Vom Schein zum Sein. Veronika Wlasaty
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Foto: V. Wlasaty
Neues Paradigma
Kooperationsfähigkeit statt Konkurrenzfähigkeit
Gleichwürdigung statt Gleichmacherei
Einzigartigkeit statt Vergleichbarkeit
Gemeinwohl statt Gewinnmaximierung
Kompetenz statt Zertifikat
Wertschätzung statt Bewertung
Persönlichkeitswachstum statt Wissensvermehrung
Vieltonmusik statt Eintönigkeit
Miteinander statt Vereinzelung
Reflexion statt Anpassung
Bewusstheit statt Konformität
Erneuerung statt Reform
Neues Paradigma
Verkehrte Welt?
Foto: H. Dietinger
Wir leben, wie wir es für richtig zu halten gelernt haben, und beurteilen andere, von unserer westlichen Mentalität abweichende Lebensweisen als rückständig, unterentwickelt, unzivilisiert oder normabweichend und die sich dieser Lebensweise Bedienenden als entwicklungsbedürftig oder genauer gesagt, unserer Entwicklungshilfe bedürfend. Wir wähnen uns als das Volk, die Nation, die Staatengemeinschaft, die, über jeden Zweifel erhaben, anderen, nach unserem Verständnis Unterentwickelten, den Weg weisen muss. Unseren Weg, den sie ohne unsere „Hilfe“ vermutlich gar nicht suchen würden. Da wir die Parameter, die unseren technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsstand abbilden, als absolute Größen setzen, kommt uns nicht in den Sinn, dass es auch anders herum sein könnte. Nämlich, dass wir diejenigen sein könnten, die „verkehrt herum“ leben. Diejenigen, die Geld, technischen Fortschritt und Wissen mit Höherentwicklung und Wohlstand verwechseln. Diejenigen, die die Schönheit des Weges den schnellen Zielen opfern und sich ihres Tempos brüsten, ohne zu wissen, wo es sie hinführt.
Wir lassen keine anderen Maßstäbe gelten als die unseren und erklären diese zu unumstößlichen Eckpfeilern einer funktionierenden Gesellschaft. Unsere an Wachstum, Wettbewerb und Fortschritt orientierten Werte sind die einzig wahren, die allerorts als verbindlich zu gelten haben.
Was aber, wenn wir irren? Wenn unsere „bessere Welt“ nur besser für uns und schlechter für alle anderen wäre. Und auch für uns bestenfalls nur kurzfristig besser und langfristig schlechter für alle. Und wenn in Reichtum leben nicht Anhäufung von Geld und Gütern wäre, sondern Leben im Einklang mit der Natur unter Würdigung, nicht Ausbeutung ihrer Schätze.
Im Bewusstsein, dass das Geborenwerden in diese Welt jedem von uns die selben Erdenbürgerrechte gleichsam als Geburtsrecht zuteil werden lässt, ist eine gleichberechtigte Teilhabe nichts, worüber uns zu entscheiden zustünde, nichts, was wir anderen gewähren oder versagen könnten. Und doch maßen wir uns an, genau darüber zu entscheiden und bemühen dabei oft noch eine höhere Instanz, um unseren Willen zu legitimieren. Gott steh uns bei, möchte man beten, aber Gott steht nur denen bei, die sich auch beistehen lassen und das Zepter, das sie an sich gerissen haben und umklammert halten, endlich loslassen.
Im Fluss
„Don´t push the river. It flows by itself.”
(Fritz Perls)
Eine Metapher für das menschliche Leben, die mir sehr treffend erscheint, ist die vom langen (ruhigen) Fluss. Von der Quelle bis zur Mündung ins Meer gewinnt ein Fluss an Breite, Tiefe und Fülle. Vom Bächlein bis zum Strom verfügt er in jedem Abschnitt über die Qualität (das Potential), um das Leben in ihm bestmöglich zu versorgen und nimmt ohne Zutun den für sich bestmöglichen Lauf.
Aber dann… kommt der Mensch, verbaut die Ufer und nimmt Einfluss: Er leitet seine Abwässer hinein und reguliert den Lauf. Er begradigt, errichtet Dämme und Schleusen und passt ihn in das künstlich geschaffene Landschaftsbild (System) ein. Die natürliche Qualität des Wassers, das Potential, verliert an Güte und büßt seinen ursprünglichen Zustand ein. So wird im Namen des Guten weltweit Leid erzeugt: durch Reglementierung, Umerziehung, Anpassung an systemische Gegebenheiten und Erfordernisse, die Natur völlig außer Acht lassend.
Ambitioniert und angetrieben von „Sachzwängen“ (wie wir es nennen) kontrollieren und manipulieren wir den Verlauf der Dinge, um nichts dem Zufall und der Beliebigkeit zu überlassen. Ein Misstrauensantrag an unsere Natur und zugleich an eine höhere Intelligenz - an Gott. Auf diese Weise brechen wir nicht nur unsere eigene „Wasserqualität“ (und die anderer), wir verlieren unseren natürlichen Lauf und damit uns selbst.
Foto: V. Wlasaty
Wir brauchen eine Wende
" Wenn einer allein träumt , ist es nur ein Traum .
Wenn viele gemeinsam träumen , ist es der Anfang einer neuen Wirklichkeit."
(Hélder Camara)
Ich habe meinen Job als Lehrerin gekündigt. Den Begriff „Job“ wähle ich hier, nicht um diese Tätigkeit, die mir lange Jahre so viel Freude, wertvolle Erfahrungen und berührende Augenblicke beschert hat, abzuwerten, sondern weil ich das Wort Beruf, das für mich etwas mit Berufung gemein haben sollte, dafür nicht mehr anwenden kann. Ich fühle mich nicht mehr dazu berufen, Menschen in ein Vergleichbarkeitsschema, ja Gleichheitskonzept zu pressen, sie ohne Berücksichtigung ihrer Individualität und Identität vergleichbar zu machen, sie zu „standardisieren“, ungeachtet ihrer Begabungen und Interessen, Bedürfnisse und Gefühle. Nicht, dass ich mich jemals zu solchem berufen gefühlt hätte. Natürlich, rückblickend ist vieles von dem, was lange Zeit hinweg als „solide Pädagogik“ gehandelt und zur Nachahmung empfohlen wurde, aus heutiger Sicht für mich nur mehr in Anbetracht wirtschaftlicher