Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
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Читать онлайн книгу Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke - Hans Christian Andersen страница 16
Des Waldes Blätter wurden immer gelber, und Laub fiel auf Laub, die Stürme des Herbstes brausten; das Spätjahr war weit vorgerückt, und auf dem gelben Laubfalle ruhte die Königin des Jahres und schaute mit milden Augen nach dem schimmernden Sterne, und der Gatte stand bei ihr. Ein Windstoß wirbelte im Laube – es fiel wieder in Menge, da war sie verschwunden, aber ein Schmetterling, der letzte des Jahres, flog durch die kalte Luft.
Die feuchten Nebel kamen, eisiger Wind blies, und die finstern, längsten Nächte schritten einher. Der Herrscher des Jahres stand da mit schneeweißen Locken; aber er selbst wußte es nicht, er glaubte, es seien Schneeflocken, die aus den Wolken fielen; eine dünne Schneedecke breitete sich über das grüne Feld.
Und die Kirchenglocken läuteten die Weihnachtszeit ein.
»Die Glocken der Geburt läuten!« sagte der Herrscher des Jahres, »bald wird das neue Herrscherpaar geboren; und ich gehe zur Ruhe, wie mein Weib! Zur Ruhe im leuchtenden Sterne!«
Und im frischen grünen Tannenwalde, wo der Schnee lag, stand der Weihnachtsengel und weihte die jungen Bäume ein, die sein Fest verherrlichen sollten.
»Freude im Zimmer und unter den grünen Zweigen!« sagte der alte Herrscher des Jahres, in Wochen war er zu einem schneeweißen Greise gealtert. »Meine Ruhezeit naht, das junge Paar des Jahres erhält nun Krone und Scepter!«
»Die Macht ist doch Dein!« sagte der Weihnachtsengel, »die Macht und nicht die Ruhe! Laß den Schnee wärmend auf der jungen Saat liegen! Lerne es ertragen, daß einem Andern gehuldigt wird, und daß Du doch Herrscher bist! Lerne es, vergessen zu sein und doch zu leben! Die Stunde Deiner Freiheit kommt, wenn der Frühling erscheint!«
»Wann kommt der Frühling?« fragte der Winter.
»Der kommt, wenn der Storch einkehrt!«
Und mit weißen Locken und schneeweißem Barte saß der Winter eiskalt, gebeugt und betagt, aber stark wie der Wintersturm und des Eises Macht, hoch auf der Schneewehe des Hügels und schaute gen Süden, wo er vorher gesessen und hinausgeblickt hatte. – Das Eis krachte, der Schnee knisterte, die Schlittschuhläufer kreisten auf den blanken Seen, und Raben und Krähen nahmen sich auf dem weißen Grunde gut aus, kein Wind rührte sich. In der stillen Luft ballte der Winter die Fäuste und das Eis war klafterdick zwischen Land und Land.
Da kamen die Sperlinge wieder aus der Stadt und fragten: »Wer ist der alte Mann dort?« Und der Rabe saß wieder da, oder ein Sohn von ihm, was ja ganz dasselbe ist, der antwortete ihnen und sagte: »Der Winter ist's! Der alte Mann vom vorigen Jahre. Er ist nicht todt, wie der Kalender sagt, sondern Vormund des Frühlings, welcher kommt!«
»Wann kommt der Frühling?« fragten die Sperlinge; »dann bekommen wir gute Zeit und besseres Regiment! Das alte taugte nicht.«
Und in stillen Gedanken nickte der Winter dem blattlosen schwarzen Walde zu, wo jeder Baum die liebliche Form und Biegung der Zweige zeigte; und während des Winterschlafes senkten sich die eiskalten Nebel der Wolken, – dem Herrscher träumte von seiner Jugendzeit und von seinem Mannesalter, und gegen Tagesanbruch prangte der ganze Wald in blitzendem Reife, das war der Sommertraum des Winters: der Sonnenschein streute Reif von den Zweigen.
»Wann kommt der Frühling?« fragten die Sperlinge.
»Der Frühling!« klang es wie ein Echo von den Hügeln, auf welchen der Schnee lag. Die Sonne schien warmer, der Schnee schmolz, die Vögel zwitscherten: »Der Frühling kommt!«
Und hoch durch die Luft kam der erste Storch, der zweite folgte; ein liebliches Kind saß auf dem Rücken eines jeden, und sie senkten sich nieder auf das offene Feld, küßten die Erde, und küßten den alten, stillen Mann, und wie Moses auf dem Berge verschwand er, vom Wolkennebel getragen.
