Die Elfen der Dämmerung: 3 dicke Fantasy Sagas auf 1500 Seiten. Frank Rehfeld
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Abgesehen von den Elbenkriegern, die noch schussbereit auf der Mauerkrone warteten, während ihre Pferde von anderen gehalten wurden, hatten alle bereits aufgesessen. Furcht, aber auch grimmige Entschlossenheit spiegelte sich auf den Gesichtern der Männer um Maziroc herum. Eibon hatte ihnen lediglich mitgeteilt, dass eine weitere, zahlenmäßig noch größere Armee der Damonen auf dem Weg zum Gehöft wäre, sodass sie alle wussten, dass diese Flucht ihre einzige Chance darstellte. Entweder gelang ihnen der Durchbruch, oder sie würden sterben oder in Gefangenschaft geraten, was den meisten wahrscheinlich noch als weitaus schlimmeres Schicksal erscheinen mochte.
Besonders wichtig war es, dass Maziroc die Flucht gelang. Er würde nicht mit den anderen zur Hohen Festung zurückkehren und von dort entweder nach Cavillon oder zu den freien Städten weiterreiten, um sie vor der Gefahr zu warnen und sie für vereinte Abwehrmaßnahmen um die Bereitstellung von Soldaten zu bitten. Nein, er war von Charalon mit einer anderen Mission betraut worden, die keiner der Elben übernehmen könnte, und für die er von allen menschlichen Teilnehmern an dieser Expedition am besten geeignet war.
Eskortiert von zwei Gardesoldaten, würde er nach Ravenhorst reiten, zur Heimat des Zwergenvolkes, um auch ihre Könige um Hilfe zu bitten. Jeder einzelne Zwergenkrieger stellte für eine Armee eine Bereicherung dar, doch galten die Zwerge als Eigenbrötler, die ihre Heimat nur selten verließen und den Kontakt mit anderen Völkern weitgehend mieden. Zudem schwelte schon seit Jahrhunderten gerade zwischen ihnen und den Elben ein permanenter Konflikt, deshalb hätte Eibon keinen seiner Späher als Boten schicken können, selbst wenn er von dem nur zwischen Maziroc und Charalon abgesprochenen Plan gewusst hätte.
Um was es bei diesem Streit ging, wusste wahrscheinlich schon niemand mehr genau. Gerüchten zufolge ging es um irgendwelche lange zurückliegenden Intrigen, mit deren Hilfe die Zwerge einst einen beträchtlichen Teil des Elbenwissens erbeutet hatten. Anderen Gerüchten nach sollte sich der ganze Streit irgendwann einmal daran entzündet haben, welches der beiden Völker bereits älter sei. Maziroc seinerseits vermutete ganz prosaisch, dass die Zwerge für den Geschmack der Elben einfach ein zu sinnenfreudiges, ausschweifendes Leben führten, während das Alte Volk mit seinen hohen ethischen Ansprüchen von den Zwergen als Langeweiler und halb vergeistigte Moralapostel betrachtet wurde. Fest stand jedenfalls, dass die beiden Völker aus irgendwelchen Gründen schon seit urdenkbaren Zeiten miteinander befeindet waren.
Maziroc hingegen genoss bei den Zwergen recht hohes Ansehen und hatte Ravenhorst bei seinen früheren Reisen mehrfach besucht. Wenn es irgendjemandem gelingen konnte, eine Allianz oder zumindest ein einmaliges Verteidigungsbündnis zu schmieden, an dem sich sowohl die Elben wie auch die Zwerge beteiligten, dann war er es. Allerdings wusste Maziroc auch nur zu gut, dass es keineswegs eine leichte Aufgabe werden würde, selbst wenn ihm die Flucht gelang und er die wochenlange Reise nach Ravenhorst unbeschadet hinter sich brachte.
Er wurde aus seinen Grübeleien gerissen, als Eibon das Signal zum Angriff gab. Die Elbenkrieger auf der Mauerbrüstung schossen in rasend schneller Folge ihre Pfeile auf die Ungeheuer vor dem Tor ab. Gleichzeitig lösten sie auch die beiden Katapulte aus. Zusätzlich zu den Pfeilen regnete ein tödlicher Hagel aus Felsbrocken auf die Belagerer hinab.
Die Kreaturen begannen wild zu toben und gaben dabei grauenhafte Laute von sich. Eine Mischung aus schrillem Kreischen, Brüllen, Krächzen und so vielen anderen Lauten, wie es unterschiedliche Arten von Damonen gab, erfüllte die Luft.
Die Katapulte nachzuladen, wäre zu umständlich gewesen und hätte zu viel Zeit gekostet. Stattdessen schickten die Elbenkrieger den Angreifern Pfeil auf Pfeil in blitzschneller Folge entgegen, und auch ohne es zu sehen, wusste Maziroc, dass jeder Schuss traf. Angesichts der Masse der Damonen stellten diese Ausfälle jedoch nicht viel mehr als einen Tropfen auf dem heißen Stein dar.
