So viele Killer: Vier Kriminalromane. Alfred Bekker

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So viele Killer: Vier Kriminalromane - Alfred Bekker Extra Spannung

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Kanne nebst drei dicken Tassen, Zuckerdose und Milchbüchse hereinbrachte, hatte die letzten Worte seines Vorgesetzten mitangehört und bemerkte düster:

      „Demnach heißt Samuel Sherwood jetzt Simon Suglar. Und verschwunden ist er. Den sehen wir unter Umständen niemals wieder. Die Moore von Somerset haben Platz für viele.“

      „... nicht zuletzt auch für Elga Ashburton, geborene Todd“, murmelte Playford scheu. „Hell and damnation — wenn jetzt noch jemand spurlos verschwindet, explodiere ich und beginne Zeter und Mordio zu schreien!“

      *

      Hulberts Kaffee war stark und aromatisch. Er schuf im Magen angenehme Wärme und stimulierte von dort aus die Lebensgeister und die kleinen grauen Gehirnzellen.

      Der Sergeant nahm dankend eine Zigarette aus Taggarts Etui und rauchte eine Weile gedankenverloren, bis er endlich sagte: „Ich habe im Vorzimmer alles mitbekommen, was hier gesprochen wurde. Ihre Darstellung, Sir ...“ — er nickte dem Inspector zu — „... ist meiner Meinung nach korrekt, aber nicht erschöpfend ...“

      „Nein ...?“ Der Inspector hob den Kopf.

      „... denn dazu gehörte — meiner Meinung nach — eine Analyse von Mrs. Ashburtons Persönlichkeit.“

      „Stimmt“, pflichtete ihm Taggart bei, „aber in dieser Beziehung sind wir seither mehr als schlecht bedient worden. Man hat uns immer nur Brocken hingeworfen: Elga ist entzückend, Elga ist eine gereifte Persönlichkeit, Elga liebt ihren Mann, Elga ist eine treue Ehefrau, Elga passte sich vortrefflich in den Rahmen des Hauses Ashburton ein, Elga dies und Elga jenes — und in Wirklichkeit stimmt das alles nicht, genauer gesagt, ist es nur die halbe Wahrheit. Wenn sie wirklich die absolut einwandfreie Persönlichkeit wäre, beziehungsweise gewesen wäre, als die man sie uns hinstellt, dann hätte sie nicht vierundzwanzig Monate lang heimlich, hinter dem Rücken ihres Mannes, mit J.T. in Worcester korrespondiert, sondern sich Ashburton eröffnet.“

      „Pardon, Sir, aber auch Sie sehen und erkennen nur die halbe Wahrheit“, widersprach der Sergeant bescheidenen Tones. „Rein objektiv betrachtet, haben Sie recht, aber man kann an Mrs. Elgas Verhalten nicht den Maßstab theoretischer Regulative anlegen, weil dem der schwierige Charakter ihres Mannes entgegensteht. Philip Ashburton ist nicht der Mann, dem sich eine Frau in jeder Art von Not bedingungslos anvertrauen kann, selbst dann nicht, wenn sie sich persönlich frei von jeder Schuld weiß.“

      „Ganz richtig“, rief Taggart heftig und warf seinem Adlatus einen zürnenden Blick zu, „aber das widerlegt meine Ansicht nicht, sondern bestätigt sie geradezu. Wenn bei Elga ein solcher Fall vorlag, und sie zum einen sich frei von Schuld wusste, zum anderen aber auf Hilfe und Verständnis ihres Mannes nicht rechnen konnte, dann hätte sie eben — entsprechend den Schilderungen ihres Charakters — alle Konsequenzen ziehen müssen, selbst die schmerzlichsten.“

      „Wer sagt Ihnen denn, dass sie das nicht getan hat, Sir?“, parierte der Sergeant gelassen.

      Taggart fixierte ihn entgeistert. „Mann, Mann, Sie sind wirklich ein Augentrost!“ Er griff zerstreut in die Schublade und holte einige Abzüge von Fotos heraus, die ihm Colonel Ashburton überlassen hatte, um sich zum x-ten Male hineinzuvertiefen.

      Besonders Elga Ashburtons Gesicht hatte es ihm angetan. Nicht gerade ein Gesicht, das man als bildschön hätte bezeichnen mögen, aber hübsch, gut gegliedert, mit feingeschnittenen Zügen, ohne verschwommene Konturen oder unvollkommen durchgezeichneten Linien. Es war das Willensstärke Antlitz einer an einem schweren Leben vorzeitig gereiften Frau, das auch durch harten Kampf nichts von seiner lockenden Reife und seinem hinreißenden Charme eingebüßt hatte — wenn man eine gewisse Verschlossenheit und Züge misstrauisch beobachtender Diplomatie großzügig übersah.

