Abgespaced 2. Thomas Frick

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Abgespaced 2 - Thomas Frick Abgespaced

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sich in der Nacht, und ich sah, dass Juri weinte. »Ich war nicht allein«, flüsterte er und sah mich mit einem Seitenblick an, als wolle er sich vergewissern, dass ich, sein einziger Vertrauter, noch da war. Vorsichtig legte ich meinen Arm um seine Schultern und schwieg. Bis ich seine Worte endgültig verstand, würden fünf Jahre vergehen. Es war die Zeitspanne bis zu meinem eigenen Tod.

      Nach einer Weile räusperte er sich und begann zu erzählen. Die Phase des Starts übersprang er, die enormen Belastungen der Gravitation, das Abtrennen der Stufen. Details, über die er schon in den Befragungen und Untersuchungen gesprochen hatte. Er litt unter Sehstörungen und Bewusstlosigkeit. Als er zehn Minuten nach dem Start in der Schwerelosigkeit erwachte, war das Erste, was er sah, unser blauer Planet. Er stellte die Funkverbindung zum Kontrollzentrum her und schilderte uns den Anblick der Wolken, schaute auf Gebirgszüge, Inseln und Küstenstriche. Niemand vor ihm hatte die Erde so sehen dürfen. Niemand vor ihm war jemals so einsam gewesen.

      Schon Tage vor dem Start wuchs in mir der Verdacht, dass er, den wir alle als den geselligsten Menschen der Welt wahrnahmen, sich hinter seinem Lächeln versteckte. Vielleicht ahnte er, dass der Ruhm des Ersten im All ihn so weit vom Rest der Menschheit abrücken würde, dass er schließlich allein dastand. Ich schwor mir als sein Freund, dass ich das nicht zulassen würde. Aber vielleicht hatte dieser Prozess sich bereits an jenem Nachmittag in der Datscha vollzogen. Was immer er mit der Andeutung meinte, hatte mit seiner Angst zu tun.

      »Ich blickte hinab auf unser sowjetisches Vaterland und konnte keine Menschen erkennen, nur eine Oberfläche.« Ich nickte nur, denn ich verstand.

      Der Genosse Tupolew holte mich 1944 aus Stalins Lagern, nach sechs Jahren Haft, weil die Heimat Ingenieure in der Rüstung brauchte. Ich entwarf die R-7, Chruschtschows Triumph im Kalten Krieg, die erste Interkontinentalrakete der Welt. Während Wernher von Braun sich in Amerika noch wunderte, entwickelte mein Kollektiv den Sputnik und brachte ihn ins All. Das Nobelpreiskomitee fragte nach dem Konstrukteur. Aber der Generalsekretär antwortete, es sei die Arbeit des gesamten sowjetischen Volkes gewesen. Nicht einmal in meiner Heimat kannte jemand meinen Namen, und so würde es bleiben. Der Wettlauf um die Eroberung des Weltraums fand zwischen einem ehemaligen Nazi und einem entlassenen Gulag-Sträfling statt. Kein Wunder, dass die Parteiführung mich versteckte. Mir war es einerlei, solange ich arbeiten konnte und nicht erschossen wurde. Ich baute Juris Raumschiff, entwarf seinen Druckanzug, brachte ihn in eine Umlaufbahn und zurück. An wen sonst konnte er sich mit seinen Zweifeln wenden? Der Bauernsohn und Eisengießer, das Ebenbild eines Komsomolzen, der Vorzeige-Kommunist und Oberleutnant, wusste nicht viel von meiner Vergangenheit. Ich selbst ahnte nicht, dass er als Sohn eines in Gefangenschaft geratenen Soldaten den Lebenslauf fälschen musste, um eine Lehrstelle zu bekommen. Dass wir einander erkannten, war Intuition. Deshalb vertraute er sich mir an:

      Allmählich gewöhnte ich mich an das Gefühl der Schwerelosigkeit. Es geschah im Funkloch über dem Atlantik. Das straff anliegende Federsystem, das mir beim Abtrennen der Raketenstufen den Brustkorb zusammendrückte, war nicht mehr zu spüren. Ich begann zu entspannen, wartete, dass Afrika in Sicht kam und damit das Bremsmanöver und die Landung. Während ich hinunter sah und mir drüber klar zu werden versuchte, wo ich war und wer ich für den Rest meines Lebens sein würde, hörte ich hinter mir ein Geräusch. Jemand bewegte sich. Atmete.