Die Geschichte des Jahres war zu Ende.
»Das ist sehr richtig!« sagten die Sperlinge, »es ist auch sehr schön, aber es ist nicht nach dem Kalender, und darum ist es verkehrt!«
Erlenhügel.
Einige große Eidechsen liefen schnellfüßig in den Spalten eines alten Baumes umher; sie konnten einander gut verstehen, denn sie sprachen die Eidechsen-Sprache.
»Wie das in dem alten Erlenhügel poltert und brummt!« sagte die eine Eidechse. »Ich habe vor dem Lärm schon zwei Nächte kein Auge zuthun können; ich konnte ebenso gut Zahnweh haben, denn da schlaf ich auch nicht.«
»Da drinnen ist etwas los!« sagte die andere Eidechse. »Sie lassen den Hügel, bis Morgens der Hahn kräht, auf vier rothen Pfählen stehen; er wird recht ausgelüftet; und die Erlenmädchen haben neue Tänze gelernt. Da ist etwas los!«
»Ja, ich habe mit einem Regenwurm aus meiner Bekanntschaft gesprochen,« sagte die dritte Eidechse; »der Regenwurm kam gerade aus dem Hügel, wo er Tag und Nacht in der Erde gewühlt hatte; der hatte Vieles gehört; sehen kann er ja nicht, das elende Thier, aber hineinzutappen und zu lauschen versteht er. Sie erwarten Fremde im Erlenhügel, vornehme Fremde; aber wen, das wollte der Regenwurm nicht sagen, oder er wußte es nicht. Alle Irrlichter sind bestellt, um einen Fackelzug zu halten, wie man das nennt; das Silber und Gold, wovon genug im Hügel ist, wird polirt und im Mondschein ausgestellt!«
»Wer mögen wohl die Fremden sein?« fragten alle Eidechsen. »Was mag da wohl los sein? Höre, wie es summt! Höre, wie es brummt!«
Zur selbigen Zeit theilte sich der Erlenhügel, und ein altes Erlenmädchen, hinten hohl, kam heraus getrippelt; es war des alten Erlenkönigs Haushälterin; sie war mit der Familie weitläufig verwandt und trug ein Bernsteinherz vor der Stirn. Ihre Beine bewegten sich so hurtig: trip, trip! Potztausend, wie konnte sie trippeln und das gerade hinunter in das Meer zum Nachtraben.[1]
»Sie werden zum Erlenhügel eingeladen, und zwar diese Nacht,« sagte sie; »aber wollen Sie uns nicht einen großen Dienst erweisen und die Einladungen übernehmen? Sie müssen auch etwas thun, da Sie selbst kein Haus machen. Wir bekommen einige sehr vornehme Freunde, Zauberer, die etwas zu sagen haben; und deshalb will sich der alte Erlenkönig zeigen!«
»Wer soll eingeladen werden?« fragte der Nachtrabe.
»Zu dem großen Balle kann alle Welt kommen, selbst Menschen, wenn sie nur im Schlaf sprechen oder etwas dergleichen thun können, was in unsere Art fällt. Aber bei dem ersten Feste soll strenge Auswahl herrschen: wir wollen nur die Allervornehmsten haben. Ich habe mich mit dem Erlenkönig gestritten, denn ich meinte, wir könnten nicht einmal Gespenster zulassen. Der Meermann und seine Töchter müssen zuerst eingeladen werden. Es mag ihnen wohl nicht lieb sein, auf's Trockene zu kommen, aber sie sollen schon einen nassen Stein zum Sitzen oder noch etwas Besseres haben, und dann, denke ich, werden sie es für dieses Mal wohl nicht abschlagen. Alle alten Dämonen erster Classe mit Schweifen, den Alraun und die Kobolde müssen wir haben, und dann, denke ich, können wir das Grabschwein, das Todtenpferd[2] und den Kirchenzwerg nicht weglassen; sie gehören freilich mit zur Geistlichkeit, die nicht zu unsern Leuten gezählt wird; aber das ist nur ihr Amt; sie sind mit uns doch nahe verwandt, und machen uns fleißig Besuch.«
»Kräh,« sagte der Nachtrabe und flog davon, um einzuladen.
Die Erlenmädchen tanzten schon auf dem Erlenhügel und sie tanzten mit Shawls, die aus Nebel und Mondschein gewebt waren, und das sieht recht niedlich aus, für Die, die dergleichen lieben. Mitten in dem Erlenhügel war der