Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova

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Erinnerungen aus galanter Zeit - Giacomo Casanova

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den Reichtum. Bellino, so hieß der Kastrat, gab den dringenden Bitten Don Sancios nach, stand vom Tische auf, setzte sich an sein Klavier und sang mit einer Engelsstimme und mit bezaubernder Grazie. Der Kastilianer hörte mit geschlossenen Augen und in einer Art Exstase zu; aber ich war weit entfernt, die Augen zu schließen, sondern bewunderte vielmehr die Bellinos, welche schwarz und feurig Funken zu schleudern schienen, von denen ich mich entzündet fühlte. Ich entdeckte an ihm mehrere Züge Lucrezias und alles an ihm ließ mich auf ein schönes Weib schließen, denn sein Mannesanzug verbarg sehr schlecht die schöne Brust; trotz der mir gemachten Mitteilung setzte ich mir daher auch in den Kopf, daß der angebliche Bellino eine verkleidete Schönheit wäre und da meine Phantasie den höchsten Schwung nahm, wurde ich ganz in ihn verliebt. Nachdem ich zwei köstliche Stunden verlebt, entfernte ich mich mit dem Kastilianer, welcher mich in mein Zimmer begleitete und mir beim Abschied sagte, er reise in der Früh, komme aber übermorgen zum Abendessen wieder zurück. Ich wünschte ihm eine glückliche Reise und sagte, wir würden uns wohl unterwegs begegnen, denn ich würde wohl übermorgen abreisen, sobald ich meinem Bankier einen Besuch abgestattet. Ich legte mich nieder, erfüllt von dem Eindrucke, den Billino auf mich gemacht; ich bedauerte, abreisen zu müssen, ohne ihm den Beweis liefern zu können, daß ich mich nicht durch eine Erdichtung habe täuschen lassen. Bei dieser Stimmung mußte ich mich sehr angenehm überrascht finden, als ich ihn am Morgen, sobald ich meine Tür geöffnet, bei mir eintreten sah. Er bot mir seinen jungen Bruder zur Bedienung während meines Aufenthaltes an. Ich willigte gern ein und schickte den Knaben sogleich Kaffee für die ganze Familie holen. Ich lasse Bellino sich auf mein Bett setzen, um ihm Schmeicheleien zu sagen und ihn als Mädchen zu behandeln, aber da kommen die beiden Schwestern und stürzen auf mich zu: das störte meine Pläne. Indes bildete das Trio vor meinen Augen ein Tableau, welches mir nicht mißfallen konnte; es war die Schönheit ohne Schminke und die naive natürliche Fröhlichkeit in drei verschiedenen Formen; sanfte Vertraulichkeit, theatralischer Charakter, hübsche Scherze und die kleinen Bologneser Grimassen, welche ich noch nicht kannte. Dies war alles reizend und geeignet, in gute Laune zu versetzen, wenn das für mich nötig gewesen wäre. Cäcilie und Marina waren zwei niedliche Rosenknöspchen, welche, um sich zu öffnen, nur den Hauch, nicht des Zephirs, sondern Amors erwarteten, und gewiß würde ich ihnen den Vorzug vor Bellino gegeben haben, wenn ich in diesem nur einen elenden Auswurf der Menschheit oder vielmehr nur ein beklagenswertes Opfer priesterlicher Grausamkeit gesehen hätte; denn trotz ihrer Jugend trugen diese beiden liebenswürdigen Mädchen auf ihrem entstehenden hübschen Busen das Bild früher Reife. Bald kam auch Petron zurück, ich gab ihm eine Zechine, um den Kaffee zu bezahlen, den Rest schenkte ich ihm, wofür er mir mit einem Kuß dankte, woran ich sofort den Buhlknaben erkannte. Ich enttäuschte ihn aber in seiner Erwartung, ohne daß er gedemütigt schien. Sobald ich imstande war, mich zu zeigen, glaubte ich der gefälligen Mutter einen guten Morgen wünschen zu müssen. Ich ging in ihr Zimmer und machte ihr Komplimente über ihre Kinder. Sie dankte mir für das Geschenk, welches ich ihrem Sohne gemacht, und begann mir ihre Not zu klagen.

      »Der Theaterunternehmer«, sagte sie, »ist ein Barbar, welcher mir für den ganzen Karneval nur fünfzig römische Taler hat geben wollen. Wir haben sie für unseren Lebensunterhalt aufgebraucht und können nun zu Fuße und bettelnd nach Bologna zurückkehren.«

      Diese Mitteilung rührte mich; ich zog aus meiner Börse einen goldenen Quadrupel und gab ihn ihr, worüber sie Tränen der Dankbarkeit weinte.

