Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein. Peter Eckhart Reichel

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Hörbuchsprecher - Sein oder Nichtsein - Peter Eckhart Reichel

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wenn Sie die Demo-Aufnahme persönlich einem Vertreter aus einem Rundfunksender (Redakteur, freie Autor, Regisseur) übergeben könnten. Ein unmittelbarer Kontakt, der nicht erzwungen wird, löst mitunter spontane Reaktionen aus. Die Chemie zwischen zwei Menschen spielt dabei eine große Rolle, also auch Emotionen. Besonders aber die Sprecheragenturen erkennen Ihre Stärken und Schwächen, denn sie haben ein geschultes Gehör. Sie helfen gern dabei, jeder guten und interessanten Stimme eine akustische Plattform auf dem immer größer werdenden Marktplatz der Sprecherzunft einzuräumen. Dafür aber müssen Sie diesen Leuten schon etwas Besonderes anbieten.

      Storytelling oder die Kunst des Erzählens

      Die Kunst des Erzählens und des Zuhörens erlebt gegenwärtig eine Renaissance. Immer mehr Menschen hören Hörbücher im Auto, meist auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder auf dem Heimweg, auch werden längere Wartezeiten, Bahn- und Busfahrten, Dienstreisen oder die Urlaubsreise genutzt, um Hörliteratur zu konsumieren. Selbstverständlich gibt es da auch noch den „klassischen Hörer“, der zu Hause vor seiner HiFi-Anlage vertonte Literatur hochkonzentriert genießt. Aber viele Menschen schätzen auch die ablenkende Wirkung des Zuhörens beim Joggen oder auf dem Hometrainer und manch einer lernt auf diese Weise sogar Vokabeln einer Fremdsprache. Es werden auch häufig bei Routinearbeiten im Haushalt ganze Romane angehört, die man sonst vielleicht niemals lesen würde. Der amerikanische Werbeslogan „Double your time“ ist längst in unserer Realität angekommen und hält die Menschen dazu an, das Maximum aus ihrer freien Zeit herauszuholen. Neben dem Bildungsbedürfnis, der Freude an Unterhaltung und Entspannung, gewinnt der Begriff „Zeitmanagement“ beim Thema Hören zunehmend immer mehr an Bedeutung. Hörbücher sind „in“ und werden es vermutlich auch langfristig bleiben. Heute gehören sie auf CDs oder auf anderen Speichermedien längst zu unserer Alltagskultur. Unumstritten ist auch: Hörbücher stehen stellvertretend für die Urform des Erzählens und sind die nächsten "Verwandten" des gedruckten Buches.

      Dabei übt die gekonnte, lebendige, Erzählweise eines Interpreten, und natürlich die Geschichten, die völlig unvorhersehbare Wendungen enthalten, einen unvergleichlichen Reiz auf die Zuhörer aus. Anders als beim reinen Vorlesen beherrscht ein erzählender Sprecher die Kunst, sich scheinbar vom Text vollkommen zu lösen. Wenn heute von Erzählkunst geredet wird, ist meist die mündliche Tradition des Erzählens gemeint. Geschichten sind schon seit ewigen Zeiten über die Münder zu den Ohren gewandert. Und dies oft über weitentfernte Kulturkreise und über Ländergrenzen hinweg. Geschichten durch das mündliche Erzählen lebendig werden zu lassen, ist eine Tradition, die so alt ist wie die Menschheit selbst. Diese Erzähltradition wird heute von Berufssprechern aufgegriffen und über das moderne Medium Hörbuch einem anwachsenden Kreis von Zuhörern angeboten.

      Erzählen ist eine Universalie und ein anthropologisches Grundbedürfnis des Menschen, das bereits seit Jahrtausenden existiert. Das Phänomen des mündlichen Erzählens warf jedoch immer schon die Frage auf, wie das Mündliche, das seit jeher oral überliefert wurde und naturgemäß vergänglich ist, sich bewahren ließe. In der Erfindung der Schrift erkannte man zunächst die Rettung für das mündliche kulturelle Erbe. Dieses Medium hatte sich dafür zunächst als zuverlässig erwiesen. Im Laufe der Zeit dominierte jedoch die Schriftform das mündliche Erzählen. Mit der Erfindung der Tonaufzeichnungsgeräte wiederum endete die Hegemonie der Schrift und das mündliche Erzählen erlangte dadurch wieder mehr an Bedeutung. Genau hier an diesem Wendepunkt beginnt die Unterscheidung zwischen den Medien des Lesens und Hörens. Der Unterschied zwischen den beiden Phänomenen besteht vor allem darin, dass wir beim Lesen aktiv mit dem Buch interagieren, während wir beim Hören durch fremde Stimmen beeinflusst werden, die sich qua Prosodie für bestimmte Sprechhaltungen im Vorfeld entscheiden müssen, weil die Interpreten den gesamten Text bereits kennen und daher wissen sollten, welche Sprechhaltungen jeweils einzunehmen sind. Die Interpreten haben daher dem normalen Leser gegenüber einen informationellen Vorsprung, aber sie sind und bleiben dennoch von der Auffassungsgabe und Intelligenz ihrer Zuhörer abhängig.

