So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker страница 18
„Danke!“ Der Colonel sah plötzlich Taggart mit einem Male mit gänzlich anderen Augen an. „Fassen Sie es bitte nicht als Kritik auf, wenn ich Ihnen sage, dass Sie nach meiner Ansicht bei der Behandlung des Problems 'J.T.' einen großen Fehler gemacht haben.“
„Konstruktive Kritik ist immer von Nutzen“, ermunterte der Inspector sein Gegenüber, „außerdem habe ich mir nie eingebildet, allmächtig und allwissend zu sein.“
„Eigentlich hätten Sie es selbst merken müssen!“, ereiferte sich Ashburton. „Sobald J.T. in Worcester Ihren Brief in Händen hat, wird er den Teufel tun, sich mit Ihnen ins Benehmen zu setzen, sondern schleunigst alle Brücken hinter sich abbrechen und das Weite suchen.“
„Das deckt sich genau mit meiner Ansicht, Sir“, schmunzelte Taggart. „J.T. soll ruhig glauben, ich würde ihm eine Chance lassen. In Wirklichkeit ist das nicht der Fall. Selbstverständlich steht ab morgen ein Beschatterteam in Worcester bereit, das J.T. sofort nach Abholen des Briefes in seine Obhut nehmen wird.“
„Genial!“, murmelte Ashburton und erhob sich. „Sie hören wieder von mir“, verabschiedete er sich brüsk. „Im Augenblick habe ich keine Zeit mehr für Sie — der Dienst ruft.“
Er reichte dem Inspector kühl die Hand und ließ sich von ihm zur Tür begleiten. Dort wandte er sich noch einmal um und sagte in völlig verändertem Ton:
„Danke, Taggart — tausend Dank! Sie sind ein großartiger Bursche!“
Vielleicht ist er doch kein ganz so übler Kerl, wie ich ursprünglich gedacht habe ..., überlegte der Inspector, während er seinem Besucher nachblickte, und ging dann achselzuckend wieder zur Tagesordnung über.
V
Raymond Taggart widmete den Rest des Vormittags und den ganzen Nachmittag jener Tätigkeit, die er verächtlich „Schreibtischfron“ nannte, die aber auch getan werden wollte. Bis zehn Minuten nach Dienstschluss sah und hörte er von seinem Sergeant Hulbert nichts, was, streng genommen, eine Insubordination darstellte, ihn aber nicht störte, weil er die ungewöhnliche Intelligenz seines Mitarbeiters nicht weniger hoch einschätzte als dessen redliche Lauterkeit, und deswegen Hulberts kleine Eigenheiten stillschweigend duldete.
Als Taggart sich eben anschickte, seinen Schreibtisch aufzuräumen und sich für den Heimweg fertigzumachen, stürmte Hulbert ins Zimmer und warf einen prüfenden Blick auf die Uhr.
„Der Tag ist einfach wieder in neuer Rekordzeit vergangen, Sir“, meinte er lakonisch, „aber ich habe auch einiges erreicht. Darf ich berichten?“
„Ich höre.“
„Ad eins“, begann der Sergeant, übers ganze Gesicht strahlend, „ist die Affäre Worcester pannen- und narrensicher vorbereitet. Sobald J.T. unseren Fangbrief abgeholt hat, wird er lückenlos unauffällig überwacht und in die watteweiche Zange genommen. Man wird uns per Blitzgespräch benachrichtigen. Ich habe ausgemacht, dass sich die Stadtpolizei Worcester zunächst jeder Einmischung enthält und uns in jeder Hinsicht volle Handlungsfreiheit lässt.“
Der Inspector, der eben Hut und Handschuhe aufgenommen hatte, wandte sich langsam um. „Saubere Arbeit“, sagte er lobend. „Colonel Ashburton kann sich gratulieren, dass er einen Mann Ihres Schlages auf seiner Seite hat.“
„Unsinn“, zürnte der Sergeant, „wo ich doch längst in Ihrem Strahlenglanz untergegangen bin!“
Taggart lachte herzlich, wurde aber gleich wieder ernst. „Hören Sie, mein Bester“, sagte er geheimnisvoll, „aber es muss ganz unter uns bleiben, was ich Ihnen jetzt sage.“
„Bin ich etwa eine Plaudertante?“
