Die Pyrenäenträumer - Band 2. Wolfgang Bendick
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So langsam geht der Küchenumbau zu Ende. Doris atmet auf: „Endlich mal keine Späne mehr!“ Obwohl die auch sehr nützlich sind zum Küchenherd anzünden in der Früh! Manchmal heizen wir auch oben bei den Kindern ein, vor allem, wenn sie Besuch haben. Ansonsten ist die Küche der wärmste Platz, wo wir uns in der Regel alle aufhalten.
Doris wachst den Boden ein. Wir stellen den Tisch aus der Mitte zur Eckbank. Das gibt eine Menge Platz in der Stubenmitte. „Da können die Kinder nicht mehr um den Tisch rasen!“, sagt Doris, „mal sehen, wie sie es jetzt machen, wenn sie streiten!“ Die Kältewelle hält an. Also mache ich drinnen weiter. Ich habe einfach noch nicht gelernt, ohne Arbeit zu sein!
Ich montiere die Ketten auf die Räder unseres Renaults und fahre nach St. Girons, Material besorgen. Die ganze Straße ist unterm Schnee und kaum jemand ist unterwegs. Zurück im Dorf treffe ich auf Patrick, der von einer Skiwanderung heimkommt. Wir laden seine Skier ins Auto, er setzt sich auf die Motorhaube, um Gewicht auf die Räder zu bringen. Am Ende muss er dann aber doch schieben und mit schruppenden Ketten buddeln wir uns bis zum Haus hoch. Nach einem Tee fährt er mit den Skiern zurück ins Dorf.
Oben auf dem Dachboden baue ich Stockbetten für die Mädchen und ein einfaches Bett für den Buben. Alles aus Massivholz! Dann verlege ich das Elektrische neu, da wir vorher unserer ehemaliges 12 Volt-Leitungssystem für die 220 Volt benutzt hatten. Ein paar Steckdosen, sonst nur 25 Watt-Birnen, um die Atomlobby nicht noch mehr zu bereichern!
Irgendwie ist es meine Art, alles dauernd noch vollkommener machen zu wollen. Aus den Holzresten baue ich einen kleinen Tisch, der genau zur Ofenbank passt. Wenn es richtig kalt ist, dann essen wir jetzt da. Oder wenn die Kinder in der Schule sind. Natürlich gibt das Streit, wer auf dem Bänkle liegen darf. Ich mache mich immer spät abends darauf breit, wenn alle im Bett sind. Dann ist die Zeit zum Lesen, Musikhören, oder weiter am Höfle planen.
Endlich mal ein richtiger Winter! Und wir hatten schon befürchtet, dass es den in Südfrankreich nicht gäbe! Wenn tagsüber die Sonne durchbricht oder hinter dem Berg hervorkommt, verwandelt sich die Welt. Man spürt ihre sanften Strahlen, hebt automatisch den Blick, sieht, wie die Grauwelt aufglitzert und hier und dort der ockerne Farbklecks einer alten Scheune oder die grünen Zacken von den hochgeschossenen Tannen aufleuchten, die eigentlich mal als Christbäume gedacht waren. Und dann diese hellblaue Himmelskuppel, die all das wie eine schützende Glocke bedeckt!
DER PYRENÄEN-KÄSE
Oberhalb von Moulis hatten wir eine Familie kennengelernt, die schon seit 10 Jahren hier ansässig ist. Sie haben 40 Ziegen und drei Kühe. Ihr Stall ist ein luftiger Neubau aus Holz, mit erhöhten Futterständen, die auch als Melkstand dienen können, wenn man die Hälse der Tiere darin blockiert, indem man ein Brett nach unten klappt. Bisher melken sie noch von Hand in Eimer, planen aber, bald eine Melkanlage einzubauen, um mehr Zeit für die anderen Arbeiten zu haben. Denn zusätzlich haben sie noch zwei Ferienwohnungen, die sie vermieten und außer ihren eigenen drei Kindern mehrere Pflegekinder, die ihnen das Sozialamt schickt. Diese machen nicht nur eine Menge Arbeit, sondern bringen auch gut Geld ein, was ihnen hilft, den Hof zu modernisieren!
Ihre Käserei ist verhältnismäßig klein und mit hellblauer Schwimmbadfarbe ausgestrichen, weil ja Wände und Boden abwaschbar sein müssen. Doch ist diese Farbe nicht zum Darüberlaufen gemacht und muss öfters erneuert werden. Und billig ist sie auch nicht gerade! Der ganze Hof macht einen guten Eindruck, man sieht, dass Lulu mal Agronomie studiert und dann ein paar Jahre in Afrika gearbeitet hat, in der Wiederaufforstung der massakrierten Regenwälder. Dadurch, dass sie auch Kinder haben und auf dem Weg nach St. Girons liegen, besuchen wir sie bisweilen. Dann sind die Kinder unter sich und wir können uns in Ruhe den Problemen der Landwirtschaft, der Erde und des Weltalls widmen, von der leblosen Materie bis hin zur lebendigen Natur, vom leeren Raum bis hin zum vollen Bewusstsein…
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Es sind weniger die samstäglichen Wochenmärkte, die uns in die Stadt ziehen, sondern die Viehmärkte, die jeden zweiten und vierten Montag in St. Girons stattfinden. Auf dem Marsfeld und dem Platz vor der Kirche St. Vallier bauen dann Maschinenhändler und Eisenwarenhändler ihre Stände auf oder stellen ihre Traktoren zur Schau. Unweit des Flusses befindet sich der Hühnermarkt, wo man außer Eiern auch alles Federvieh bekommt, das den Bauernhöfen ihren Charme verleiht oder in den Bürgerhäusern sonntags als Braten im Backrohr schmort.
