So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker страница 19
„Nein, nicht“, meinte Taggart begütigend.
„Ich hoffe, dass meine weiteren Maßnahmen Ihr Placet finden“, fuhr Starr, ein wenig verlegen, fort. „Ich habe Fisher in Sandhurst einquartiert und ihm versprochen, ihm schnellstens Fotos der Verschwundenen sowie Fotos von Benham und Miss Peacock zu schicken.“
„Ich bin voll und ganz einverstanden“, sagte Taggart mit ehrlicher Anerkennung im Ton.
„Die Abzüge der Fotos Mrs. Ashburtons sind längst fertig“, warf Hulbert eilig hin. „Bilder von Eleanor Peacock und Captain Benham müssen erst besorgt werden. Darf ich das übernehmen?“
Taggart nickte. „Haben Sie sonst noch etwas?“, wandte er sich an Starr.
Dieser bejahte. „Ich wollte Nägel mit Köpfen machen und schickte deswegen mein Team allein zurück. Selbst fuhr ich mit dem zweiten Wagen allein nach Lynhead, um dort einiges über Waynal zu erfahren. Das Ergebnis war aber mehr als mager. Waynal scheint eine jener Typen zu sein, die der Krieg nach oben geschwemmt hat, während der Durchschnittsbürger an der Front seinen Schädel fürs Vaterland hinhielt. 1947 war Waynal ganz einfach 'da' und kaufte von einem als Nachlassverwalter eingesetzten Rechtsanwalt um einen Pappenstiel Dunster Castle. Besagter Anwalt ist 1948 gestorben, die Praxis ist eingegangen, wo sich die Akten befinden, konnte ich in der Eile nicht feststellen.“
„Dürfte im Augenblick nicht wichtig sein“, meinte Taggart. „Was um Himmelswillen nicht heißen soll, dass ich Ihre ehrlichen Bemühungen gering veranschlage. Wo haben Sie die gefundenen Patronenhülsen?“
Starr griff in die Tasche, holte einen kräftigen Umschlag heraus, öffnete ihn und ließ den Inhalt auf den Schreibtisch rollen. „Man darf sie anfassen“, meinte er erklärend dazu, „denn es gibt keine Prints.“
„Das habe ich auch gar nicht angenommen“, murmelte Taggart und betrachtete grimmig im Licht der Schreibtischlampe die Hülsen, die ihm am Abend zuvor um ein Haar zum Verhängnis geworden wären.
„Kein englisches Fabrikat“, stellte Sergeant Hulbert fest. „Und das Kaliber der dazugehörigen Geschosse dürfte zehn Millimeter übersteigen.“
„Zweifellos ...“ Taggart nickte. „Tippe auf Munition für die amerikanische Thompson-MP. Die hat, wenn ich nicht irre, Kaliber 11,2 Millimeter. Die dazugehörige Maschinenpistole haben Sie nicht zufällig auf Dunster Castle aufgespürt, Starr?“, fragte er zynisch.
„Selbstverständlich nicht! Was soll mit den Drecksdingern jetzt geschehen?“
„Das will ich Ihnen genau sagen: Lassen Sie im Zentrallabor Mikrofotos von jeder Hülse anfertigen. Abzüge davon sind an alle britischen Polizeistellen zu senden, ebenso an Interpol. Danach soll die ballistische Abteilung sich die Patronenhülsen vornehmen. Könnte doch schließlich sein, dass man aus der gleichen Waffe stammende Hülsen oder Projektile schon früher festgestellt hat. Dann kämen wir auf diese Weise weiter. Große Hoffnung habe ich freilich nicht.“
Inspector Starr packte seine Hülsen wieder ein. „Wenn Sie nichts mehr für mich haben, möchte ich mich verabschieden. War ein langer Arbeitstag heute.“
Taggart seufzte. „Immerhin haben Sie Erfolg gehabt — was ich von mir nicht behaupten kann ...“
*
„Sind Sie heute wieder mit Claire Egham verabredet, Chris?“, fragte Taggart verdächtig freundlich.
