Erinnerungen aus galanter Zeit. Giacomo Casanova
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Ihre rührenden Worte, die mit Überzeugung von ihren Lippen strömten, waren wie ein Zauber und ließen mich Tränen zärtlicher Teilnahme vergießen. Ich vermischte sie mit denen, die ihren schönen Augen entflossen, und, lebhaft ergriffen, versprach ich ihr aufrichtig, sie nicht zu verlassen. Nachdem ich midi überzeugt, daß ich wirklich in Ankona ihre wahrhafte Neigung wachgerufen, daß sie qualvoll gelitten unter den Beleidigungen, die ich ihrem Herzen durch mein Verhältnis zu ihren Schwestern zufügen mußte, faßte ich den Entschluß, sie mit meinem Schicksale zu verknüpfen, wie dieses sich auch gestalten mochte, oder mich mit dem ihrigen, denn unsere Lage war so ziemlich dieselbe, dieser Verbindung aber auch die Weihe der Gesetze und der Religion zu geben, sie förmlich zu heiraten; denn nach meinen damaligen Ideen konnte eine Heirat unsere Zärtlichkeit nur inniger machen, unsere gegenseitige Achtung nur vermehren. Da ich mir aber sagte, daß es bei meinen damaligen Verhältnissen dahin kommen könnte, daß ihr Talent mich ernähren müsse, und sie mir dann die größten Demütigungen zufügen könnte, beschloß ich, sie zu prüfen. Ich gestand ihr, nachdem ich sie gehörig auf meine Wahrhaftigkeit vorbereitet, ein, daß ich nicht reich, daß ich, wenn meine Börse geleert, nichts mehr mein eigen nennen könne, daß ich nicht von Adel, sondern von gleicher Geburt wie sie; daß kein einträgliches Talent und keine Stellung mir sichere Existenz gäbe, kurz, daß meine ganze Habe bestehe aus: Jugend, Gesundheit, Mut, etwas Geist, Ehr- und Rechtlichkeitsgefühl, und in einiger Kenntnis der guten Literatur. Außerdem sei ich der Verschwendung sehr zugeneigt. Sie antwortete darauf, daß sie mir buchstäblich glauben müsse, denn eine Ahnung habe ihr das schon vorhergesagt. Aber sie freue sich, denn nun könne sie gewiß sein, daß ich ihr Geschenk annehmen würde.
»Dies Geschenk besteht in mir, wie ich bin und mit allen meinen Fähigkeiten. Ich gebe mich dir ohne jede Bedingung hin; ich gehöre dir und werde für dich sorgen. Denke in Zukunft nur daran, mich zu lieben, aber liebe mich allein. Von diesem Augenblicke bin ich nicht mehr Bellino. Gehen wir nach Venedig, wo mein Talent uns beide ernähren wird, oder wohin du willst.«
»Ich muß nach Konstantinopel reisen.«
»Gehen wir dorthin. Wenn du mich durch Unbeständigkeit zu verlieren fürchtest, so heirate mich, und deine Anrechte an mich werden durch die Gesetze befestigt. Ich werde dich darum nicht zärtlicher lieben; aber der Name deiner Gattin wird mir angenehm sein.«
»Ich habe diese Absicht und freue mich, daß du meine Ansicht teilst. Übermorgen, und keinen Tag später, sollst du mein Gelübde in Bologna am Fuße des Altars empfangen, wie ich es hier in den Armen der Liebe ablege. Ich will, daß du mein seiest und daß wir beide durch alle nur erdenkbaren Bande vereinigt werden.«
Wir waren auf dem Gipfel des Glücks. Am folgenden Tage machten wir uns auf den Weg, und blieben zum Frühstück in Pesaro. Als wir im Begriff sind, in den Wagen zu steigen, erscheint ein Unteroffizier mit zwei Füsilieren und fragt uns nach unsern Namen und unsern Pässen. Bellino gibt den seinigen, aber ich suche vergeblich den meinigen, ich finde ihn nicht. Der Korporal befiehlt dem Postillon zu warten und stattet seinen Bericht ab. Eine Stunde darauf kehrt er mit dem Passe Bellinos und der Meldung zurück, er könne Weiterreisen, während ich zum Kommandanten geführt wurde, wo ich mich auswies, soweit ich konnte, aber zugestehen mußte, daß mein Paß verloren gegangen sei. Ich wurde nun festgehalten, bis ein Paß aus Rom wieder für mich ankäme. Ich war untröstlich, besonders Theresens wegen, welche weiterreisen mußte, und es blieb uns nur die Hoffnung, daß wir uns in zehn Tagen wiedersehn würden, um uns nicht mehr zu verlassen. Das Schicksal hat es anders gewollt. Ich war auf Sankt Maria untergebracht, wo ich bald bekannt war und frei herumspazieren konnte. Da begegnete mir eines Tags der sonderbarste Zufall meines Lebens. Es war sechs Uhr morgens. Ich ging etwa hundert Schritt von der Schildwache spazieren, als ein Offizier in meiner Nähe vom Pferde stieg, ihm den Zügel über den Hals warf und sich entfernte, um ein Bedürfnis zu verrichten. Ich bewundere die Gelehrigkeit des Pferdes, welches wie ein getreuer Diener, dem sein Herr zu warten befohlen, dastand, nähere mich ihm, ergreife ohne alle Absicht die Zügel, setze den Fuß in den Bügel und sitze nun im Sattel. Zum erstenmal in meinem Leben hatte ich ein Pferd bestiegen. Ich weiß nicht, ob ich es mit meinem Stocke oder meinem Absatze berührte, plötzlich geht das Tier mit mir durch; ich drücke es mit meinen Absätzen, und nachdem mein rechter Fuß den Steigbügel verloren und da das Pferd sich fortwährend gedrückt fühlt, so läuft es immer schneller und schneller. Der letzte vorgeschobene Posten ruft mir Halt zu; ich kann dem Befehle nicht willfahren, da das Pferd immer schneller läuft: ich höre Kugeln um mich herum pfeifen, welche meinem unfreiwilligen Gehorsam nachgeschickt werden. Endlich beim ersten vorgeschobenen Posten der Österreicher hält man mein Pferd an, und ich danke Gott, daß ich absteigen darf. Ein Husarenoffizier fragt mich, wo ich so schnell hin will, und mein Wort, welches meinen Gedanken voranläuft, antwortet ohne mein Wissen, daß ich es nur dem Fürsten Lobkowitz sagen könne, welcher die Armee befehligte und dessen Hauptquartier in Rimini war. Nachdem ich dies gesagt, befiehlt der Offizier zwei Husaren, zu