Auf dem Forail, dem Viehmarkt treffen sich, außer den paar Touristen, die Neos und die Einheimischen, die Tiere haben. Doch diesmal ist der Marktplatz und die Halle verlassen. Wir sind die einzigen, die mit den kettenbereiften Rädern Spuren durch den Schnee ziehen. Am Marsfeld stehen ein paar Händler um ein Blechfass herum, in dem sie Holzreste verbrennen und sich wärmen. Wahrscheinlich haben sie die Nacht in ihren Lieferwagen verbracht. Die ganze Stadt sieht aus wie ein Weihnachtskalender und riecht nach Holzfeuer. Die wenigen Autos mahlen sich langsam durch den Schnee, die paar Fußgänger bewegen sich auf der Straße vorwärts, um nicht den Dachlawinen ausgesetzt zu sein, die hier und da niedergehen. Ich hatte in der Früh die Großen zur Schule gebracht, hole sie am Mittag wieder ab. Das Auto ist voller Zeug. Sperrholzplatten, Salzblöcke, Elektrokabel, Sachen aus dem Prisunic, dem Supermarkt. Halt all das, was man auf dem Land braucht und nicht selbst herstellen kann…
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Viele unserer Freunde hatten sich auf das Käsemachen verlegt, vor allem die, welche wenig Fläche zur Verfügung hatten. Die meisten machen Ziegenkäse, was mit sich bringt, dass auf den Wochenmärkten in St. Girons und der Umgebung ein Überangebot herrscht. Die einen haben schöne Stände mit bunten Marktschirmen, andere haben ihre Waren auf alten Gemüsekisten ausgelegt, manche ihre Käsle auf ein paar Farnblättern direkt auf dem Boden. Die einen machen einen fast professionellen Eindruck, andere sehen eher ziemlich ausgeflippt aus, und wegen der Hunde, die in der Nähe liegen, machen manche Kunden lieber einen weiten Bogen um ihren Stand! Es gibt einen Zuteiler für die Plätze, doch wer später kommt quetscht sich irgendwo in eine Lücke und bietet seine Waren an. Das Gesundheitsamt kommt nur sehr selten. Und wenn die Inspektoren auftauchen, verbreitet sich die Nachricht schneller als die kontrollierenden Beamten. Viele schnappen ihren Stand und verziehen sich, oder sie verschwinden nur selber eine Weile, und die Kontrolleure wissen nicht, was sie mit dem herrenlosen Stand anfangen sollen…
Außer den vielen Ziegenleuten kennen wir nur zwei Bauern in Ariège, die Schafskäse herstellen und ein halbes Dutzend Neubauern, die Kuhkäse fabrizieren. Unser neuester Plan ist, von jeder Tierart etwas zu haben, Käse herzustellen und möglichst in der näheren Umgebung zu verkaufen. Im Laufe der Zeit haben wir natürlich etwas Erfahrung gesammelt, aber noch ist unser Optimismus grösser als unser Wissen! Wir sind uns alle einig, einen guten, naturbelassenen Käse herstellen zu wollen, so, wie er früher hier gemacht worden ist. Und jeder hält natürlich seinen eigenen Käse für den besten. Auch gibt es in St. Girons zwei Käsefabriken, die Pyrenäenkäse herstellen, einen davon mit dem hochtrabenden Namen ‚Montsegur‘, mit der klassischen schwarzen Kruste. Doch bei genauerem Hinschauen entpuppte sich die schwarze Rinde als ein Plastikfilm. Logisch wäre eher, den Käse nach St. Girons zu benennen, nicht nach dem 70 Kilometer entfernten Ort Montsegur, wo es noch nicht einmal Milchvieh gibt! Dort war 1244 der Schauplatz des letzten großen Kartharer-Massakers, wo über 200 ‚Reine‘ oder ‚Perfekte‘, wie sie sich nannten, von den katholischen Kirchenvertretern auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden sind. „Tötet sie alle, Gott wird die Seinen erkennen!“, war die Devise der Schlächter. Würde man in Polen einen Käse ‚Auschwitz‘ nennen, oder ‚Holocaust‘? Vielleicht in 800 Jahren schon, je nachdem, wie die Menschheit bis dahin ihre Geschichte ‚aufgearbeitet‘ hat…
Wenn man die Nummernschilder