Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band. Anonym
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Prinz Ahmad saß ruhig neben seinem Weibe und spürte keine Furcht, als die Gestalt sich nahte; und als Schabbar herzutrat, fragte er Peri-Banu mit einem Blick auf ihn und sprach: ›Wer ist der Sterbliche, der dir zur Seite sitzt?‹ Versetzte sie: ›O mein Bruder, es ist mein geliebter Gatte, Prinz Ahmad, der Sohn des Sultans von Hindostan. Ich schickte dir keine Einladung zur Hochzeit, da du mit einem großen Unternehmen beschäftigt warst; jetzt aber bist du durch die Gnade des allmächtigen Allah triumphierend heimgekehrt, nachdem du deine Feinde besiegtest, und daher berief ich dich in einer Sache, die mich nahe angeht.‹ Als er diese Worte vernahm, blickte Schabbar huldvoll auf den Prinzen Ahmad und sprach: ›O meine Schwester, kann ich ihm einen Dienst erweisen?‹ Und sie versetzte: ›Sein Vater, der Sultan, wünscht glühend, dich zu sehen, und ich bitte dich, geh zu ihm und nimm den Prinzen als Führer mit.‹ Sprach er: ›Ich bin zu sofortigem Aufbruch bereit.‹ Doch sie: ›Noch nicht, o mein Bruder. Du bist ermattet von der Reise; also verschiebe deinen Besuch bei dem König bis morgen, und heute abend will ich dir alles berichten, was den Prinzen Ahmad betrifft.‹ Und als es soweit war, unterrichtete Peri-Banu ihren Bruder Schabbar über den König und seine argen Berater; doch vor allem verweilte sie bei den Übeltaten der Alten, der Hexe: wie sie den Plan entworfen hätte, dem Prinzen Ahmad zu schaden und ihn tückisch zu hindern, damit er nicht mehr in die Stadt und an den Hof ginge, und wie sie solchen Einfluß auf den König gewonnen hätte, daß er den eigenen Willen ihrem füge und immer täte, was sie ihn tun hieß. Und am nächsten Tage brachen Schabbar, der Dschinni, und Prinz Ahmad mit der Dämmerung gemeinsam auf, den Sultan zu besuchen. Und als sie die Stadttore erreicht hatten, war alles Volk, Edle wie Bürger, entsetzt ob der scheußlichen Erscheinung des Zwergen; und auf allen Seiten flohen sie voller Schrecken, flüchteten sich in die Läden und Häuser, verrammelten die Türen, schlossen die Fenster und verbargen sich. So erfüllt von Grauen war ihre Flucht, daß viele Füße im Laufen die Schuhe und Sandalen verloren, während anderen die gelösten Turbans von den Köpfen fielen. Und als die beiden sich durch die Straßen und Plätze und Märkte hin, die so verlassen waren wie die Wüste Samawah, dem Palaste näherten, gaben alle Wächter der Tore Fersengeld, als sie Schabbar erblickten, und sie entflohen, so daß niemand ihren Eintritt hinderte. Sie gingen geradenweges in die Halle des Diwan, wo der Sultan seinen Darbar abhielt, und vor ihm fanden sie eine Schar von Ministern und Beratern, großen und kleinen, wovon jeder an der seinem Rang gebührenden Stelle stand. Und auch sie entflohen, als sie Schabbar erblickten, in wildem Schreck und verbargen sich; und selbst die Leibwache hatte die Posten verlassen und dachte nicht daran, die beiden anzuhalten oder durchzulassen. Nur der Sultan saß noch regungslos auf seinem Thron, als Schabbar zu ihm trat und mit stolzer Miene und königlicher Würde rief: ›O König, du hast den Wunsch ausgesprochen, mich zu sehen; und sieh, hier bin ich. Sprich jetzt, was du von mir wünschest?