„Sie wissen vermutlich nicht, dass ich mich seit nunmehr acht Monaten darum bemühe, Ihre Aufnahme in die gehobene Laufbahn und Ihre Beförderung zum Inspector durchzudrücken. Bisher ist mein Plan immer wieder an bürokratischen Schwierigkeiten gescheitert. Wenn es uns aber gelingt, den Fall Elga Ashburton zu einem guten Ende zu führen, können Sie sicher sein, dass ich Ihre Verdienste dabei gebührend herausstreichen und mich außerdem hinter Colonel Ashburton stecken werde. Und dann klappt es vielleicht.“
Der Sergeant errötete, straffte sich und nahm stramme Haltung an. „Sir, ich bin Ihnen zu größter Dankbarkeit verpflichtet, bitte aber zugleich, klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen zu dürfen, dass ich nicht deshalb meine Pflicht voll und ganz erfülle, um tausend anderen Kameraden vorgezogen zu werden!“
„Das hat auch niemand behauptet!“ Taggart klopfte dem Sergeant beschwichtigend auf die Schulter. „Wir zwei — wir sind ein gutes Gespann — nicht wahr? Ehe ich es vergesse, möchte ich Ihnen noch sagen, dass Ashburton bei mir war.“ Er informierte den Sergeant über den Verlauf des kurzen Besuches, und hernach hatte es Hulbert eilig, noch eine Meldung an den Mann zu bringen. Er sagte:
„Die Affäre Worcester hat selbstverständlich nicht meinen ganzen Arbeitstag in Anspruch genommen, Sir. Ich habe außerdem Stunden im Archiv verbracht und nach dem Namen Waynal gesucht. Ich habe insgesamt fünfundzwanzig Waynals gefunden, aber es ist so gut wie ausgeschlossen, dass einer davon mit dem gegenwärtigen Besitzer von Dunster Castle identisch ist. Der nächste Weg wäre meiner Ansicht nach, ein Foto von Waynal und seine Fingerabdrücke zu beschaffen ...“
„Daran habe ich auch schon gedacht“, gab der Inspector nachdenklich zu. „Wollen aber erst abwarten, was Starr an Neuem bringt ...“
Taggart unterbrach sich, ging zum Telefon, das geklingelt hatte, nahm ab und meldete sich.
„Ist gut“, sagte er, „schicken Sie ihn herauf!“
Er legte den Hörer in die Gabel und sagte zu Hulbert: „Wenn man von der Sonne spricht, sendet sie ihre Strahlen. Eben erfahre ich, dass Inspector Starr aus Somerset zurück ist. Bin gespannt, was er uns bringt.“ —
Ein untersetzter, rundlicher Mann in einem grünen Lodenanzug betrat Taggarts Büro und grüßte unbefangen. Jim Starr wirkte äußerlich wie ein uninteressanter, ein wenig träger Durchschnittsmensch, war aber in Wirklichkeit der jüngste Inspector, der je beim C.I.D. Dienst getan hatte, und galt in eingeweihten Kreisen als außerordentlich tüchtig.
Er machte einen erschöpften Eindruck. Deswegen bot ihm Taggart einen Whisky an, wobei er nicht versäumte, auch Hulbert ein Glas zuzuschieben.
Starr setzte sich in einen Sessel, kippte sein Glas und sagte einige Schmeicheleien über den Whisky, ehe er sein Taschenbuch aus dem Jackett zog und zu berichten begann.
„Wir sind methodisch vorgegangen“, sagte er. „Während ich mit den Beamten nach Ihren Angaben den Standort des heimlichen heimtückischen Schützen suchte, schickte ich Fisher mit dem Wagen zum Grafschaftsgericht, um einen Durchsuchungsbefehl für Dunster Castle zu erwirken. Als wir dann am Tatort vier Patronenhülsen gefunden hatten, fuhr ich selbst zum Gericht. Dort war inzwischen Fisher — ganz wie ich angenommen hatte — nicht weitergekommen, aber von mir ließ sich der Richter dann doch breitschlagen, weil er meinem Fund das gleiche Gewicht beimaß wie ich. Ich bekam also meinen Befehl und wir zogen im Parademarsch nach Dunster Castle.“ Starr unterbrach sich und zog eine hässliche Grimasse. „Das eine sage ich Ihnen, Taggart: Wenn Hammond Waynal ein gesetzestreuer