Der Sergeant verneinte entschieden. „So weit geht mein Hang fürs Dienstpersonal denn doch nicht, Sir! Außerdem sucht Claire was Solides zum Heiraten ...“
„... und da haben Sie kalte Füße bekommen?“
„Kalte Füße? — Eisbeine, Sir, Eisbeine!“
„So ist das also.“ Der Inspector amüsierte sich königlich über die Verlegenheit seines Mitarbeiters. „Falls Sie auch nichts anderes vorhaben, möchte ich Sie zum Abendessen einladen. Das 'Silver Mirror' hat einen französischen Küchenchef.“
„Es lebe Frankreich“, rief Hulbert begeistert, „zumindest, was seine Küche anbetrifft! — Tausend Dank für die ehrenvolle Einladung, Sir ...“
Obwohl der schlimmste „Rush“ des Abendverkehrs bereits vorüber war, ging es bis Clapham nur zähflüssig vorwärts. Erst auf der Straße nach Wandsworth wurde es besser, und Taggart trat kräftiger auf den Gashebel.
„Verwechseln Sie bitte den Cisitalia nicht mit einem Düsenjäger, Sir!“, bat Hulbert kläglich.
„Wird Ihnen etwa schwummerig vor den Augen?“ Taggart wandte interessiert den Kopf.
„Im Gegenteil, ich finde Ihr Tempo 'chic', Sir!“, stöhnte der Sergeant verzweifelt. — Merton, Morden und Malden flogen vorüber. In Coombe bog der Inspector auf die Straße nach Surbiton ab, fuhr einige Meilen weiter, verließ die Hauptroute und fuhr auf einem jämmerlichen Weg durch einen alten Park, an dessen Ende ein geräumiges Bauernhaus mit tief herabgezogenem, strohgedecktem Dach stand. „Silver Mirror“ stand in bläulich sprühenden Leuchtbuchstaben über dem Eingang zu lesen. Der Parkplatz gegenüber war nahezu völlig besetzt.
„Kommen Sie, Chris, ich habe einen Bärenhunger!“, drängte der Inspector seinen Adlatus zur Eile.
Das Farmhaus diente nur als Staffage, wie Hulbert erkannte, nachdem ihn Taggart über eine steile Wendeltreppe in ein unterirdisches Gewölbe geführt hatte. Dort standen klobige Tische, Stühle und Bänke, und auf den weiß gescheuerten Eichenplatten Windlichter mit schmiedeeisernen Rahmen. Eine Three-Man-Band spielte leise und überlangsam Parlez moi d'amour. Der Raum war dicht besetzt. Die Gäste schienen sich aus den Kreisen der Upper Ten zu rekrutieren. Die Herren waren zuallermeist im Frack oder Smoking erschienen, bei den Damen herrschten Abend- und Cocktailkleider vor, ein Beweis, dass sie das Lokal nur als Ausgangsbasis für nächtliche Exkursionen betrachteten.
Mit dem Gehabe eines entthronten Fürsten näherte sich der Oberkellner, um die Herren gemessen zu begrüßen.
,/n Abend, Francois!“, sagte Taggart vertraulich. „Haben Sie noch für zwei hungrige Wanderer Platz?“
„Mais oui“, erwiderte der würdige Mann, „isch immer 'abe Platz für eine gute Gast wie Sie, Monsieur Taggart!“ Er sprach den Namen des Inspectors „Dagaahr“ aus. „Eh bien, wollen die 'erren 'aben die Güte, misch zu begleiten ...?“
„Ein waschechter Pariser!“, sagte Hulbert begeistert, als sie endlich an einem versteckten Tisch im Seitenflügel Platz gefunden hatten.
„... dessen Wiege vermutlich in Soho oder Hackney stand“, grinste Taggart. „Seinen französischen Akzent verdankt er jahrelangem Training. — Ah, da kommt er ja mit der Karte. Darf ich für uns beide wählen, Chris?“
„Mit Wonne, Sir!“
Das Dinner war Gegenstand langer Verhandlungen zwischen Taggart und Francois,