Magellan. Stefan Zweig

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Magellan - Stefan Zweig

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kämpfend miterlebt hat, ist ihm eine neue Mutprobe in seiner harten Seemannslaufbahn zugedacht: ein Schiffbruch.

      Schon war Magellan bestimmt, einen der regelmäßig mit dem Monsun heimkehrenden Gewürztransporte zu begleiten, da läuft die Galeone an der sogenannten Paduabank auf. Kein Menschenleben geht verloren, nur das Schiff zerschellt am Korallenriff in hundert Stücke, und da man die ganze Mannschaft auf den wenigen Booten nicht bergen kann, muß ein Teil der Schiffbrüchigen zurückbleiben. Selbstverständlich erheben der Kapitän, die Offiziere und Adelsleute Anspruch, zuerst auf den Booten zurückgebracht zu werden, und diese Bevorzugung erbittert die »grumetes«, die einfachen Matrosen. Schon droht gefährlicher Zwist, da erbietet sich von allen Adeligen Magellan, er wolle mit den Seeleuten zurückbleiben, falls die »capitanes y hidalgos« ihre Ehre verpfändeten, sie sofort nach ihrer Ankunft am Lande mit einem andern Schiffe abzuholen.

      Diese seine tapfere Haltung scheint zum erstenmal das Oberkommando auf den »unbekannten Soldaten« aufmerksam gemacht zu haben. Denn als kurze Zeit später, im Oktober 1510, Albuquerque, der neue Vizekönig, die »capitanos del Rey«, die Kapitäne des Königs, um ihre Meinung befragt, wie man die Belagerung Goas unternehmen solle, ist auch Magellan unter den Sprechern verzeichnet. Damit scheint nach fünfjähriger Dienstzeit der Sobresaliente, der einfache Soldat und Matrose, endlich in den Offiziersrang aufgerückt, und als solcher wird er auch der Flotte Albuquerques zugeteilt, welche die schmähliche Niederlage, die Sequeira in Malacca erlitten hat, rächen soll.

       Markt in Goa

       Kupferstich aus Bry's Reisewerk (1599)

      So steuert nach zwei Jahren abermals Magellan dem fernen Osten, dem aurea chersonesus zu. Neunzehn Schiffe, eine ausgesuchte Kriegsflotte, reihen sich im Juli 1511 drohend vor dem Hafen von Malacca auf, und erbitterter Kampf beginnt gegen den verräterischen Gastfreund. Sechs Wochen dauert es, ehe Albuquerque den Widerstand des Sultans zu brechen vermag. Dann aber fällt den Plünderern eine Beute in die Hände, wie sie selbst in dem gesegneten Indien noch nie gewonnen ward; mit dem eroberten Malacca hält Portugal die ganze östliche Welt in der Faust. Endlich ist dem mohammedanischen Handel die Schlagader für immer durchschnitten, in wenigen Wochen blutet er völlig aus. Alle Meere von Gibraltar, den »Säulen des Herkules«, bis zur Enge von Singapore, dem aurea chersonesus, sind endgültig ein portugiesischer Ozean. Weit hinauf bis nach China und Japan und jubelnd zurück bis nach Europa rollt der nachhallende Donner dieses entscheidendsten Schlages, den der Islam seit undenklichen Zeiten erlitten. Vor den versammelten Gläubigen dankt der Papst mit öffentlichem Dankgebet für die herrliche Tat der Portugiesen, die dem Christentum die halbe Erde in die Hände gegeben, und Rom erlebt das Schauspiel eines Triumphs, wie seit den Zeiten der Cäsaren ihn das Caput mundi nicht mehr gesehen. Eine Gesandtschaft, geführt von Tristão de Cunha, bringt die Siegesbeute des eroberten Indien, kostbar gezäumte Pferde, Leoparden und Panther; das Hauptstück und Schaustück jedoch ist ein Elefant, den portugiesische Schiffe lebend herübergebracht haben und der unter dem Jubelgeschrei des ganzen Volkes dreimal hinkniet vor dem Heiligen Vater.

      Aber selbst dieser Triumph genügt noch nicht dem unbändigen Expansionswillen Portugals. Nie in der Geschichte hat einen Sieger ein großer Sieg gesättigt; Malacca ist ja nur der Schlüssel zur Schatzkammer der especeria; nun sie ihn in Händen halten, wollen die Portugiesen an die eigentlichen Schätze heran und sich der sagenhaft reichen Gewürzinseln des Sunda-Archipels, der Inseln Amboina, Banda, Ternate und Tidore, bemächtigen. Drei Schiffe werden unter dem Kommando Antonio d'Abreus ausgerüstet, und einige der zeitgenössischen Chronisten nennen auch Magellans Namen unter den Teilnehmern jener Fahrt in den damals äußersten Osten der Erde. In Wirklichkeit aber ist Magellans indische Zeit um jene Stunde schon zu Ende. Genug! sagt das Schicksal zu ihm. Genug gesehen im Osten, genug erlebt! Auf neue Bahnen nun, auf eigene Bahnen! Gerade diese märchenhaften Gewürzinseln, von denen er sein Leben lang träumen wird, auf die er von nun an mit dem innern Blick wie verzaubert starrt, hat Magellan nie »por vista de ojos«, nie mit dem eigenen irdischen Auge sehen dürfen. Nie war es ihm gegeben, den Fuß auf diese eldoradischen Eilande zu setzen, ein bloßer Traum werden sie bleiben für ihn, sein schöpferischer Traum. Aber dank seiner Freundschaft mit Francisco Serrão sind diese niegesehenen Inseln ihm wie erlebte vertraut, und die seltsame Robinsonade seines Freundes ermutigt ihn zum größten und kühnsten Abenteuer seiner Zeit.

