Spannt die Pferde vor den Wagen!. Hermine Stampa-Rabe
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Wenn ich mit meinen Schuhen durch sie hindurch ging, raschelte es immer so geheimnisvoll. Ich sammelte mir meine Schürze voller hübscher Blätter, steckte jeweils den Stiel eines Blattes durch ein kleines von mir gemachtes Loch in den oberen Teil eines anderen Blattes und stellte auf diese Weise eine lange Blätterschlange mit roten, gelben, hellbraunen und gescheckten Blättern her.
An einem dieser Herbsttage holte mich Oma Blücher mit ihrem Handwagen ab, setzte mich in ihn hinein und zog mich so zu ihrem Garten. Während sie sich dort beschäftigte, durfte ich darin spielen, bis sie wieder nach Hause musste. Von ihrem Garten ist mir nur noch die Einfassung des Zaunes zur Straße hin in Erinnerung. Dort blühten in einer langen Reihe blaue Herbstastern. Das ist wohl der Grund, weshalb ich diese kleinen blauen Blütensterne so sehr liebe.
Oma Blücher schenkte mir einen Apfel, den ich zu Hause gleich aufaß. Weil ich davon sehr durstig wurde, ging ich in die Küche und trank aus meiner Muck Wasser. Das löste bei meinen Eltern einen großen Alarm aus. Sofort wurde unser Hausarzt, Dr. Götsch, angerufen. Er kam sofort, untersuchte mich und beruhigte meine Eltern und mich wieder. Mein Magen brauchte nicht ausgepumpt zu werden, wie meine Eltern es zuerst befürchtet hatten. Da hatte ich noch einmal Glück gehabt. Seitdem passte ich höllisch auf, auf Obst kein Wasser innerhalb einer Stunde zu trinken.
Zum ersten Advent band Vater aus Tannenzweigen einen Adventskranz. Ein verziertes Holzkreuz wurde mit seinen vier Enden darauf festgebunden. An den vier Enden und in der Mitte standen Kerzen, also insgesamt fünf Stück. An roten, breiten Schleifen hing dieser Kranz in der Wohnstube in unserer Augenhöhe von der Decke herunter. In dieser Stube stand Vaters Klavier. Darauf spielte er Weihnachtslieder und sang uns alle Strophen vor. Währenddessen bildeten wir Geschwister, die wir schon gut laufen konnten, mit Mutter einen Kreis.
Wer konnte, der sang schon kräftig mit. Wer noch nicht singen konnte, der versuchte es jedenfalls. Dazu brannte beim ersten Advent die Kerze in der Mitte, während es in der ganzen Stube dunkel war. Wir gingen, mit den Augen die Kerze auf dem Kranz betrachtend, im Kreis singend um den Kranz. Nach jeder Strophe wechselten wir die Richtung. Das war feierlich. Und Vater kannte sehr viele Lieder für Weihnachten mit sämtlichen Strophen!
Am zweiten Advent wurden zwei gegenüberliegende Kerzen angezündet. Am dritten Advent kamen die beiden äußeren Kerzen, die noch nicht gebrannt hatten, mit der mittleren Kerze an die Reihe, während am vierten Advent alle äußeren Kerzen angezündet wurden. Am Heiligen Abend gab es bei uns noch keine Weihnachtsbescherung.
An diesem Abend brannten alle fünf Kerzen auf dem Adventskranz. Immer tanzten wir um ihn herum und sangen unsere Weihnachtslieder.
Plötzlich klingelte es an der Wohnungstür. Vater sagte zu Mutter: „Das ist bestimmt der Weihnachtsmann."
Dieser Ausspruch löste in mir eine sagenhafte Angst aus. Wie der Blitz war ich unter Mutters Bett verschwunden. Irgendwie wurde ich aber auch wieder aus meinem Versteck hervorgezogen. Was danach geschah, das weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass wir erst am ersten Weihnachtstag morgens die Weihnachtsbescherung hatten. Das war so in Vaters Familie üblich.