      »Ich verspreche Ihnen einen andern, Madame, für eine Mitteilung«, sagte ich; »gestehen Sie, daß Bellino ein verkleidetes hübsches Weib ist.«

      »Seien Sie überzeugt, daß er es nicht ist, aber er sieht so aus.«

      »Er hat das Aussehen und den Ton, Madame, denn ich verstehe mich darauf.«

      »Er ist so wahr ein Knabe, daß er sich hat untersuchen lassen müssen, um auf dem Theater spielen zu dürfen.«

      »Und durch wen?«

      »Durch Seine Ehrwürden den Beichtvater Monsignores des Erzbischofs.«

      »Durch einen Beichtvater?«

      »Und Sie können sich davon überzeugen, wenn Sie ihn fragen wollen.«

      »Ich werde mich nur für überzeugt halten, wenn ich ihn selbst untersucht habe.«

      »Tun Sie das, wenn er einwilligt; aber mein Gewissen gestattet mir nicht, mich dareinzumischen, denn ich kenne Ihre Absichten nicht.«

      »Es sind ganz natürliche.«

      Ich gehe auf mein Zimmer und lasse durch Petron eine Flasche Cyperwein holen. Er richtete den Auftrag aus und brachte mir von einer Dublone, welche ich ihm gegeben, sieben Zechinen zurück. Ich verteilte diese unter Bellino, Cäcilie und Marina, und bat die beiden jungen Mädchen, mich mit ihrem Bruder allein zu lassen.

      »Bellino, ich bin sicher, daß Ihre Körperbildung von der meinigen verschieden ist; meine Teure, Sie sind ein Mädchen.«

      »Ich bin ein Mann, aber ein Kastrat; man hat mich untersucht.«

      »Erlauben Sie mir, Sie zu untersuchen, und ich schenke Ihnen eine Dublone.«

      »Ich darf es nicht, denn es ist klar, daß Sie mich lieben, und die Religion verbietet mir es.«

      »Mit dem Beichtvater des Bischofs haben Sie solche Umstände nicht gemacht.«

      »Dieser war ein alter Priester, und er hat auch nur im Vorbeigehen einen Blick darauf geworfen.«

      Mit Gewalt wollte ich mich überzeugen, aber er stößt mich zurück und steht auf. Diese Hartnäckigkeit ärgert mich, denn ich hatte schon fünfzehn oder sechzehn Zechinen ausgegeben, um meine Neugier zu befriedigen. Ich setzte mich mit verdrießlicher Miene zu Tisch; aber der vortreffliche Appetit meiner jungen Gäste gab mir meine gute Laune wieder, und ich war der Ansicht, daß, genau besehen, Fröhlichkeit besser wäre als Schmollen, und in dieser Stimmung beschloß ich, mich an den beiden reizenden jüngern Schwestern schadlos zu halten, welche Spaß zu verstehen schienen. Wir saßen, Maronen essend, welche wir mit Cyperwein befeuchteten, vor einem gutem Feuer, und ich fing an, einige unschuldige Küsse zur Rechten und zur Linken zu verteilen und trieb mein Spiel, woran Cäcilie und Marina Gefallen fanden. Da Bellino lächelt, so umarme ich ihn ebenfalls, und da sein halbgeöffnetes Jabot meine Hand herauszufordern scheint, so gehe ich drauf los und dringe ohne Widerstand ein.

      »Nie hat der Meißel des Praxiteles einen so schönen Busen geschaffen! Dieses Zeichen, sage ich nun, läßt mich nicht zweifeln, daß Sie ein vollendetes Weib sind.«

      »Diesen Mangel«, sagte sie, »haben alle meinesgleichen.«

      »Nein, es ist die Vollkommenheit aller Ihresgleichen. Bellino, glaube mir, ich bin hinlänglich unterrichtet, um den unförmlichen Busen eines Kastraten von dem eines schönen Weibes unterscheiden zu können; und dieser Alabasterbusen gehört einer jungen siebzehnjährigen Schönheit.«

      Wer wüßte nicht, daß die Liebe, entflammt durch alles, was sie reizen kann, nicht eher innehält, als bis sie befriedigt ist, und daß eine errungene Gunst nur reizt, nach einer größern Gunst zu streben? Ich war auf gutem Wege, ich wollte weiter gehen und was meine Hand verzehrte, mit glühenden Küssen bedecken; aber der falsche Bellino steht auf und entflieht, als wäre er erst in diesem Augenblick das unerlaubte Vergnügen, welches ich genoß, gewahr geworden. Der Zorn verbindet sich mit der Liebe, und da ich ihn unmöglich verachten konnte, sonst hätte ich zuerst mich selbst verachten müssen, da ich das Bedürfnis fühlte, mich zu beruhigen, indem ich meine Glut befriedigte oder sie verdampfen ließ, bat ich Cäcilie, welche seine Schülerin war, mir einige neapolitanische Arien vorzusingen. Ich ging hierauf zum Bankier, wo ich meinen Wechsel auf ihn mit

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