Das parallele Universum. Annemarie Lammer
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Annemarie Lammer
Das parallele Universum
Verschwörungstheorien, Psychologie und rechte Politik
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Inhaltsverzeichnis
Spezifische Verschwörungstheorien – das Coronavirus
Exkurs: Spezifisch Österreichische Verschwörungstheorien
Wer glaubt Verschwörungstheorien und warum – psychologische Aspekte
Verschwörungstheorien, Politik und rechte Ideologie
Wie kommen wir da raus? – ein Nachwort
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Quellen
Vorwort
Stammen die Kondensstreifen am Himmel von harmlosen Flugzeugen, oder handelt es sich um Chemtrails, die das Wetter oder unser Bewusstsein beeinflussen? Wird die Welt von Illuminaten, von Außerirdischen, den Freimaurern oder von allen gemeinsam regiert? Gibt es das Coronavirus, oder ist es eine Erfindung, um uns zu unterdrücken? Oder wurde es gar, als biologische Waffe, im Labor gezüchtet? Jede dieser Fragen wird gleich von mehreren Verschwörungstheorien beantwortet. Sie widersprechen nicht nur einander, sondern sind häufig auch in sich widersprüchlich.
Verschwörungstheorien werden derzeit so heftig diskutiert, wie nie zuvor. Das liegt einerseits daran, dass sie dank des Internets und der sozialen Medien leicht zugänglich geworden sind und so mehr Menschen erreichen können. Andererseits werden Verschwörungstheorien jetzt auch von denjenigen wahrgenommen, die nicht an sie glauben. Drangen die Inhalte dieser modernen Mythen früher nur in Form von Fernsehserien und Büchern an die Öffentlichkeit, kann nun jeder sehen, woran manche Menschen so glauben. Und das kann ziemlich erschütternd sein. Vor allem, wenn man beobachten muss, wie Personen, die man bisher für sehr vernünftig gehalten hat, plötzlich die verrücktesten Behauptungen aufstellen und keinen Argumenten mehr zugänglich sind. Solche Erfahrungen haben mich dazu gebracht, mich näher mit dem Thema zu beschäftigen. Wie es dazu kommt, dass Menschen an Verschwörungen glauben und unter welchen Voraussetzungen sie eher dazu neigen als andere – diesen Fragen ist ein Kapitel dieses Buches gewidmet.
Immer wieder taucht in den Diskussionen über Verschwörungstheorien die Befürchtung auf, diese könnten die Demokratie gefährden. Tatsächlich gibt es einiges, was dafür spricht, dass diese Befürchtung gerechtfertigt ist. Zum einen gibt es eine Verbindung zwischen Verschwörungsdenken und rechter Ideologie. Um die geht es im letzten Kapitel. Zum anderen ist das Ansehen der Politik in Verschwörungstheorien nicht besonders groß. Unter anderem bringt das Menschen, die ohnehin skeptisch gegenüber Politik und Demokratie sind dazu, sich für Verschwörungstheorien zu interessieren, wodurch diese Skepsis dann verstärkt wird. Die Folge davon kann ein Rückzug aus der politischen Beteiligung sein, oder der Anschluss an rechte Parteien. Auch die Unwilligkeit, andere Meinungen anzuerkennen oder auch nur darüber zu diskutieren, die unter Verschwörungstheoretiker*innen so stark verbreitet ist, bedeutet eine Verweigerung des demokratischen Austauschs. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Verurteilung der gängigen Medien. Diese werden, unabhängig von der Qualität ihrer Recherche und Berichterstattung, als Sprachrohre der Verschwörung gesehen. Damit lassen sich Gegenargumente sofort abwehren, ohne dass man darauf eingehen muss. Dieselbe Strategie wird angewandt, wenn sich Verschwörungstheoretiker*innen mit Vorwürfen von Antisemitismus und Nähe zum Rechtsradikalismus konfrontiert sehen. Diese Vorwürfe werden ebenso als Teil der Verschwörung betrachtet. Da es so sinnlos zu sein scheint, Verschwörungsgläubige von Gegenteil ihrer Behauptungen oder auch nur von deren politischer Bedenklichkeit überzeugen zu wollen, ziehen sich viele Menschen bald frustriert aus der Diskussion zurück. Übrig bleiben zwei Lager, die nicht mehr im Austausch stehen. Da viele der Debatten in sozialen Medien stattfinden, ist es besonders einfach, andere Ansichten auszublenden. Wer nicht meiner Meinung ist, wird blockiert. Interessant ist in dem Zusammenhang auch, dass es ausgerechnet Verschwörungstheoretiker*innen sind, die immer wieder die fehlende Meinungsfreiheit beklagen. Und das, obwohl sie täglich ihre Meinung über unzensierte Kanäle kundtun. Das ist einer der vielen Widersprüche an Verschwörungstheorien.
Ausschließlich die Medien als seriöse Quellen zu betrachten, die die eigene Meinung unterstützen und bestätigen, verhindert ebenso eine Diskussion wie die Möglichkeit, die eigenen Ansichten zu überdenken. Dieses Verhalten isoliert die Verschwörungsgläubigen vom Rest der Gesellschaft. Somit ist es nachvollziehbar, dass sich Sektenbeauftragte mit dem Thema Verschwörungstheorien befassen. Der Effekt auf die Betroffenen und deren Freunde und Angehörige ist ähnlich wie bei Mitgliedern einer Sekte. Verschwörungsgläubige ziehen sich häufig nicht nur medial, sondern auch aus persönlichen Kontakten mit andersdenkenden zurück. Man versteht die Welt des jeweils anderen nicht mehr. Da von Verschwörungstheorien eine Faszination ausgehen kann, verbringen viele Menschen ihre gesamte Freizeit damit, sich mit anderen Verschwörungsgläubigen auszutauschen oder neue „Beweise“ zu suchen. Die früheren Sozialkontakte können und wollen damit nichts anfangen und fühlen sich ausgeschlossen. Tatsächlich verbreiten mehrere religiöse Sekten auch Verschwörungstheorien und nutzen sie, um Mitglieder zu werben. Mittlerweile gibt es Anlaufstellen für Freunde und Angehörige von Verschwörungsgläubigen, die keinen Zugang mehr zu ihnen finden. Am Schluss dieses Buches werden einige davon genannt.
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