3000 Plattenkritiken. Matthias Wagner

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3000 Plattenkritiken - Matthias Wagner

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Ferne – als sei der Honig klar wie Wasser. Ein großes Album, weniger dynamisch als der Vorgänger, doch episch wie noch nie.

      Monty Alexander

      „Stir it up – The Music of Bob Marley” (1999)

      Es hätte dieser Platte nicht bedurft, um Marleys Rang als Komponist zu unterstreichen. Doch in Zeiten, da jeder, der um acht Ecken mit dem Reggaekönig verwandt ist, mit dem Namen „Marley“ seine kümmerlichen Musizierversuche aufzuwerten sucht, ist es gut, mal wieder das Wahre, Schöne, Gute präsentiert zu bekommen. Der jamaikanische Jazzpianist Monty Alexander tut das auf einem Silberteller. Hier wird Marleys Reggae zur Barmusik, aus großer Kiffermucke wird ein süffiger Cocktail – der die Einfachheit manch Marley’scher Melodie sogar noch betont, anstatt sie mit Jazzerattitüde zu verkomplizieren. Dies ist keine kritische Ausgabe, eher eine perlende Festmusik – lächelnd vorgetragen.

      Natural Born Hippies

      „Popshit” (1999)

      Heilige Kühe sollte man nicht schlachten, man sollte sie nicht mal berühren. Ach was: nicht mal denken ans Berühren. Oder … ? Ray Davies’ Song „Lola“, längst heimisch im kollektiven Gedächtnis, ist so eine heilige Kuh. Und den dänischen Natural Born Hippies ist das schnurzpimpe. Sie drehen ihn mit Kastratengesang durch den Glampop- und Groovefleischwolf und haben am Ende eine verblüffende Neudeutung hingelegt, in der das Augenzwinkern des Ray Davies zum lustigen Lidgeklimper einer Transe von heute wird. Diese wilde, witzige fetttriefende Breitwandidee des Pop zieht sich quer durchs Debüt des Kopenhagener Quartetts. Am Ende stehen wir da wie begossene Pudel und grinsen. Und überall tropft es vor Popshit, der aber nicht schlecht riecht. Im Gegenteil.

      Nick Lowe

      „The Doings” (1999)

      Wäre das Booklet noch ein wenig besser ausgestattet, etwa mit Songtexten und weniger doppelt und dreifach gedruckten Fotos, dieser Viererbox wäre die erste Höchstwertung des Jahres sicher. Musikalisch eh: Der britische Songwriter gab einst der New Wave eine kräftige Rock’n’Roll-Injektion, erforschte mit Dave Edmunds unterm Namen Rockpile sämtliche Möglichkeiten der Dreiminutenform, ehe er in ruhigere Fahrwässer geriet und mit umwerfenden Balladen wie „Faithless Lover“ die meisten Crooner in die Tasche steckte. Lowe ist eins der raren Genies des Rock, einer, der kaum je einen durchschnittlichen Song geschrieben hat. Diese Anthologie würdigt ihn so, wie es mit nur 86 (!) Stücken eben möglich ist. Pflicht fürs Archiv.

      Oliver Shanti & Friends

      „Tibetiya” (1999)

      Warum sein Ethnomix immer so seicht sein muss, würden wir Meister Shanti gerne fragen, doch der Mann ist angeblich unablässig auf Reisen – offenbar, um exotischen Kulturen das Exotische zu stibitzen, es zu New-Age-Muzak zu verarbeiten und dann an westliche Esofreaks zu verfüttern. Auch „Tibetiya“ hat höchstens funktionellen Nährwert: Die CD soll Tai-Chi-Übungen begleiten – und ist perfekt für Leute, die vor lauter Bachblütenträumen nicht merken, dass sie unter genau den Geschmacksentgleisungen leiden, die sie dem Musikantenstadl wahrscheinlich kopfschüttelnd vorhalten würden. Kurz gesagt: Shantis Musik hat mit asiatischer Spiritualität so viel zu tun wie Nicoles „Ein bisschen Frieden“ mit Außenpolitik.

