Erfahrung Neu Delhi-Neustrelitz.., Pakistan.., Iran..,Himalaja. Andreas Goeschel
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Wie ein toter Bahnhof mit dem Charme eines leeren Schlachthauses.
So etwa zwölf mal acht Meter und vier Meter hoch.
Blanke, große Gepäcktische, Bänke an den Wänden. Ölsockel und Beton.
Wir schlafen auf den Bänken.
Samstag,10. Februar, 25. Tag
Billige Alternative: Bahnen und Busse.
Heute sind wir schon um sieben Uhr aufgestanden.
Es ist noch richtige ländliche Ruhe. Aber eben richtige Ruhe. Nach Delhi eine berauschende, friedliche, unvorstellbare Ruhe. Eine Ruhe, die sich auf uns überträgt. Eine Toilette und Waschbecken ist auch an der Zollhalle und somit ist es doch durchaus recht komfortabel.
Ruhig beginnt dieser Morgen und dieser Urwert trägt auch zu ausgeglichener, zuversichtlicher Laune bei. Wir sind allein in dieser großen Halle.
Noch regt sich außer uns nichts hier. Die Nachtschicht hat es hier wohnlich sicher besser, als es ihnen ihr eigenes Zuhause bietet.
Im Laufe des Vormittags treffen die Jungs von gestern ein und es ist schon ein bißchen so, als kämen alte Bekannte. Irgendwie wunderlich ist es.
Der Boß der Station Vagha setzt sich an einen Tisch und schreibt in unserem Beisein langsam und umständlich einen Brief, der an den Chief-Officer des Customs-House in Quetta adressiert ist. Das Original geht per Post nach Quetta und die Durchschrift-Kopie bekommen wir mit.
Unsere Personalien, die Daten der Motorräder und unsere Ankunft in Quetta sind der Inhalt, verbunden mit der Anregung, in dieser Sache mit uns nach eigenem Ermessen, natürlich im Rahmen der Vorschriften, weiter zu verfahren.
Sie sind das Problem los. Wir kommen weiter. Die Zöllner sind zwar weiterhin sehr freundlich, geben sich jedoch in ihrer Arbeit ziemlich genau. Immer wenn der Chef uns etwas über den weiteren Verfahrensweg erklärt, und wir es zur Sicherheit noch mal wiederholen, strahlt er demonstrativ, lacht, als würde ihm ein Wonneschauer durch die Glieder fahren, als hätte er im Lotto gewonnen.
Er ist etwas dicklich, kleigewachsen, hat ein intelligentes, lustiges Gesicht, womit er aber auch um so ernster und besorgter dreinschauen kann, wenn ihm etwas gegen den Strich zu laufen scheint. Er gibt sich, als hätte er die Prozedur, mit welcher die Weiterreise ermöglicht wird, gerade für unseren Fall ersonnen. Sozusagen speziell für Lutz und mich und die Enfields erfunden.
Uns scheint es sonnenklar, daß sowas hier zu ihren Standards gehört.
Mit wichtiger Miene kommt es zum geschäftlichen Teil. Nun wird Kasse gemacht. Alle stehen herum, was der Abzocke den offiziellen Anstrich geben soll und die Weisheit und Bedeutung des Effendis, ihres genialen Chefs unterstreicht. Mit seinen Verkündungen steht er im absoluten Mittelpunkt der Aufmerksamkeit dieses unsichtbaren Theaterstückes.
Er erzählt, was der Brief kostet, was die Busrückfahrt für den Zollbegleiter von Lahore kostet, der mit Lutz auf dem Motorrad bis dorthin mitfahren wird.
Dann noch dies und das und schließlich sagt er, daß jeder von uns eintausend Rupis, also vierzig Mark bezahlen soll, womit alles abgegolten wäre.
Somit haben sie entweder total schlecht gepokert oder sie waren einfach nur fair und nutzten ihre Position nicht schamlos aus.
Unsere Schmerzgrenze wäre erst etwa beim Fünffachen gewesen. Unter uns hatten wir darüber geredet, daß mit hundert Dollar pro Nase zu rechnen sei.