Eibon gab ein weiteres Signal. Nachdem sie ihre Pfeile verschossen hatten, kamen die Krieger von den Mauern herabgeeilt und schwangen sich auf ihre Pferde, während das Tor geöffnet wurde.
In einer genau festgelegten Aufstellung preschten sie ins Freie. Die Elbenkrieger ritten an der Spitze und deckten die seitlichen Flanken; die Gardesoldaten übernahmen diese Aufgabe im hinteren Teil und sicherten die Kolonne außerdem nach hinten. Auf diese Art nach allen Seiten hin geschützt, ritten Eibon, die Magier und die Vingala in ihrer Mitte, wohlweislich allerdings nicht zusammen, sondern jeder räumlich etwas von den anderen getrennt, sodass es schwieriger würde, sie alle gemeinsam gefangen zunehmen oder zu töten.
Zunächst jedoch trafen sie kaum auf Widerstand. Dies war Charalon zu verdanken, der die wichtigste Rolle bei ihrem Fluchtplan spielte. Um sich besser konzentrieren zu können, hatte er sich bereits zuvor in eine leichte Trance versetzt. Mit Hilfe seines Reifs schuf er nun die Illusion eines Ungeheuers, das sich anstelle der Reiter brüllend und schnaubend durch das geöffnete Tor ins Freie wälzte. Mit seinen schwarzen, stachelbewehrten Hornplatten, den mörderischen Krallen und Klauen an gut einem Dutzend Armen und Beinen, sowie seinem Maul voller gewaltiger Reißzähne war es den Damonen an Scheußlichkeit mindestens ebenbürtig, an Größe sogar noch um ein Mehrfaches überlegen. Ein zweites und drittes Ungeheuer folgte unmittelbar hinter dem ersten, um die gesamte Länge des Zuges unter dem Tarnbild zu verbergen.
Der Plan gelang. Selbst unter den Damonen verbreiteten die drei Bestien Angst und Schrecken. Furchtsam wichen sie vor dem so unverhofft aufgetauchten neuen Gegner zurück, machten eine breite Gasse frei. Nur einige wenige von ihnen brachten den Mut oder die Tollkühnheit auf, die Riesenbestien anzugreifen. Sie wurden von den Kriegern mit Schwertern und Lanzen abgewehrt und getötet, doch für die übrigen Damonen sah es so aus, als würden sie zu Opfern der Ungeheuer.
Einige Minuten lang begann Maziroc sogar schon Hoffnung zu schöpfen, dass es ihnen gelingen könnte, den Belagerungsring auf diese Art komplett zu durchbrechen, ohne dass es auch nur einen einzigen Toten auf ihrer Seite zu beklagen gäbe, doch diese Hoffnung war bei Weitem zu optimistisch.
Immer langsamer wurde ihr Vordringen. Teils mochte es daran liegen, dass sie sich mittlerweile so tief im Leib des Damonenheeres befanden, dass es für die Kreaturen gar nicht ohne Weiteres genügend Platz zum Zurückweichen gab. Zum Teil aber lag es auch daran, dass ihr Schrecken offenbar abnahm, denn immer häufiger und immer tollkühner stürzten sie sich nun auf ihre Gegner und brachten die Krieger vereinzelt bereits in beträchtliche Schwierigkeiten. Vielleicht lag es an den geheimnisvollen Beherrschern der Damonen, dass diese sie zu diesen Angriffen aufpeitschen.
Immerhin jedoch gelangte die gesamte Reiterkolonne dank dieser Täuschung in wesentlich kürzerer Zeit wesentlich weiter, als es anders der Fall gewesen wäre. Diesbezüglich machte sich Maziroc nichts vor. Ein Ausbruch ohne diese Unterstützung durch Charalons Reif wäre ein reines Selbstmordunterfangen gewesen.
Dann, von einem Augenblick zum nächsten, zerplatzte die Illusion.
Maziroc wusste, wie viel Kraft das Skiil von seinem Trägern für die Erschaffung und Aufrechterhaltung einer so aufwendigen Illusion forderte. Charalon musste am Ende seiner Kräfte angelangt sein. Maziroc sah, wie er ein Stück entfernt im Sattel in sich zusammen sank und vermutlich von seinem Pferd gestürzt wäre, wenn nicht einer der Soldaten rasch zugegriffen und ihn gestützt hätte.
Im gleichen Moment, in dem das Trugbild erlosch und die Damonen erkannten, dass sie nur getäuscht worden waren, stürzten sie vorwärts. Trotz aller Aufmerksamkeit wurden einige der Krieger, die das Erlöschen des magischen Feldes im Gegensatz zu Maziroc nicht hatten spüren können, von dem ungestümen Angriff überrascht, doch erholten