Kartellrecht und Ökonomie. Daniel Zimmer
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Vollkommene Konkurrenz und Allokationseffizienz. Trotz dieser zahlreichen und restriktiven Annahmen stellt die Wirtschaftstheorie weiterhin auf das Modell der vollkommenen Konkurrenz als zentralen Bezugspunkt ab, weil ein Wettbewerbsgleichgewicht eine Reihe von wünschenswerten Eigenschaften besitzt, die in den beiden Hauptsätzen der Wohlfahrtstheorie zusammengefasst werden. Der erste Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt, dass die Allokation im allgemeinen Gleichgewicht pareto-effizient ist. Alle Tauschgewinne sind ausgeschöpft und es gibt keine Möglichkeit, ein Wirtschaftssubjekt besser zu stellen, ohne gleichzeitig ein anderes schlechter zu stellen. Allerdings könnte die im Gleichgewicht realisierte Allokation jedoch sehr ungleich und aus verteilungspolitischen Erwägungen nicht akzeptabel sein. Der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie besagt nun, dass unter bestimmten Voraussetzungen durch geeignete Eingriffe, wie z.B. Umverteilungsmaßnahmen, jeder gewünschte pareto-effiziente Zustand als ein Wettbewerbsgleichgewicht erreicht werden kann.29
Die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts, wie sie von Arrow und Debreu entwickelt wurde, geht von einer festen Anzahl von Unternehmen aus, eine Annahme, die zur Beschreibung langfristiger Entwicklungen auf einem Markt häufig nicht geeignet ist. Daher wird in einem alternativen Modell unterstellt, dass eine potentiell unendliche Anzahl von Unternehmen gebildet werden kann, die in einen Markt eintreten, wenn dort positive Gewinne erwirtschaftet werden können.30 Diesen Unternehmen steht die effizienteste Produktionstechnologie zur Verfügung. Realisieren Unternehmen jedoch Verluste, werden sie den Markt verlassen. Ein langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht ist dadurch charakterisiert, dass Angebot und Nachfrage auf diesem Markt ausgeglichen sind, die Unternehmen ihren Gewinn maximieren und keine weiteren Marktein- oder Marktaustritte erfolgen. Letzteres ist dann der Fall, wenn Unternehmen weder Gewinne realisieren noch Verluste machen, d.h. jedes Unternehmen produziert im Minimum seiner Stückkosten.31 Da in den ökonomischen Kosten, den Opportunitätskosten, der kalkulatorische Unternehmerlohn und die Kapitalverzinsung bereits enthalten sind, bedeutet die Null-Gewinn-Bedingung, dass jedes Unternehmen den Normalgewinn realisiert. Weiterhin hat das langfristige Gleichgewicht die Eigenschaft, die volkswirtschaftliche Rente zu maximieren, d.h. es ist pareto-optimal.
Vollkommene Konkurrenz und Produktionseffizienz. Die einzelwirtschaftliche Produktionseffizienz ist im Modell des allgemeinen Gleichgewichts gewährleistet. Da im Arrow-Debreu-Modell die Zahl der Unternehmen kurzfristig jedoch fest gegeben ist und keine Marktein- und Marktaustritte stattfinden, ist ein Gleichgewicht mit positiven Gewinnen möglich. Langfristig jedoch werden diese positiven Gewinne durch Markteintritte verringert und es wird ein Zustand erreicht, in dem alle Unternehmen im Minimum ihrer langfristigen Stückkosten produzieren, d.h. jeweils die optimale Betriebsgröße erreicht haben. Dabei wird angenommen, dass die neu in den Markt eintretenden Unternehmen Zugang zur effizientesten Technologie haben und es keine Marktzutritts- oder Marktaustrittsschranken gibt. Aufgrund der zusätzlichen Unternehmen im Markt würde die angebotene Menge steigen und könnte, bei gegebener Nachfrage, nur zu einem geringeren Preis abgesetzt werden. Ineffiziente Unternehmen müssten den Markt verlassen, bis schließlich alle Unternehmen die effizienteste Technologie verwenden. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen der Produktivität und Marktein- und Marktaustritten konnte in einigen Untersuchungen auch empirisch bestätigt werden.32
Vollkommene Konkurrenz und dynamische Effizienz. Da es sich beim Modell des allgemeinen Gleichgewichtes um ein statisches, atemporales Modell handelt, erlaubt es keine Aussagen über dynamische Aspekte des Wirtschaftsprozesses. Selbst wenn man ein Gleichgewicht als Resultat eines nichtmodellierten Anpassungsprozesses auffasst, kann diese Theorie zur Erklärung des zeitlichen Ablaufs von Wettbewerbsprozessen nur wenig beitragen. Zwar wurden auch Versuche unternommen, die Theorie des allgemeinen Gleichgewichtes intertemporal zu formulieren, indem man Güter mit einem Zeitindex versehen hat, aber sie bleibt trotz dieser Modifikation weiterhin eine statische Theorie, denn alle Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte werden einmalig und für die gesamte Zukunft getroffen. Auch die Theorie des langfristigen Gleichgewichts ist, trotz Berücksichtigung von Marktein- und Marktaustritten, dem Gleichgewichtskonzept verhaftet. Zwar können Unternehmen den Markt betreten oder ihn verlassen, aber es werden keine Innovationen durchgeführt, keine neuen Güter auf den Markt gebracht und keine neuen Technologien entwickelt. Auch in diesem Modell vollziehen sich keine Prozesse, sondern es wird ein Zustand betrachtet, in dem keine Veränderungen mehr stattfinden.
