Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Pyrenäenträumer - Band 2 - Wolfgang Bendick страница 17
Ab diesem Tag kann man die Schafe auch bei Regen austreiben, da die Sonne stark genug ist, um sie wieder zu trocknen! Ich komme ja ursprünglich aus deinem Tal. Ich habe hierher geheiratet. Als Kinder liefen wir an diesem Tag von Haus zu Haus und erbettelten Eier, aus denen wir mit Mehl vermischt ‚Crêpes‘, die runden, hauchdünnen Pfannenkuchen, buken. Tè, komm doch rein, meine Frau hat gerade welche gebacken!“ Ich folgte ihm in das dämmerige Haus, berochen und leicht beknurrt von den Labrits, seinen Hüte-Hunden. Drinnen roch es nach Gebackenem. Am Herd stand seine Frau, bestimmt schon weit über siebzig, während, wie ich erst entdeckte, als meine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten, in einem Sessel in der Ecke seine Schwiegermutter saß, im hundertsten Jahr, wie sie mir mit ihrer etwas heiseren Stimme mitteilte.
Ich musste mich setzen und bekam bald auf einem Teller einen Crêpe vorgesetzt und dazu einen Topf mit Marmelade und einen anderen mit Zucker. „Die runde Form des Crêpe symbolisiert die Sonne. Wenn du das ganze Jahr Geld im Haus haben willst, musst du beim Backen des ersten Crêpe in die linke Hand ein Goldstück nehmen während du mit der rechten den Pfannenkuchen in die Luft wirfst, um ihn umzudrehen. Dann wickelst du das Goldstück darin ein und legst ihn auf den Schrank bis zum nächsten Jahr. Früher, bei mir zu Hause, hat der Vater den ersten Crêpe genommen und ist damit, begleitet von uns allen, durch alle Zimmer und den Stall gelaufen, um den Segen der Sonne auf uns herabzurufen. Das durfte der Curé, Pfarrer natürlich nicht wissen!“ Ich streute etwas Zucker auf den Crêpe, rollte ihn ein und aß ihn langsam, während die Alten von früher redeten.
Jean de Serenne war einer der wenigen Alten des Nachbar-Tales, der offen Partei für die Langhaarigen einnahm. Er war auch im Gemeinderat des Dorfes und erreichte, dass die Straße nach Ebocal wieder gerichtet wurde, da sich auch dort oben, auf fast 1000 Metern Höhe, mehrere junge Familien niedergelassen hatten. Er verkaufte sogar etwas Land und Scheunen, damit diese einen Garten machen konnten. Fand irgendwo eine Fete statt, wurde er deshalb immer eingeladen. Ansonsten hütete er alle Tage die Schafe, die auf seinen Sohn übergeschrieben waren, der im Dorf noch fast zwei Dutzend Milchkühe hielt, deren Milch er an den Käser nach St. Lary verkaufte. Bisweilen trafen wir uns beim Schafehüten, setzten uns auf den Boden, die zwei Herden im Auge, und sprachen über die Welt. Er über das schöne lange Tal, ich über das, was dahinter lag.
DER ZIEGENKAUF
Letztes Jahr, als wir unsere Ziegenherde verbessern wollten, hatten wir verschiedene Leute besucht, die Ziegen verkauften. Die einen wohnten im Biros-Tal. Als wir hinkamen, meinte der Besitzer, ein ehemaliger Fremdenlegionär, der dort seit ein paar Jahren mit seiner Familie lebte, er wolle sie nicht mehr verkaufen. Ich meinte, dann hätte er doch besser nicht die Annonce aufgegeben, und wir wären nicht die vielen Kilometer gefahren. Ich bestand trotzdem darauf, die Herde zu sehen. Dabei kamen wir etwas vertrauter ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er die Tiere nicht mehr verkaufen dürfe, weil mindestens ein Tier Bruzellose hätte, und dass die ganze Herde wahrscheinlich abgeschlachtet werden müsse. Letzten Herbst hatte sich eine verwahrloste Ziege ihrer Herde angeschlossen, und sie hatten sie aus Mitleid mit den ihrigen eingesperrt, in der Erwartung, den Eigentümer zu finden und sie zurückzugeben. Doch niemand meldete sich. Somit blieb die Ziege bei ihnen. So wie bei uns, spielten auch ihre Kinder mit den Tieren und sie machten von der Milch etwas Käse für sich. Dann wurde ihr Jüngster krank. Fieber und Müdigkeit. Sie dachten an eine Grippe. Doch als trotz Behandlung sich nichts verbesserte, ließ der Arzt Blutanalysen machen. Und da stellte sich heraus, dass es Malta-Fieber war. Der Arzt riet ihnen, die Tiere untersuchen zu lassen. Ich fand es korrekt, dass er mir das alles sagte und vor allem, dass er die Tiere nicht verkaufte, um sie loszuwerden, wie es so manch einer gemacht hätte… Vor allem würde er keine Entschädigung vom Amt bekommen, da er nicht als Bauer eingeschrieben war!