Sie lassen uns weiterfahren, wenn auch nur mit der Bahn.
Es ist nicht sehr nach meinem Geschmack, aber nicht zu ändern.
Lutz hält zweitausend Rupis hin und ich auch. Kurze Irritation auf beiden Seiten. Tausend pro Person wird vom Hauptmann nochmals betont.
Möglicherweise hätten sie sich nun auch am liebsten gemeinschaftlich in den Arsch gebissen. Zweitausend pro Nase wären auch gut gewesen.
Doch nun ist es zu spät.
Um das zu kompensieren fällt dem Effendi plötzlich noch ein, daß wir dem Küchenjungen für den Tee auch noch hundert Rupis geben sollten. Das ist jedoch durchaus unasiatisch. Für Tee bezahlt man nie, wenn man eingeladen wird. Zumal er uns gestern vollmundig als seine Gäste bezeichnet hat.
Uns ist das doch scheißegal! Wir bezahlen. Vielleicht spüren die Anderen nun die Peinlichkeit und den Ausrutscher ihres Chefs erst recht. Außer der Junge mit dem Tee. Für den ist durch den Effendi gerade Weihnachten geworden.
Dann fahren wir los. Doch was heißt das schon? Ein Abschied wird das, als trennten sich Freunde. Mit Umarmungen wird nicht gespart. Beste Wünsche begleiten uns ungläubige Höllenhunde. Es ist echt wundersam. Tränen fließen zwar nicht, es hätte uns aber auch nicht gewundert.
Dann geht es ab. Durch die Flächen der Armut fahren wir die knapp dreißig Kilometer bis nach Lahore. Der Hilfszöllner grüßt stolz vom Rücksitz aus in viele Richtungen, wenn wir diese dörflichen Elendssiedlungen durchfahren.
Das Leben pulsiert, gluckst, lacht und winkt und macht wieder deutlich, daß Zufriedenheit keine Verwandte der sogenannten Hochkultur ist.
Es geht bis zum Bahnhof und sie lassen uns wirklich keinen Moment mit unseren Maschinen allein. Irgendwie hoffen wir immer noch, daß wir uns auf die eine oder andere Art verdrücken können und Pakistan auf unseren Gefährten durchqueren können.
Doch dann auf dem Bahnhof in Lahore, wo wir um neun Uhr fünfundvierzig eintreffen, merken wir deutlich, daß dies wohl nur ein frommer Wunsch bleiben muß. Und eigentlich ein undankbarer dazu. Brauchen wir uns doch nun erst mal um nichts zu kümmern. Wer weiß, was uns erspart bleibt durch diese Fügung.
Mal sehen, ob wir die Karten für uns und Motorräder noch bezahlen können. Wir haben zusammen nur noch etwa 3300 Rupis.
Daß wir nur so mäßig abgezockt wurden, ist vielleicht hauptsächlich unserer Beharrlichkeit und der immer wieder strapazierten Behauptung, wir hätten weder Dollar, noch D-Mark, sondern nur Reiseschecks, zuzuschreiben.
Hier auf dem Bahnhof beginnt dann eine langwierige Prozedur, die aber zu guter Letzt damit endet, daß wir im Zug nach Quetta sitzen. Wir haben für nur 530 Rupis, was so zwanzig Mark sind, 1200 Kilometer Bahnfahrt und Sitzplätze erworben. Wir sind in einer vollkommen fremdländischen und anders sprechenden Gesellschaft, von der wir bisher nur gehört haben, daß sie so sehr freundlich sein soll. Wir werden sehen.
Es ist inzwischen zwölf und der Zug scheint jeden Moment abzufahren.
Das Verladen geschieht unter Anteilnahme und Mithilfe einer breiten Öffentlichkeit auf diesem schönen, sehr vollen, großen Bahnhof.
Der Hilfszöllner sagt zu mir, daß er doch für den Brief noch dreihundert Rupis benötigt. Ich lächele ihn verschmitzt an und drohe lustig mit dem Finger und sage ihm so etwa: „Freundchen, Freundchen, dein Chef hat doch gesagt,