Neben diesem methodischen Argument kann man die Frage untersuchen, ob und in welchem Maße Unternehmen bei vollkommenem Wettbewerb Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen. Dabei hat es sich als sinnvoll erwiesen, zwischen Prozess- und Produktinnovationen zu unterscheiden. Dabei handelt es sich bei ersteren um neue, kostengünstigere Herstellungsverfahren und bei letzteren um verbesserte oder neuartige Produkte. Der Anreiz, z.B. durch eine Prozessinnovation günstiger als die Konkurrenz zu produzieren, ist für ein Unternehmen auf einem Wettbewerbsmarkt groß, denn dann könnte es zumindest für einen gewissen Zeitraum deutlich höhere Gewinne realisieren oder versuchen, durch eine Unterbietung der Konkurrenten eine temporäre Monopolstellung zu erlangen.33 Bei einer Produktinnovation hätte das Unternehmen wenigstens für die Zeit des Patentschutzes eine Monopolstellung mit den entsprechenden größeren Gewinnen. Wettbewerb zwischen Unternehmen auf einem Markt mit vollkommener Konkurrenz findet also hinsichtlich der dynamischen Effizienz nicht mittels des Preises als Wettbewerbsparameter, sondern durch Innovationen statt. Dies gilt vor allem in Märkten, die durch raschen technischen Wandel gekennzeichnet sind. Allerdings erzielen Unternehmen bei vollkommenem Wettbewerb zumindest langfristig keine höheren als die Normalgewinne, d.h. es stehen ihnen oftmals keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, um in riskante Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu investieren.34 Dies legt die Vermutung nahe, dass die vollkommene Konkurrenz für die dynamische Effizienz des Wirtschafts- und Wettbewerbsprozesses nicht besonders geeignet ist.
II. Monopol
Während im Modell des allgemeinen Gleichgewichts davon ausgegangen wurde, dass sich die einzelnen Unternehmen als Preisnehmer verhalten, da sie nur einen geringen Anteil am gesamten Markt haben, ist diese Annahme bei Unternehmen, die gegenüber dem gesamten Markt eine signifikante Größe haben, nicht gerechtfertigt. So sieht sich ein Monopolist als alleiniger Anbieter eines Gutes der gesamten Marktnachfrage gegenüber. Da ein reines Monopol definitionsgemäß weder aktuellem noch potentiellem Wettbewerb ausgesetzt ist, hat es die Möglichkeit, jeden beliebigen Punkt auf der Nachfragefunktion durch eine entsprechende Preis- oder Mengenpolitik zu realisieren.35 Der Monopolist kann entweder einen bestimmten Preis für sein Produkt fordern und die Konsumenten werden dann die durch die Nachfragefunktion bei diesem Preis determinierte Menge abnehmen oder er kann eine bestimmte Menge produzieren, wobei sich auf dem Markt ein Preis derart bilden wird, dass die hergestellte Menge gerade abgesetzt werden kann.36 Anders als in einem Markt mit vollkommener Konkurrenz kann also ein Monopolist durch sein Verhalten den Marktpreis entweder direkt (durch eine Preissetzung) oder indirekt (über die hergestellte Menge) beeinflussen. Wenn er eine größere Menge seines Produktes am Markt absetzen möchte, dann kann er dies nur, wenn er bereit ist, einen geringeren Preis für sein Produkt zu akzeptieren.37 Würde er seine Herstellungsmenge reduzieren, dann könnte er dadurch den Preis in die Höhe treiben. Es stellt sich daher die Frage, welchen Preis ein Monopolist verlangen bzw. welche Menge er herstellen sollte, um seinen Gewinn zu maximieren.
Wenn der Monopolist seine Angebotsmenge erhöht, dann treten insgesamt drei Effekte auf: Erstens führt die größere Angebotsmenge aufgrund der fallenden Nachfragefunktion zu einem geringeren Preis, zweitens kann er eine größere Menge verkaufen und drittens verursacht die größere Angebotsmenge zusätzliche Kosten. Bietet der Monopolist eine weitere Einheit von seinem Produkt an, dann wird der Preis, den er für sein Produkt erzielen kann, etwas sinken, wobei der geringere Preis nicht nur für die zusätzliche, die so genannte marginale Einheit gilt, sondern auch für alle anderen, bereits hergestellten Einheiten, die so genannten inframarginalen Einheiten.38 Allerdings setzt der Monopolist auch eine zusätzliche Einheit ab. Die Erlösänderung, der Grenzerlös, setzt sich also aus dem geringeren Preis für alle Einheiten und dem