Roger, der Gendarm im Ruhestand, hatte während der warmen Zeit bei uns im Tal zwei Pferde, die seinem Sohn gehörten. Durch Erbschaft hatte er in Oust noch ein Haus und etliche Hektar Land, worauf er Ziegen hielt. Zu gerne wäre auch er Bauer geworden, wie seine Eltern, aber damals war der Hof zu klein gewesen für all die Leute. Also war er Gendarm geworden und hatte sich nach dem Krieg und Gefangenschaft in Indochina wiedergefunden, wohin er geschickt worden war, weil in Frankreich die Gendarmen dem Militär unterstehen. Jetzt, in Rente konnte er endlich Bauer sein! Als er mal vorbeikam, schwärmte er von einer weiteren Herde Ziegen, die er gekauft hatte. Ich erzählte ihm die Geschichte vom Legionär und riet ihm, Blutproben machen zu lassen. Das brachte ihn zum Nachdenken, und er fragte den Tierarzt. Dieser sagte ihm, da er nicht Bauer ist, müsste er die Tests selber zahlen, rund sechs Francs pro Tier. Er klagte mir, dass das für ihn zu teuer sei. Kurz entschlossen bot ich ihm an, sie auf meinen Namen machen zu lassen, da sie für mich gratis waren.
Nach rund zehn Tagen kam er wieder vorbei, fischte ein paar Flaschen Bier aus einer der vielen unergründlichen Taschen seiner Armeehose und wir tranken auf die gute Idee, die ich gehabt hatte. Denn es hatte sich herausgestellt, dass ein paar der Ziegen positiv gewesen waren und er sie alle dem früheren Eigentümer zurückgegeben hatte. Jetzt wartete er auf das Ergebnis seiner eigenen Blutanalyse, in der Hoffnung nicht angesteckt worden zu sein!
Nach zwei Wochen bei meiner Käsetour sprach mich wer im Dorf an. „Was, du bist gar nicht krank? Ich habe irgendwo gehört, du hättest die Brucellose!“ „Das ist doch schon zwei Jahre her, ich hoffe, die ist jetzt endgültig vorbei! Wer war das denn, der das erzählt hat?“, wollte ich wissen. Er überlegte eine Weile. „Ich glaube, das war Ernest, der Mann von der Sekretärin!“ Ich wollte Genaueres wissen und hielt bei ihr an. „Ach, du hast die Post gar nicht bekommen?“, meinte diese und führte mich an das offizielle Anschlagbrett. „Da, vor rund einer Woche habe ich das vom DSV (Tiergesundheitsamt) bekommen und gleich angeschlagen!“ Ich schaute mir den amtlich gestempelten Aushang an. Ich bekam einen Schreck, je weiter ich las. Dort stand, dass wegen Brucellose in unserer Herde jeder Verkauf von Tieren und tierischen Produkten seit einem schon zurückliegenden Zeitpunkt verboten seien! Mich wunderte, warum ich kein ähnliches Schreiben erhalten hatte. Vielleicht steckte der Brief noch in irgendeiner von Jean-Pauls Taschen!
Was tun? Denen im Amt sagen, dass ich die Untersuchungen für jemand anderen hatte machen lassen, ging nicht. Das hätten die als eine Art von Betrug gesehen. Ich setzte mich also hin und schrieb ihnen einen Brief, in dem ich ihnen mitteilte, dass die Tiere nie auf unserem Hof gewesen waren, was ja auch stimmte, und dass ich die Bluttests der Tiere bei dem Bauern hatte machen lassen, um sicher zu sein, dass die Herde negativ ist. Erst anschließend hätte ich sie holen wollen. Nach zehn Tagen hängte die Sekretärin den neuen Bescheid aus, der besagte, dass die Produkte unseres Hofes wieder den Gesundheitsnormen entsprächen und ihr Verkauf wieder erlaubt sei. Zum Glück für mich las niemand die öffentlichen Aushänge! Jedenfalls nahm ich mir vor, von jetzt an nur noch unsere eigenen Tiere analysieren zu lassen… Und ich baute einen Briefkasten an eine Scheunentür im Dorf, damit der Briefträger von nun an die Post dort einwerfen konnte, anstatt sie jemanden zu geben, der sie mir geben sollte, falls er mich sähe...
Seit diesem Zwischenfall reagierte ich fast allergisch, wenn Leute mit einer Ziege im Kofferraum zu uns hochgefahrenen kamen, und sie gedeckt haben wollten. Denn Privatleute waren nicht verpflichtet, Blutproben ihrer Tiere machen zu lassen, nur Bauern! Und somit begrenzten sich Tierseuchen oft auf solche Einzeltiere. Zweimal fand ich eine fremde Ziege mitten in unserer Herde. Die Eigentümer hatten sie einfach