      „Vielleicht hilft es Ihnen, wenn ich mein Bild Elga Ashburtons zeichne“, meinte Major Playford behutsam. „Ich kenne Elga recht gut, möchte aber trotzdem nicht behaupten, dass ich ihr in allen Punkten voll gerecht werde ...“

      Das Schweigen der beiden andern als Zustimmung nehmend, fuhr er fort:

      „Elga ist entzückend, ja, das ist sie. Aber sie kann auch — freilich meist mit Berechnung — das Gegenteil dieses Begriffs verkörpern. Elga ist eine gereifte Persönlichkeit, das kann ihr niemand im Ernst abstreiten. Leider übersieht man bei derlei Feststellungen immer wieder, dass Reife — Frucht bedeutet, Erfüllung, nicht aber gleichbedeutend ist mit Güte, Wärme und Anstand. Auch die Tollkirsche und der Giftsumach werden reif.

      Elga liebt ihren Mann, mag sein. Aber ich frage Sie: Kann eine Frau einen so wenig liebenswerten Mann wie Philip Ashburton wirklich mit letzter Hingabe, bedingungslos, bis zur Aufopferung ihres Selbst lieben?

      Elga ist eine treue Ehefrau, wird nicht bestritten. Leider gibt es nicht nur edle Motive ehelicher Treue, sondern auch unedle, berechnende. Lassen Sie mich's durch eine Parabel zum Ausdruck bringen. Eine Frau ist durch das Stahlbad bitterster Not, härtester Bedrängnis, fortwährender Furcht und unaufhörlicher Unsicherheit in die Freiheit geflohen. Auch dort ist sie von Not und Unsicherheit noch nicht befreit. Sie heiratet einen Mann, der sie — materiell gesehen — mitten im Schlaraffenland Wurzeln schlagen lässt. Sie mag es tausendmal höher veranschlagen als wir, die wir nur die Freiheit kennen. Sie weiß, dass sie ein einziger Fehltritt aus diesem höchst irdischen Paradies vertreiben wird. Sie wird sich hüten, ihn zu begehen — was sie unwiderlegbar zur treuen Ehefrau stempelt ...“

      Taggart und Hulbert hatten dem Major fasziniert zugehört. Als Playford achselzuckend verstummte, fragte der Inspector behutsam:

      „Finden Sie Ihre Darstellung nicht selbst ein wenig einseitig, um den Ausdruck degoutant zu vermeiden? Sie haben uns ein plastisches Bild Elga Ashburtons gezeichnet, aber dabei hat sich der liebenswerte Engel allmählich in ein gerupftes Suppenhuhn verwandelt. Aber das mag angehen ...“ Er unterbrach sich und stellte eine Frage:

      „Darf ich indiskret werden?“

      „Sie sind es schon!“, wies ihn Playford zurecht. „Sie irren übrigens, Taggart. Aus mir spricht der geschulte Menschenbeobachter und -kenner, nicht — wie Sie zweifellos annehmen — der enttäuschte abgeblitzte Liebhaber. — Es hat auch solche gegeben, einer meiner besten Freunde befindet sich darunter. Alle sind abgeblitzt, alle, aber ich kann darin ehrlich und objektiv weniger Beweise für Elgas Tugend als vielmehr solche für — nennen wir das Kind ruhig beim richtigen Namen — ihre eiskalt und klug rechnende Vorsicht erblicken.“

      Er erhob sich abrupt und sagte schroff:

      „Schluss der Debatte, wir alle brauchen Ruhe — Sie am allermeisten, Inspector Taggart. Wir bleiben miteinander in Verbindung und werden eng zusammen arbeiten. Gute Nacht!“ —

      „Nach wem sollen wir nun suchen, Sir?“, fragte Chris Hulbert trocken, nachdem Playford gegangen war. „Nach dem charmanten Engel, den wir bisher trotz aller Vorbehalte in Elga Ashburton sahen, oder nach Major Playfords Trick-Baby?“

      „Die Wahrheit dürfte, wie zu allermeist, in der Mitte liegen“, meinte der Inspector zögernd. „Unsere Sache ist es, die Synthese zu finden. Meiner Meinung nach spielt die psychologische Seite des Falles eine dominierende Rolle. Uns mag es ein Trost sein — für Elga Ashburton bedeutet es eine ernste Gefahr. Das wird unsere Aufgabe leider bis ins Uferlose erschweren ...“

      VII

      Der Freitag begann mit einem gehörigen Tiefschlag ...

      Raymond Taggart war bereits

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