freuen sich, dass ich ein Foto mit ihnen gemeinsam mache. Als ich ihnen anbiete, es ihnen per E-Mail zu schicken, lächeln sie und sagen, sie hätten nicht einmal eine Adresse. Schade, sie bedauern es, dass sie nie dieses Bild mit der Europäerin haben werden. Anny stellt uns dann vor die Wahl: Entweder wir besuchen eine Produktion von Kamelwolle mit Verkauf oder eine Hochschule der Künste mit Verkauf. Ich komme mir vor wie bei einer gehobenen Kaffeefahrt, aber wenn es denn schon sein muss, entscheiden wir uns für die Malerei. Die ist dann auch wirklich exzellent. Obwohl, eine Hochschule ist das wahrscheinlich nicht, nur eine kleine Kaschemme. Aber egal. Der Künstler führt uns vor, wie er mit einem einzigen Pinselhaar hauchzarte Linien malt. Schöne Bilder mit Göttern, Tieren, Menschen und verschiedenen Szenen sehen wir. Er erhielt von Unicef einen Preis dafür. Die Urkunde hängt auch da. Ich kaufe ein Bild eines seiner Studenten. Es zeigt Gott Ganesha mit Ratte. Das passt schön zu dem Erlebnis, das wir gerade hatten. Später lerne ich, dass Ganesha, der Gott mit dem Elefantenkopf, immer von der Ratte begleitet wird. An dieser Stelle vielleicht eine Erklärung zu den Göttern und wie Ganesha zu seinem Elefantenkopf gekommen ist. Der Hinduismus verehrt Millionen Götter, wie unsere Reiseführer sagen. Aber die wichtigsten sind Brahma, der Erschaffer, Vishnu, der Erhalter, und Shiva, der Zerstörer. Alle Drei sind verschieden und bilden doch eine Einheit. Jedem der drei Götter ist eine Gefährtin an die Seite gestellt: Saraswati für Brahma, Lakshmi für Vishnu und Parvati für Shiva. Letzterer hat die Angewohnheit, sich zum Teil jahrelang zum Meditieren zu verziehen. Einmal gebar Parvati in so einer langen Meditationszeit einen Sohn, Ganesha. Eines Tages sagte Parvati zu ihrem Sohn: „Ich möchte baden. Bitte bewache das Haus und lasse niemanden hinein in dieser Zeit.“ Ganesha nahm seine Aufgabe sehr ernst. In diesem Augenblick kam Shiva vom Meditieren zurück. Ganesha wusste nicht, wie sein Vater aussieht und Shiva wusste nicht einmal, dass er einen Sohn hat. Ganesha ließ ihn nicht ins Haus, was auch immer Shiva sagte. Da wurde es Shiva zu dumm, wütend schlug er Ganesha den Kopf ab, der sofort von dannen rollte. Als Parvati das erfuhr, war sie außer sich und schickte ihn zu Brahma, den Schöpfer. Er riet Shiva, dass er dem ersten Wesen, das ihm auf dem Heimweg begegnen würde, den Kopf abschlagen und zu ihm bringen soll. Das war ein Elefant. Ganesha wird angebetet, wenn man Glück braucht. Und das Erste, was in ein neues Haus kommt, ist eine Ganesha-Statue. Suresh und Anny schlagen vor, im „Rendez Vous“ zu essen. Wir sind erst ein bisschen unschlüssig, weil man uns am Vorabend ganz schön ausgenommen hat, und wir hätten uns lieber selber etwas gesucht. Aber wir gehorchen, und in Windeseile machen wir uns frisch, waschen den Schmutz des Rattentempels von den Füßen. Schnell noch Nobite-Gel auf die Haut, denn mit der Dämmerung kommen die Moskitos, und schon wartet unser Fahrer, der uns ein paar hundert Meter fährt. Das hätten wir auch laufen können. Aber man hat wohl auch Angst um uns. Das Essen war gut, und es waren vernünftige Preise, die Hauptgerichte zwischen 150 und 250 Rupien, Fladenbrot 30-35 Rupien. Wir testen indischen Weißwein. Er ist nicht so toll wie der europäische, aber man kann ihn trinken. Eine kleine Flasche kostet 700 Rupien. Das muss nicht noch einmal sein. Ein bisschen angetütert sind wir danach schon, fotografieren noch unser schön beleuchtetes Hotel und zwei Eidechsen neben unserer Zimmertür (zum Glück von außen), und dann machen wir uns bettfertig. Die Air condition muss über Nacht kurz aus gewesen sein, denn ich bin davon aufgewacht, als sie laut und kalt wieder anging. Wahrscheinlich Stromausfall, was in Indien öfter passiert, wahrscheinlich konnte ich deswegen dann irgendwann schlafen.
