Der Scout. Karl May

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Der Scout - Karl May

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      Inhaltsverzeichnis

       1. Kapitel. Ein Gedicht.

       2. Kapitel. Auf dem Colorado.

       3. Kapitel. Die Kukluxes.

       4. Kapitel. Ueber die Grenze.

       5. Kapitel. Durch die Mapimi.

       6. Kapitel. In der Bonanza.

       Fußnoten

      Karl May

      Der Scout

      Reiseerlebniß in Mexico

      Karl Mays Erzählung Der Scout erschien im 15. Jahrgang der katholischen Zeitschrift »Deutscher Hausschatz in Wort und Bild«, Verlag von Friedrich Pustet, Regensburg-New-York-Cincinnati, Nr. 11 – 46, Dezember 1888 – August 1889. Die Entstehungszeit: Ende April bis Juni 1888. Es handelt sich hierbei um die Ur-Fassung der Kapitel 1 – 4 des späteren Reiseromans Winnetou II [1893]. Es gibt teilweise erhebliche Unterschiede zwischen der Scout- und der Winnetou-Buchfassung. So ist der Ich-Erzähler im Scout ein echtes Greenhorn und lernt erst im Laufe der Handlung seinen Winnetou kennen, während in der Buchausgabe das Kennenlernen bereits im ersten Band Winnetou stattgefunden hat. Die von May durchgeführten Änderungen sind derart einschneidend, daß uns hier eine komplette Veröffentlichung des Scout-Textes gerechtfertigt erscheint. Die Wiedergabe erfolgt in der damaligen Orthographie und Interpunktion.

      Der Scout

      Reiseerlebniß in Mexico von Karl May

      Greenhorn – – eine höchst ärgerliche und despectirliche Bezeichnung für Denjenigen, auf welchen sie angewendet wird. Green heißt grün und unter Horn ist Fühlhorn gemeint. Ein Greenhorn ist demnach ein Mensch, welcher noch grün, also neu, unerfahren im Lande ist und behutsam seine Fühlhörner ausstrecken muß, wenn er sich nicht der Gefahr aussetzen will, ausgelacht zu werden. In diesem Sinne wendet der Yankee und besonders der Bewohner des wilden Westens, der Frontier, der Squatter und Trapper dieses Wort an.

      Ein Greenhorn ist ein Mensch, welcher nicht von seinem Stuhle aufsteht, wenn die Lady sich auf denselben setzen will; welcher den Herrn des Hauses grüßt, ehe er der Mistreß und Miß seine Verbeugung gemacht hat, welcher beim Laden des Gewehres die Patrone verkehrt in den Lauf schiebt oder erst den Propfen, dann die Kugel und zuletzt das Pulver hineinstößt. Ein Greenhorn spricht entweder gar kein oder ein sehr reines und geziertes Englisch; ihm ist das Yankee-Englisch ein Greuel, das ihm nicht in den Kopf und nicht über die Zunge will. Ein Greenhorn hält ein Racoon für ein Opossum und eine leidlich hübsche Mulattin für eine reizende Quadroone. Ein Greenhorn raucht Cigarretten und verabscheut den tabakssaftspeienden Sir. Ein Greenhorn läuft, wenn er von Paddy eine Ohrfeige erhalten hat, mit seiner Klage zum Friedensrichter, anstatt wie ein richtiger Yankee soll, den Kerl einfach niederschießen. Ein Greenhorn hält die Tapfen eines Turkey cock für eine Bärenfährte und eine Sportyacht für einen Missisippisteamer. Ein Greenhorn genirt sich, seine schmutzigen Stiefeln auf die Kniee seines Mitpassagieres zu legen und seine Suppe mit dem Schnaufen eines verendenden Büffels hinab zu schlürfen. Ein Greenhorn schleppt der Reinlichkeit wegen einen Waschschwamm von der Größe eines Kürbis und zehn Pfund Seife mit in die Prairie und steckt sich dazu einen Compas bei, welcher nach jeder andern Himmelsrichtung, niemals aber nach Norden zeigt. Ein Greenhorn notirt sich achthundert Indianerausdrücke, und wenn er dem ersten Rothen begegnet, so bemerkt er, daß er diese Notizen im letzten Couvert nach Hause gesandt, den Brief aber in das Feuer geworfen hat. Ein Greenhorn – nun, ein Greenhorn ist eben ein Greenhorn, und so ein Greenhorn war damals – – auch ich!

      Aber man denke ja nicht etwa, daß ich jemals die Ueberzeugung oder wenigstens die Ahnung gehabt hätte, daß diese kränkende Bezeichnung auf mich passe! O nein, denn es ist ja die hervorragendste Eigenthümlichkeit eines Greenhorns, jeden Andern, aber nur nicht sich selbst für »grün« zu halten.