      Da es unmöglich war, in dem starren Raumanzug hinter mich zu blicken, versuchte ich, am Rand meines Helmfensters etwas auszumachen. Dort erschien zuerst ein Handschuh, dann der Körper, und zu meinem Entsetzen hörte ich eine menschliche Stimme: »Keine Angst, mein Freund. Ich setze mich kurz dazu.«

      Die Gestalt sprach russisch, aber das wurde mir erst später bewusst. Sie sah aus wie ein Mensch, war aber ganz sicher nicht von dieser Welt. Denn sie trug nicht wie ich einen unförmigen Raumanzug, sondern eine leichte Montur, ähnlich den Druckoveralls, die wir bei Testflügen anhaben.

      »Ich komme gern hierher. Wegen der Aussicht«, sagte der Mann leise, »und wegen der Erinnerungen.«

      Er drehte mir den Rücken zu, schwebte vor dem Bullauge. Ich konnte seine Augen nicht sehen. Etwas blendete mich. Ich musste blinzeln. Er blickte zur Erde. Mein Hals war trocken, und das Herz hämmerte.

      »Wer bist du?«

      Der Mann antwortete nicht, sah hinaus, und ich war nicht sicher, ob ich etwas gesagt hatte. Ob er überhaupt da war. Ich räusperte mich und wiederholte die Frage mit Schärfe. Nach einer Weile lehnte der Fremde sich zurück und seufzte.

      »Das fragst du dich selbst die ganze Zeit, nicht wahr? Du bist Juri Gagarin. Der erste Sternenmensch, Held der Sowjetunion.«

      Ich schüttelte den Kopf in meinem Helm, ohne zu wissen, ob der Andere es mitbekam. Natürlich war ich kein Held der Sowjetunion. Im Leben nicht.

      »Du irrst«, entgegnete ich, »dieser Titel wird echten Helden verliehen. Marschall Schukow, Budjonny. Iwan Nikowitsch Koschedub. Zweiundsechzig Abschüsse bei einhundertzwanzig Luftkämpfen gegen die Deutschen. So einer muss man sein. Ich führe nur einen Befehl aus.«

      Gleichzeitig dachte ich: Er hat Recht. Es wird so kommen. Der Orden liegt in einer Schublade im Kreml bereit. Wenn ich das hier überlebe und danach nicht wahnsinnig bin, werde ich ein Held sein. Aber will ich das?

      »Natürlich willst du es. Juri.« Ich konnte das Lächeln des Fremden hören, und wie es erstarb. »Und auch nicht. Du fürchtest dich davor.«

      Im Weltall kann es sehr still sein. Unter uns zog die Erde vorbei, blau und fern, der Ort wo meine Freunde auf mich warteten. Würden sie es noch sein, wenn ich zurückkehrte? Von den Sternen. Eine Legende. Kein Held der Sowjetunion hat Freunde. So einer ist ein Denkmal, eine Marionette, das Aushängeschild. Eine Waffe im Kalten Krieg.

      »Woher weißt du so viel über mich? Was willst du?«

      Was immer er war, ein Geist, ein Spion, eine Halluzination, ich würde mich zu wehren wissen. Ich tastete nach der Pistole. Sie lag bereit. Der Fremde deutete in Richtung Osten.

      »Auf der Pressekonferenz wird man dich fragen, ob du Gott gesehen hast.«

      »Und was werde ich antworten?«

      Er lachte.

      Ich packte ihn, so fest ich konnte am Arm. Wir rangen. Gott oder nicht, er musste mir antworten.

      »Wer bist du?«

      »Ein toter Kosmonaut, wie du.«

      Die TDU-1 zündeten wie ein Faustschlag und drückten mich in den Sitz. Das Bremsmanöver hatte begonnen. Doch der Geräteteil trennte sich nicht von der Landekapsel. Ein paar Kabel hatten sich nicht gelöst, so dass ich in Rotation geriet, dreißig Grad pro Sekunde. Ich verlor die Orientierung. Die aufgehende Sonne stach mir in die Augen. So schnell ich konnte, schloss ich das Helmvisier und nahm Kontakt mit der Bodenstation auf. Meldete, dass es mir gut ging, ohne meinen Besucher zu erwähnen, der verschwunden war. Ich wollte kein toter Kosmonaut sein, auch kein verrückter. Ich musste wieder zurück ins All. So bald wie möglich.

      Nach etwa zehn Minuten verglühten die Kabel. Das Geräteteil löste sich, und die Drehbewegung hörte auf.

      »Goworit Moskwa. Hier spricht Radio Moskau. Das erste Raumschiff der Welt, WOSTOCK, ist heute von der Sowjetunion aus mit einem Menschen an Bord in den Orbit gestartet. Der Kosmonautenpilot ist ein Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Luftfahrtmajor Juri Gagarin.«

      Sie hatten ihn schnell noch befördert, während er seinen Flug absolvierte. Das Kommuniqué an alle Radiostationen der Welt wurde Chruschtschows Coup gegen Kennedy. Für Juris Rückkehr waren

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