13 – Gott Shiva an einem der bunten Tempel vor Bikaner
14 - Blaues Zimmer im Junagarh Fort
15 - Thronsaal im Junagarh Fort
16 - Restaurator am Junagarh Fort
17 - Im Rattentempel von Deshnoke – unweit von Bikaner.
18 - Futterstelle im Rattentempel
19 - Arme Frau sucht Brauchbares im Müll.
4. Tag – 19.10.2011 - Bikaner - Mirwana
Heute fahren wir zum Junagarh Fort, wo ganz viele Tuktuks und Kutschen und Rikschas auf Gäste warten. Wir fahren mit einer Tonga, einer Pferdekutsche, durch die Altstadt und sitzen mit dem Rücken in Fahrtrichtung, das ist besser zum Fotografieren. Viele Männer und Jungen winken, Frauen lächeln uns zu. Ähnliche Eindrücke wie in Old Delhi. Hier gab es zudem viele Havelis, die aber nicht bemalt, sondern kunstvoll aus Sandstein geschnitzt sind. Anny verabschiedet sich. Ich sage Suresh, dass ich einen ATM-Schalter zum Geld-Abheben suche. Vor meiner Abreise nach Indien hatte ich ein Internetkonto bei einer Bank eröffnet, die es ermöglicht, mit der Visa-Card gebührenfrei überall in der Welt an Schaltern abzuheben. In einem Reiseforum im Internet habe ich das gelesen, auch dass Geldabheben in Indien an den ATM-Bankautomaten am einfachsten ist. Suresh fährt gleich einen an. Ich bitte ihn mitzukommen, weil vor der Tür zum Automaten zweifelhaft aussehende Gestalten stehen und auch, weil ich mir Hilfe beim Abheben erhoffe. Und das war gut so, denn wir erleben ein Märtyrium. Der Automat stellt Fragen, deren Antworten wir nicht wissen. So lassen wir uns in der Bank helfen, aber nicht einmal der Mitarbeiter weiß richtig, wo ich drauftippen soll. Am Ende schaffen wir es doch allein durch Ausprobieren. Wenn ich Suresh nicht gehabt hätte!
Wir fahren ins Mirwana Nature Resort. Wir wussten vorher, dass das ein Camp ist mit Zelten. Man empfängt uns mit Musik und einem Punkt auf der Stirn. Wir werden nach den Formalitäten an der Rezeption zum Zelt Nr. 215 geführt. Es ist mit einer Tür verschlossen und hat eine Klimaanlage. Ringsherum die Grünanlagen sind gut gepflegt. Es gibt ein Ayurveda-Zentrum, wo Husni sich einen Termin für den gleichen Abend geben lässt. Die Physiotherapeuten standen sofort da und haben sich angepriesen. Zuvor gibt es ein bisschen Kamelreiten vor dem Resort. Dort treffen wir ein Pärchen aus München, das wir in Bikaner schon gesehen haben und machen Kamelritt-Fotos voneinander. Suresh zeigt mir, wo er übernachtet. In einem unverputzten kleinen Steinraum vor dem Resort stehen vier Liegen mit Decken. Ganz spartanisch. Dort außerhalb haben auch die Bediensteten ihre Häuser – so rund wie Jurten, aber aus Stein mit Strohdächern. Wir schauen dem Sonnenuntergang zu. Der ist immer so um 18 Uhr herum und binnen zehn Minuten ist es stockdunkel.
Abends sind wir die einzigen im Speisesaal. Eine Gruppe wird noch erwartet, für sie ist schon gedeckt. Wir sitzen abseits an einem kleinen Tisch. Vier Kellner bemühen sich um uns, beobachten uns beim Essen, um sofort zur Stelle zu sein. Die wollen hinterher alle Trinkgeld. Ich hatte bis dahin überlegt, ob ich in dem wirklich schönen Pool bade, aber dann ist es ja erstens schon dunkel und auch ungemütlich kühl für mich zum Baden, vielleicht 15 oder 16 Grad Lufttemperatur. Die Klimaanlage ist laut. Ich schreibe noch lange, drehe die Fotos im Netbook um und schicke eine Mail an die Lieben zu Hause. Husni schläft schon lange, als ich das Licht lösche.