      So war es auch mit mir. Ich hatte das wohlthuende Bewußtsein, trotz meiner Jugend bereits sehr, sehr viel gelernt und erfahren zu haben, rieb mir wohlriechende Oele in die Frisur und freute mich über den kleinen, netten Fuß, mit welchem ich in den engen Lackstiefeletten renommiren konnte. Gummistege an den Hosenbeinen und drei Sorten von Bartwichse im Reisenéceffaire, eine auffallend breite, goldene Uhrkette – – unter vier Augen, sie war nur Talmi und hatte in Bremen einen Thaler zehn Silbergroschen gekostet – –, Chapeau claque und seidener Regenschirm mit dickem, eleganten Elfenbeingriffe – – war leider nur gebleichter Knochen – –, so forderte ich mein Jahrhundert und also auch die Vereinigten Staaten in die Schranken.

      Notabene habe ich da nicht etwa meine ganze damalige Ausstattung beschrieben. Meine eigentliche Ausrüstung war im Reisekoffer untergebracht. Sie bestand aus mehreren Anzügen verschiedenen Genre’s, einigen Perrücken, vielen falschen Bärten und ähnlichen polizeiwidrigen Gegenständen, welche aber doch von der Polizei gebraucht werden. Sollte man aus dem Besitze dieser Gegenstände schließen, daß ich ein reisender Einbrecher gewesen sei, so beeile ich mich, zu versichern, daß dies keineswegs der Fall war. Und wer auch nun noch leise die Achseln zucken sollte, dem will ich heimlich anvertrauen, daß ich als verpflichteter Feind aller Spitzbuben, als Detective mich auf der Suche befand.

      Und das war so gekommen:

      Nach vollendeten Studien hatte ich mich mit einem wahren Feuereifer meinem Berufe, für welchen ich begeistert war, gewidmet; aber bereits nach kurzer Zeit war er mir verleidet worden. Hohle Köpfe, deren einziges Verdienst in irgend einer alten einflußreichen Tante bestand, gewandte Heuchler, denen ihr Amt nichts als die schnell auszunutzende Milchkuh war, und die sich daher vor dem Spiegel ihre servilen Bücklinge einübten, waren mir vorgezogen worden. Mein nächster Vorgesetzte forderte von mir eine Amtsführung, welche ihm allein Nutzen bringen, dagegen aber das Wohl meiner Untergebenen schädigen mußte. Als ich mich höheren Orts discret befragte, gab man mir zwar vollständig Recht, sagte mir aber achselzuckend, daß mich die Verleugnung meiner gewissenhafteren Ansicht schnell vorwärts bringen werde. Der Mann wurde unter der Hand von meiner Befragung benachrichtigt und verfolgte mich nun mit einer Rachsucht, welche sich durch nichts versöhnen ließ. Es kam zum offenen Bruche zwischen uns; er nannte mich einen unvorsichtigen Dummkopf; ich antwortete ihm durch eine schweigsame, tiefe Verbeugung, stellte ihm meine Anstellung zurück und ging – – nach Amerika, ein kühner Schritt, den ich aber glücklicher Weise nicht zu bereuen habe. Später traf ich diesen sehr ehrenwerthen Herrn zu meinem größten Erstaunen als Mormonenapostel wieder. Er hatte Untergebene gefunden, welche weniger rücksichtsvoll gewesen waren als ich, war abgesetzt worden und auch nach Amerika gegangen, wo er als Apostat einen Platz unter den »Heiligen der letzten Tage« mit dem Heile seiner Seele bezahlte.

      Was mich betrifft, so machte auch ich die Erfahrung, daß die United-States nicht einen Jeden mit offenen Armen empfangen. Doch gelang es mir, grad als meine geringen Mittel erschöpft waren, eine Anstellung zu finden, welche allerdings mit meinem früheren Berufe ganz und gar nichts zu thun hatte. Ich wurde nach einer sehr heißen Prüfung als Mitglied des damals berühmten Privatdetective-Corps des sehr honourablen Master Josy Tailor aufgenommen und verpflichtet. Ich war der einzige Deutsche unter den Collegen. Der Chef hielt die Deutschen nicht für sehr brauchbar für seinen Beruf, doch gelang es mir, durch einige gute Erfolge, welche ich aber mehr dem Zufalle als meinem Scharfsinn zu verdanken hatte, sein besonderes Vertrauen zu erwerben, so daß er mir in einer schwachen Stunde sogar die vertrauliche Mittheilung machte, daß er eigentlich deutscher Abkunft sei. Sein Großvater hatte Schneider geheißen, diesen schönen

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