Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Erinnerungen aus galanter Zeit - Giacomo Casanova страница 13
»Sie dürfen den Grund nicht kennen oder müssen vielmehr so tun, als ob sie ihn nicht kennen, das ist richtig, aber Sie werden auch zugeben, daß meine Pflicht mir verbietet, Ihnen den rechten zu nennen.«
»Nun wohl. Jetzt ist alles gesagt; wenn aber Ihre Pflicht Sie nötigt, mir den Grund Ihrer veränderten Laune nicht zu sagen, so fordert sie ebenso gebieterisch, daß Sie nichts davon sehen lassen. Das Zartgefühl verpflichtet zuweilen den höflichen Mann, gewisse Gefühle, welche kompromittieren können, zu verbergen. Es ist ein Zwang, den sich der Geist auferlegen muß, aber er hat seinen Wert, da er dazu beiträgt, denjenigen, welcher sich ihn auferlegt, liebenswürdiger zu machen.«
Ein mit solcher Stärke vorgebrachtes Räsonnement ließ mich vor Scham erröten, und ich drückte meine Lippen auf ihre schöne Hand, indem ich mein Anrecht eingestand.
»Sie würden mich«, sagte ich, »es zu Ihren Füßen abbüßen sehen, wenn ich es könnte, ohne Sie bloßzustellen.«
»Sprechen wir also nicht mehr davon«, sagte sie; und gerührt von meiner raschen Reue betrachtete sie mich mit einer Miene, in welcher die Verzeihung so deutlich zu lesen war, daß ich meine Schuld nicht zu vergrößern glaubte, als ich meine Lippen von ihrer Hand wegnahm, um sie aus ihren halbgeöffneten und lachenden Mund zu drücken. Trunken von Glück ging ich von Traurigkeit zur Freude über, und dieser Übergang war so schnell, daß der Advokat während des Abendessens hundert Späße über meine Zahnschmerzen und den Spaziergang, der mich geheilt, machte. Am folgenden Tage speisten wir in Velletri und schliefen in Marino, wo wir zwei kleine Zimmer und ein sehr gutes Abendessen fanden. Ich war mit meiner liebenswürdigen Römerin so gut daran, wie ich nur wünschen konnte, obwohl ich nur ein flüchtiges, aber so wahres, so zärtliches Unterpfand empfangen. Im Wagen sagten sich unsere Augen nicht viel; da wir uns aber gegenübersaßen, so wurde die Unterhaltung der Füße mit großer Beredsamkeit zwischen uns geführt. Der Advokat hatte mir gesagt, daß er sich wegen einer geistlichen Sache nach Rom begäbe und daß er bei seiner Schwiegermutter wohnen würde, welche seine Frau zu sehen wünschte, da sie diese seit den zwei Jahren, wo sie verheiratet wären, nie gesehen hätte, und daß ihre Schwester dort zu bleiben hoffte, da sie einen Beamten an der Bank des heiligen Geistes heirate. Da ich ihre Adresse hatte und zum Besuche bei ihnen eingeladen wurde, so versprach ich, ihnen die Zeit, welche mir meine Geschäfte übrig lassen würden, zu widmen. Wir waren beim Dessert, als meine Schöne, welche meine Dose bewunderte, zu ihrem Manne sagte, daß sie wohl eine ähnliche wünschte.
»Ich werde sie dir kaufen, meine Teure.«
»Kaufen Sie diese, sagte ich, ich gebe sie Ihnen für zwanzig Unzen und Sie werden sie an den Überbringer einer Anweisung, die Sie mir ausstellen, zahlen. Ich bin«, fügte ich hinzu, »diese Summe einem Engländer schuldig, und es würde mir lieb sein, wenn ich gegen ihn quitt werden könnte.«
»Ihre Dose, Herr Abbé, ist zwanzig Unzen wert; aber ich werde sie Ihnen nur unter der Bedingung abkaufen, daß ich sie Ihnen auf der Stelle ausbezahlen darf; es würde mir lieb sein, sie in den Händen meiner Frau zu sehen, welche dadurch an Sie erinnert werden würde.«
Da seine Frau sah, daß ich diesen Vorschlag nicht annahm, sagte sie, ihr würde es nicht dar auf ankommen, mir die gewünschte Anweisung zu geben.