‹ Der König aber gab ihm keine Antwort, sondern hielt sich nur die Hände vor die Augen, um die furchtbare Gestalt nicht anzusehen; und er wandte den Kopf und wäre gern geflohen. Schabbar aber ergrimmte ob dieser Unhöflichkeit des Sultans, und er grollte ihm in schwerem Groll, als er bedachte, daß er sich die Mühe gemacht hätte, auf den Wunsch eines solchen Feiglings zu kommen, der jetzt, da er ihn sah, gern fortgelaufen wäre. Und der Dschinni hob, ohne einen Augenblick zu zögern, die stählerne Keule, schwang sie zweimal durch die Luft und traf den Sultan, ehe Prinz Ahmad den Thron erreichen oder sich sonst irgendwie ins Mittel legen konnte, so gewaltig auf den Kopf, daß er ihm den Schädel zertrümmerte und sein Gehirn auf den Boden verspritzte. Kaum aber hatte Schabbar seinem Beleidiger ein Ende gemacht, so wandte er sich wild wider den Großvezier, der dem Sultan zur Rechten stand, und unfehlbar hätte er auch ihn erschlagen, hätte der Prinz nicht um sein Leben gebeten und gesprochen: ›Töte ihn nicht: er ist mein Freund, und nimmer hat er arges Wort wider mich gesagt. Nicht aber ist das der Fall bei den anderen, seinen Genossen.‹ Als er diese Worte hörte, fiel der wütende Schabbar zu beiden Seiten über die Minister und schlimmen Ratgeber her, das heißt, über alle, die arge Pläne wider den Prinzen Ahmad entworfen hatten: er erschlug sie einen wie alle und ließ keinen einzigen entkommen, außer denen, die entflohen waren und sich verborgen hielten. Dann trat er aus der Halle des Gerichtes auf den Hof und sprach zu dem Minister, dem der Prinz das Leben gerettet hatte: ›Höre, hier lebt eine Hexe, die meinem Bruder, dem Gatten meiner Schwester, Feindschaft nachträgt. Sorge, daß du sie alsbald herbeibringst; und ebenso den Schurken, der seines Vaters Geist mit Haß und Tücke, Neid und Eifersucht gegen ihn erfüllte, damit ich ihnen volles Maß für ihre Missetaten erteile.‹ Und der Großvezier brachte sie alle, zunächst die Hexe und dann den tückischen Minister mit seiner Schar von Schmeichlern und Gönnern, und Schabbar fällte sie den einen nach dem anderen mit seinem stählernen Knittel; und er tötete sie erbarmungslos, indem er der Hexe zurief: ›Solches ist das Ende all deiner Ränke mit dem König, und dies ist die Frucht deines Trugs und Verrats; lerne daraus, dich nicht wieder krank zu stellen!‹ Und in der Blindheit seiner Raserei hätte er auch alle Bewohner der Stadt erschlagen, aber Prinz Ahmad hinderte ihn und beruhigte ihn mit sanften und schmeichelnden Worten. Da kleidete Schabbar seinen Bruder ein in den Königsmantel, setzte ihn auf den Thron und rief ihn aus als Sultan von Hindostan. Und alles Volk, hoch wie niedrig, freute sich dieser Nachricht in höchster Freude, denn Prinz Ahmad war bei allen beliebt. Daher drängten sich denn auch die Massen herbei, den Treueid zu leisten und Geschenke und Huldigungsgaben zu bringen, und sie erhoben die Stimmen und riefen: ›Lang lebe König Ahmad!‹ Und als all das geschehen war, schickte Schabbar nach seiner Schwester Peri-Banu und machte sie unter dem Namen Schahr-Banu, d.i. Stadtherrin, zur Königin. Und nach einiger Zeit nahm er Abschied von ihr und dem König Ahmad und kehrte in seine Heimat zurück.
Da aber berief der König Ahmad seinen Bruder, den Prinzen Ali, und Nur al-Nihar, und er machte ihn zum Statthalter einer großen Stadt, die der Hauptstadt ganz nahe war, und er schickte ihn mit großem Prunk und Pomp dorthin. Und er ernannte auch einen Boten, den er zum Prinzen Husain schickte, damit er ihm Nachricht bringe von allen Geschehnissen und ihm sage: ›Ich will dich zum Herrscher jeder Hauptstadt und jeden