Lichtern; Geheimräthe und Excellenzen gingen mit entblößten Füßen und trugen Goldgefäße; man konnte wohl andächtig werden! Seine Stiefel knarrten gar gewaltig laut, aber ihm wurde doch nicht bange.«
»Das ist ganz gewiß Kay!« sagte Gerda. »Ich weiß, er hat neue Stiefel an; ich habe sie in der Großmutter Stube knarren hören!«
»Ja freilich knarrten sie!« sagte die Krähe. »Und frischen Muths ging er gerade zur Prinzessin hinein, die auf einer großen Perle saß, die so groß wie ein Spinnrad war; und alle Hofdamen mit ihren Jungfern und den Jungfern der Jungfern, und alle Cavaliere mit ihren Dienern und den Dienern der Diener, die wieder einen Burschen hielten, standen rings herum aufgestellt; und je näher sie der Thür standen, desto stolzer sahen sie aus. Des Dieners Burschen, der immer in Pantoffeln geht, darf man kaum anzusehen wagen; so stolz steht er in der Thüre!«
»Das muß gräulich sein!« sagte die kleine Gerda. »Und Kay hat doch die Prinzessin erhalten?«
»Wäre ich nicht eine Krähe gewesen, so hätte ich sie genommen, und dessen ungeachtet daß ich verlobt bin. Er soll eben so gut gesprochen haben, wie ich, wenn ich die Krähensprache spreche: das habe ich von meiner zahmen Geliebten gehört. Er war fröhlich und niedlich; er war nicht gekommen zum Freien, sondern nur, um der Prinzessin Klugheit zu hören; und die fand er gut, und sie fand ihn wieder gut.«
»Ja, sicher! das war Kay!« sagte Gerda. »Er war so klug; er konnte die Kopfrechnung mit Brüchen. – O, willst Du mich nicht auf dem Schlosse einführen?«
»Ja, das ist leicht gesagt!« antwortete die Krähe. »Aber wie machen wir das? Ich werde es mit meiner zahmen Geliebten besprechen; sie kann uns wohl Rath ertheilen; denn das muß ich Dir sagen: so ein kleines Mädchen, wie Du bist, bekommt nie die Erlaubniß, hinein zu kommen!« »Ja, die erhalte ich!« sagte Gerda. »Wenn Kay hört, daß ich da bin, kommt er gleich heraus und holt mich!«
»Erwarte mich dort am Gitter!« sagte die Krähe, wackelte mit dem Kopfe und flog davon.
Erst als es spät am Abend war, kehrte die Krähe wieder zurück. »Rar! Rar!« sagte sie. »Ich soll Dich vielmals von ihr grüßen, und hier ist ein kleines Brot für Dich, sie nahm es aus der Küche, dort ist Brot genug, und Du bist gewiß hungrig. – Es ist nicht möglich, daß Du in das Schloß hineinkommen kannst: Du bist ja barfuß. Die Gardisten in Silber und die Lakaien in Gold würden es nicht erlauben. Aber weine nicht! Du sollst schon hinaufkommen. Meine Geliebte kennt