      Storytelling lautet die Zauberformel auch für gut produzierte Hörbücher. Anders als das einfache Vorlesen einer literarischen Vorlage weist die „story“ über die bloße Informationsübermittlung hinaus. Beim Storytelling geht es darum, Charaktere aufzuspüren und sie spannend zu gestalten: Lebendige Stimmen, emphatische Höreransprachen, verwegene Plotpoints stimmlich zu gestalten, knifflige Dramaturgien verständlich zu machen. Hörbuchsprechern stehen dabei eine Vielzahl an Mitteln zur Verfügung, um ihre Zuhörer mit einer akustisch gestalteten Geschichte in den Bann zu ziehen. Aber wie genau funktionieren diese stimmlichen Gestaltungsmittel? Wie lassen sie sich im Sinne der Geschichte am besten erzeugen? Wie funktioniert emotionales, spannendes Erzählen im Hörbuch?

      Wikipedia bietet diese Definition: Storytelling (deutsch: „Geschichten erzählen“) ist eine Erzählmethode, mit der explizites, aber vor allem implizites Wissen in Form einer Metapher weitergegeben und durch Zuhören aufgenommen wird. Die Zuhörer werden in die erzählte Geschichte eingebunden, damit sie den Gehalt der Geschichte leichter verstehen und eigenständig mitdenken. Das soll bewirken, dass das zu vermittelnde Wissen besser verstanden und angenommen wird. Heute wird Storytelling neben der Unterhaltung durch Erzähler unter anderem auch in der Bildung, im Wissensmanagement und als Methode zur Problemlösung eingesetzt. Eine lebendig erzählte Geschichte gewinnt die Aufmerksamkeit und Konzentration anderer Menschen leichter als eine nüchterne Ansprache. Die Zuhörer versuchen, den Handlungsablauf, den Sinn (die Metapher) zu erfassen und die darin enthaltene Weisheit zu verstehen. Auch wenn die Zuhörer nicht jede Einzelheit konkret verstehen, werden sie dennoch den Kern der Geschichte begreifen.

      Beim Zuhören gelangen Menschen oft in einen entspannten Trancezustand, in dem sie Inhalte noch tiefer aufnehmen können. Meist wirkt die Geschichte im Unbewussten weiter, und Erkenntnisse reifen so noch lange weiter. Zudem erzeugt das gesprochene Wort bei Erwachsenen wie auch bei Kindern einen Bilderstrom. Diese Fähigkeit der inneren Bildentwicklung entwickelt sich im Gehirn schon ab dem 18. Lebensmonat. Die erzählte, aber auch die vorgelesene Geschichte lässt der Vorstellungskraft Raum. Die inneren Bilder nähren die Kreativität ebenso wie das symbolische Denken. Dieses ermöglicht später den Umgang mit Buchstaben, aber auch mit Zahlen, dient also dem Erlernen von Lesen und Rechnen. Die lebendige Erzählung ist somit eine der attraktivsten und wirksamsten Mittel der frühkindlichen Sprach- und Lernförderung.

      Aber Hörbücher (zum Beispiel Sachhörbücher) erfüllen noch etliche weitere Aufgaben: sie vermitteln zum Beispiel Lebenserfahrung, geben Wissen weiter, bieten Sachinformationen, zeigen Problemlösungen auf, leiten Denkprozesse ein, definieren Rollenerwartungen, regen Verhaltensänderungen an, erweitern unser Repertoire an Verhaltensweisen, bieten Unterhaltung und Entspannung, vermitteln Normen und Werte, fördern unser Anschauungsvermögen, motivieren zum Handeln oder stiften Hoffnung oder Sinn.

      Aber die Grundvoraussetzung für ein wirkungsvolles Hörbuch liegt dennoch in der Qualität der literarischen Vorlage, in der Geschichte selbst. Gute Geschichten aktivieren viel mehr Regionen im Gehirn als eine einfache Information; sie binden den Zuhörer/Leser ein und lassen ihn mitdenken und mitfühlen, sie stellen eine persönliche Verbindung her und wecken Emotionen, dadurch bleiben sie länger und einfacher im Gedächtnis haften und wirken nach.

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