      Paul Westerberg

      „Suicaine Gratification” (1999)

      Er selber nennt es „fucked-up folk music“. Die schlechte Laune des Paul Westerberg ist jedoch nicht zu unserem Nachteil. Die meisten der noch aus Replacements-Zeiten übrigen Rockelemente warf er weg, um intime Gefühlsstudien zu Piano und Akustikgitarre für sich stehen zu lassen. Das Prinzip seiner letzten Folkrockplatte „Eventually“ – keine Soli, viel Seele – ist nunmehr, mit Ausnahmen, unter Ägide des Produzenten Don Was auf den schütteren Kern verdichtet. Kein Problem, da Westerberg die große Kunst des kleinen Songs eh so beherrscht, wie es wohl nur ein US-Schreiber kann. Von wilden Punkanfängen zur abgeklärten Melancholie des Folk: eine ähnliche Biografie hat höchstens noch einer vorzuweisen, und der teilt mit ihm den Vornamen: der Brite Paul Weller. PS: Kann mir mal jemand den Albumtitel erklären? Danke.

      Pauline Taylor

      „Pauline Taylor” (1999)

      Seit Joan Armatrading hat keine Sängerin mehr die hohe Kunst des Songwritings so elegant mit Soul verschmolzen wie Pauline Taylor. Im Vorprogramm von Faithless verblüffte sie das Publikum mit hoher Musikalität und kraftvoller Stimme; damals wusste aber noch keiner, dass sie ein Multitalent ist, Songs wie den Ohrwurm „The Letter“ selber schreibt – und dafür sorgen könnte, dass der eh wacklige Ruhm einer Marla Glen oder Des’Ree bald verblasst. Hiermit wird öffentlich prophezeit: Pauline Taylor wird reich, berühmt und unser aller Liebling. Und alles zu recht. Zumal der Rückhalt der Faithless-Posse dies kaum behindern dürfte.

      Pavement

      „Terror Twilight” (1999)

      Man könnte es abwechslungsreich nennen. Oder wirr. Vielfältig. Oder ziellos. Je nachdem, ob man Stephen Malkmus & Co. freundlich gesonnen ist oder nicht. Denn objektive Kriterien für das Konzept der Amerikaner zu finden, ist schwer. Bei den Silver Jews reißt er sich ja am Riemen, hier lässt er ihn schleifen. Ähnlich übrigens wie seine Britpopkumpels von Blur, mit denen er 1998 rumhing, um zu lernen, wie man richtige Songs schreibt. Das waren just zu dieser Zeit leider die Falschen. Jetzt haben beide ein ratloses Album im Kasten. Oder ein schillerndes. Pavement jedenfalls grasen zwischen Folk und Noise alles ab und stoßen doch nicht vor zu einem tragfähigen Gerüst für ihre Songs. Wirre Vielfalt, ziellos abwechslungsreich.

      Peshay

      „Miles from home” (1999)

      Es geht los mit Drum & (Steh-)Bass, der durchzuckt wird von Orchesterfetzen und (gefälschtem?) Beifall, dann wird es plötzlich ganz und gar akustisch, ein quicklebendiges Klaviertrio stürzt sich in die wunderbare Welt des puren Swing, der Club kocht, und alle Wurzeln liegen plötzlich frei – ehe eine weitere wichtige Koordinate zum Zug kommt: der HipHop. Da fehlen nur noch zwei, und Paul Pesci alias Peshay, ein ganz früher Kumpel Goldies und gewissermaßen Miterfinder des Drum & Bass, zaubert natürlich auch Funk und Soul noch aus dem Ärmel. In diesem Bezugssystem wuselt er herum wie ein emsiger Hamster und pappt alles mit den richtigen Klebern zusammen: Schlagzeug, Bass. Dadurch wird diese scheinbar zerfaserte CD zu einem Album wie aus einem Guss. Und es gibt einem den Glauben an die Zukunft eines Genres wieder, das man längst im Koma wähnte.

      Peter Green Splinter Group

      „Destiny Road” (1999)

      Erstaunlich an Peter Greens zweiten Album mit der Splinter Group ist nur eins: dass sich das Gitarrengenie wirklich dazu aufgerafft hat. Sollte er etwa wieder richtig auf die Beine kommen? Immerhin komponiert er sogar wieder, wenngleich nur einen neuen Song; den Rest steuern die Kollegen bei; sein zweiter, „Tribal Dance“ – das sagt das Booklet nicht –, stammt schon aus den 70ern. Und er ist der beste auf der Platte. Die Splinter Group spielt konventionellen Blues; zu einer eigenständigen Form wie einst, als Green eine bluesinspirierte Instrumentalform ohnegleichen fand, findet sie nicht. Nur bei „Tribal Dance“. Und da lege ich mir ganz wehmütig lieber „In the Skies“ auf, Greens Comeback aus den 70ern. Time

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