1945
Draußen war es sehr kalt. Über Nacht hatte es wieder geschneit. Vater sagte: "Heute gehen wir rodeln."
Mutter steckte uns in warme Sachen und dann ging es los. In der Stadt befand sich neben dem Lyzeum ein kleiner Berg, auf dem hohe Bäume standen. Wir rodelten auf dem zugeschneiten Weg hinunter. Dass es kalt und nass war, wenn ich vom Schlitten fiel, gefiel mir ganz und gar nicht. Ebenso war es für mich sehr mühsam, den Berg auf dem glatten Schnee wieder hinauf zu steigen .
Am 21. Januar 1945 feierten wir meinen siebenten und in meiner Heimatstadt Stargard letzten Geburtstag. An diesem Ehrentag bekam ich eine wunderschöne Puppe mit echten langen dunkelbraunen Zöpfen. Sie trug die BdM-Tracht. Auf diese Puppe war ich sehr stolz und liebte sie sehr.
Auch Tante Rave kam zu meinem Geburtstagskaffee. Sie trug mir ein altes Gedicht vor, das gut zu meinem Geburtstag passte:
Es war einmal ein Häschen
mit einem stumpfen Näschen,
zwei Ohren lang, einem Schwänzchen klein,
zwei dunkelbraunen Äugelein.
Das wohnt im tiefen, tiefen Wald
bei anderen Häschen jung und alt.
Und als es einmal Sonntag war
und gerade sein Geburtstag war,
da kam der Vetter Nuckelchen
mit seinem krummen Puckelchen.
Und von der hohen Bergeshöh’,
da kam die liebe Tante Reh.
Und mit dem stattlichen Geweih
kam auch der Onkel Hirsch herbei.
Und all die kleinen Vögelein,
die wollen sich mit dem Häschen freuen.
Häschen hat Geburtstag, trallalalala, trallalalala,
Häschen hat Geburtstag, trallalalala.
In der Wohnstube stand auf unserem hohen Schrank ein schwarzes Radio. Dort kamen mit einer ganz bestimmten Musik von Zeit zu Zeit Nachrichten durch. Vater war ja auch schon längst bei den Soldaten in Neubrandenburg.
„Irgendwo tobt der Krieg“, sagte Mutter.
Das hatten wir Kinder auch schon begriffen. An ein Lied, das dann immer über den Äther kam, erinnere ich mich noch ganz genau. Ich kenne sogar noch die richtige Melodie. Es hieß:
Und wenn es rummst und kracht,
dann weiß man es genau:
Das war der Flugzeugführer von der "Wilden Sau".
Und irgendwann fingen dann zu sonderbaren Zeiten draußen die Sirenen zu heulen an. Sofort mussten wir alles stehen- und liegen lassen; denn wir mussten so schnell wie möglich in den Luftschutzbunker eilen, der sich auf dem Hof befand und in dem es sehr schmal und eng war. Stühle standen an den beiden langen Wänden.
Angst machte sich bei meinen Eltern und Großeltern breit. Es wurde besprochen, wie wir flüchten wollten. Auch uns Kinder ergriff eine große unbekannte Unruhe. Sie steckte wohl an.
Am 07. Februar 1945 hieß es dann, dass wir morgen mit dem Pferdefuhrwerk mit dem Treck flüchten werden. Draußen konnten wir schon Kanonendonner aus der Ferne vernehmen. Mittags kochte uns Mami noch Fliederbeersuppe mit Klößen, meine Lieblingssuppe.
Im Ton der festen Überzeugung sagte Vater zu uns: "In einem halben Jahr kommen wir wieder zurück."
Ich weiß nur noch, dass wir alle in der letzten Nacht bei Oma und Opa Lu in der Luisenstraße schliefen. Ich kam in das Doppelbett zu meiner Tante Wanda und meiner Cousine Waltraud. Mami sprach mit mir noch das Abendgebet, das sie jeden Abend mit uns Kindern gebetet hatte:
Ich