»Aber«, fiel der Advokat ein, »siehst Du denn nicht, daß der Engländer nur in der Phantasie existiert. Er würde nie zum Vorschein kommen, und wir würden die Dose umsonst erhalten. Mißtraue, meine Teure, diesem Abbé, er ist ein großer Betrüger.«
»Ich glaubte nicht«, sagte seine Frau, mich ansehend, »daß Betrüger so aussehen«, und ich nahm eine traurige Miene an und sagte, ich wünschte wohl, reich genug zu sein, um oft solche Betrügereien zu begehen. Wenn man verliebt ist, so genügt ein Nichts, um in Verzweiflung oder in das größte Entzücken zu versetzen. In dem Zimmer, in welchem wir zu Abend speisten, stand das eine Bett und ein zweites in einem anliegenden Alkoven ohne Tür. Die Damen wählten natürlicherweise das Kabinett, und der Advokat legte sich vor mir in das Bett, in welchem wir gemeinschaftlich schlafen sollten. Ich wünschte den Damen, sobald sie sich schlafen gelegt, eine gute Nacht; ich sah meinen Abgott und legte mich mit der Absicht nieder, die ganze Nacht zu schlafen. Aber man denke sich meinen Zorn, als ich beim Schlafengehen ein Knarren der Bretter hörte, welches einen Toten hätte erwecken können. Ich rühre mich nicht, bis mein Bettgefährte fest eingeschlafen, und sobald ein gewisses Geräusch mir anzeigt, daß er ganz unter dem Einflüsse des Morpheus steht, suche ich aus dem Bette zu entschlüpfen; aber der Lärm, welchen die geringste Bewegung macht, weckt meinen Gefährten, welcher seine Hand nach mir ausstreckt. Da er fühlt, daß ich da, schläft er wieder ein. Nach einer halben Stunde mache ich denselben Versuch, stoße aber auf dasselbe Hindernis und gebe nun den Plan ganz auf. Der Liebesgott ist der schelmischste Gott; die Widerwärtigkeiten scheinen das Element zu sein, in welchem er sich bewegt. Da aber seine Existenz von der Befriedigung derjenigen Wesen abhängt, welche ihm einen eifrigen Kultus widmen, so läßt der kleine klarsehende Blinde alles in dem Augenblicke gelingen, wo jede Hoffnung verschwunden scheint. Ich fing schon an einzuschlafen, weil ich jede Hoffnung aufgegeben hatte, als plötzlich ein gräßlicher Lärm ertönte. In der Straße fielen Flintenschüsse, durchdringendes Geschrei, man lief die Treppen herauf und hinunter, und endlich klopfte man mit heftigen Schlägen an unsre Tür. Der Advokat fragt mich erschrocken, was das sein möchte; ich spiele den Gleichgültigen und sage, da ich es nicht wissen könnte, möchte er mich schlafen lassen. Aber die erschreckten Damen baten uns, Licht zu verschaffen. Ich tue gerade nicht sehr eilig; der Advokat steht auf, um Licht zu holen; ich stehe nach ihm auf, und indem ich die Tür wieder zumachen will, schlage ich sie ein wenig zu stark zu, so daß der Drücker einspringt und ich sie nicht mehr öffnen kann, ohne den Schlüssel zu haben. Ich nähere mich den Damen, um sie zu beruhigen; ich sage, daß der Advokat bald wiederkommen würde und daß wir dann die Ursache dieses Tumults erfahren würden; aber zugleich verliere ich nicht die kostbare Zeit, sondern mache um so mehr alle nur möglichen Einleitungen, als ich durch die Schwäche des Widerstandes aufgemuntert werde. Trotz meiner Vorsicht bricht das Bett zusammen, und nun liegen wir alle drei durcheinander. Der Advokat kommt zurück und klopft; die Schwester steht auf; auf Bitten meiner liebenswürdigen Freundin tappe ich zur Tür und sage dem Advokaten, daß wir ihn ohne Schlüssel nicht einlassen könnten. Die beiden Schwestern standen hinter mir; ich strecke die Hand aus; da ich aber heftig zurückgestoßen werde, so schließe ich daraus, daß es die Schwester ist, und ich wende mich mit mehr Erfolg an die andre Seite. Als hierauf der Mann zurückgekehrt war und das Geräusch eines Schlüssels uns benachrichtigt hatte, daß die Tür sich sogleich öffnen würde eilten wir in unsere Betten. Sobald die Tür geöffnet, eilt der Advokat an das Bett der beiden erschreckten Frauen, um sie zu beruhigen, aber er bricht in lautes Lachen aus, als er sie in dem zusammengestürzten Bette begraben sieht. Er ruft mich, um sie mir zu zeigen, aber ich bin zu bescheiden, um darauf einzugehn. Hierauf erzählte er mir, daß der Lärm davon herrühre, daß eine deutsche Abteilung die spanischen Truppen überfallen, welche tiraillierend abzögen. Eine Viertelstunde später hörte man nichts mehr, und die vollkommenste Ruhe trat wieder ein. Nachdem er mir über meine unverwüstliche Ruhe ein Kompliment gemacht, legte er sich wieder nieder und schlief bald ein. Ich aber schloß kein Auge mehr, und als ich den Tag anbrechen sah, stand ich auf. Zum Frühstück kehrte ich zurück, und während wir den köstlichen Kaffee tranken, er schien mir besser zu sein als gewöhnlich, bemerkte ich, daß ihre Schwester mir schmollte. Was wollte aber der Eindruck ihrer üblen Laune gegen das Entzücken besagen, welches die fröhliche Miene und die zufriedenen Augen meiner Lucrezia durch alle meine Sinne rollen ließen! In Rom langten wir sehr früh an. In la Torre waren wir zum Frühstuck geblieben, und da der Advokat gut gelaunt war, so versetzte ich mich in dieselbe Stimmung, und unter vielen verbindlichen Reden prophezeite ich ihm die Geburt eines Sohnes, indem ich durch eine komische Wendung seine Frau dazu brachte, ihm einen solchen zu versprechen. Ich vergaß die Schwester meiner angebeteten Lucrezia nicht, und um sie gegen mich umzustimmen, sagte ich ihr so viele Artigkeiten und zeigte ihr ein so freundschaftliches Interesse,