      Dieses merkwürdige private Abenteuer Francisco Serrãos, das für Magellan und dessen spätere Weltfahrt so entscheidend sein wird, bildet eine wohltuend entspannende Episode inmitten der blutigen Chronik der portugiesischen Schlachten und Schlächtereien; unter allen jenen vielgerühmten Kapitänen verdient die Gestalt dieses unberühmten einen besonderen Blick. Nachdem er in Malacca von dem heimkehrenden Blutsfreund Magellan innigen Abschied genommen, steuert Francisco Serrão mit den Kapitänen der beiden andern Schiffe zu den sagenhaften Gewürzinseln. Ohne Mühe und Unfall erreichen sie den begrünten Strand und finden dort überraschend freundlichen Empfang. Denn bis in diese abseitigen Gestade sind die Mohammedaner weder mit ihrer Kultur noch mit ihrem Kriegswillen vorgedrungen: im Naturzustand, nackt und friedlich, lebt die Bevölkerung, noch kennt sie nicht bares Geld, noch fragt sie nicht viel nach besonderem Gewinn. Für ein paar Glöckchen und Armringe schleppen die naiven Insulaner gewaltige Lasten Gewürznelken heran, und da gleich auf den beiden ersten Inseln, in Banda und Amboina, die Portugiesen ihre Schiffe schon voll bis an den Rand laden können, beschließt der Admiral d'Abreu, die andern Gewürzinseln gar nicht mehr anzulaufen, sondern mit all seinen Schätzen schleunigst nach Malacca zurückzukehren.

      Vielleicht hat Habgier die Schiffe zu schwer beladen; jedenfalls läuft eines, und zwar gerade dasjenige, welches Francisco Serrão befehligt, an eine Klippe und zerschellt; nur das nackte Leben können die Schiffbrüchigen noch retten. Verlassen irren sie am fremden Strand, und schon droht ihnen erbärmlicher Untergang, da gelingt es Serrão, durch einen listigen Streich, sich eines Piratenboots zu bemächtigen, auf dem er nach Amboina zurücksteuert. Ebenso freundlich wie vordem, da sie als große Herren gekommen waren, nimmt der Häuptling die Gestrandeten auf und bietet ihnen in großzügigster Weise Unterkunft (fueron recibidos y hospedados con amor, veneracion y magnificencia), so daß die Leute vor Glück und Dankbarkeit sich gar nicht zu fassen wissen. Nun wäre es selbstverständlich soldatische Pflicht des Kapitäns Francisco Serrão, kaum daß seine Mannschaft erholt und ausgerastet ist, unverzüglich in einer der vielen Dschunken, die ständig nach Malacca hinüberpendeln, zu seinem Admiral heimzukehren und sich wieder dem königlich portugiesischen Kriegsdienst zu stellen, dem er mit Eid und Sold verpflichtet ist.

      Aber die paradiesische Landschaft, das warme, balsamische Klima lockern bedenklich bei Francisco Serrão das Gefühl für militärische Disziplin. Und mit einemmal wird es ihm höchst gleichgültig, ob irgendwo viele tausend Meilen weit im Palast von Lissabon ein König murrt oder knurrt und ihn aus der Liste seiner Kapitäne oder Pensionäre streicht. Er weiß, er hat genug für Portugal getan, oft genug seine Haut zu Markt getragen. Nun möchte er, Francisco Serrão, endlich einmal anfangen, das Leben dieses Francisco Serrão ebenso behaglich und unbekümmert zu genießen wie alle die andern kleiderlosen und sorglosen Menschen auf diesen seligen Eilanden. Mögen die andern Matrosen und Kapitäne weiter die Meere pflügen, Pfeffer und Zimt für fremde Makler mit ihrem Blut und Schweiß erkaufen, mögen sie weiter als loyale Narren in Gefahren und Schlachten roboten, nur damit die Alfanda von Lissabon mehr Zölle in die Kassen kriege – er persönlich, Francisco Serrão, ci-devant Kapitän der portugiesischen Flotte, hat genug von Krieg und Abenteuern und Gewürzgeschäften. Ohne große Feierlichkeit rückt der tapfere Kapitän aus der heroischen Welt ab in die idyllische und beschließt, fortan auf die ganz primitive, herrlich träge Weise dieses freundlichen Völkchens privatissime zu leben. Die hohe Würde des Großwesirs, mit der ihn der König von Ternate bedenkt, bedrückt ihn nicht sehr mit Arbeit; er hat nur gerade einmal bei einem kleinen Krieg seines Herrschers als militärischer Berater zu figurieren. Zur Belohnung dafür bekommt er aber ein eigenes Haus mit Sklaven und Dienern, außerdem eine hübsche braune Frau, mit der er zwei oder drei halbbraune Kinder

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