Die Magie von Pax. Sarah Nicola Heidner
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Ich war noch wach, als Bea die Tür zu unserem Zimmer leise öffnete und im Bad verschwand. Mit geschlossenen Augen lag ich da und lauschte dem unregelmäßigen Rauschen unseres Wasserhahns. Immer wieder musste ich an den merkwürdigen Schatten unter meinem Fenster denken, und es war weit nach Mitternacht, als ich endlich einschlief.
Das Wochenende verbrachten wir wie immer; am Samstagmorgen lagen Bea und ich bis Mittag im Bett und aßen dann in der Mensa »Frühstück«. Danach zeigte Bea mir, wie sie Gegenstände verschob und wir gingen in die Stadt. Wir achteten sorgfältig darauf, nur in der Gegend der Rotkutten zu bleiben, wofür ich Bea dankbar war. Ich konnte diese riesigen Villen der Blaukutten einfach nicht ertragen, genauso wenig wie die blauen Funken Magie, die immer durch ihre Straßen zu fliegen schienen. Nachdem Bea sich neue Kleidung gekauft hatte, zog sie mich in ein Geschäft für Kräutertränke und Elixiere. Als wir durch die kleine Tür traten, klingelte eine Glocke und mir wehten die verschiedensten Düfte entgegen. Es war dunkel im Laden, und nur ein paar im Raum verteilt stehende Kerzen erzeugten ein Dämmerlicht. Überall standen Kessel und Töpfe herum, in denen wer weiß was blubberte. Bea grinste: Sie liebte diese Läden über alles. Ehrlich gesagt konnte ich mir gut vorstellen, dass Mischer ein guter Beruf für sie wäre.
Während sie mit der Mischerin im Laden fachsimpelte, (»Fünf Jahre alte Froschschenkel aus dem Sumpfteich! Eine Schande, dass er eingegangen ist. Aber wie viel kostet denn dieses Weißbuschkraut?«) drifteten meine Gedanken zu Yu Weiß’ merkwürdigem Unterricht und der Gestalt unter meinem Fenster ab.
Irgendwann (eine gefühlte Ewigkeit später!) zupfte Bea an meinem Ärmel und zog mich aus dem Laden in das gleißende Sonnenlicht, an ihrem Arm baumelten mindestens zehn Tüten, gefüllt mit kleinen Fläschchen und verpackten Kräutern.
Am Sonntag holte Yu Weiß mich schon kurz nach dem Frühstück ab. Wir gingen wieder in den Trainingsraum, wo er mir dieses Mal alles über Knauf, Parierstange, Klinge und Fehlschärfe erklärte. Ich hatte, als wir bei der Fehlschärfe angekommen waren, schon wieder alles über den Knauf vergessen.
»Ich möchte, dass du bald einmal kämpfen übst«, sagte mein Mentor am Ende der Stunde nebenbei.
»Moment! Was soll ich machen?!« Ich hoffte, mich verhört zu haben.
»Kämpfen üben«, wiederholte Yu Weiß ruhig. »Natürlich nicht mit mir«, er gluckste leise, »dafür bin ich ein bisschen alt. Morgen wirst du jemanden kennenlernen, der mir dafür geeignet scheint. Nach dem Mittagessen baue ich hier eine Zielscheibe auf, damit du mit Pfeil und Bogen schießen kannst«, erklärte er und hängte seelenruhig das Schwert, an dem er mir die Begriffe erklärt hatte, wieder zurück an die Wand.
Ich stolperte aus dem Raum und rannte den Weg zur Mensa zurück. Okay, es war an der Zeit, mein Versprechen zu brechen. Ich musste unbedingt mit jemanden darüber reden! Beim Mittagessen wich Luis Bea aber leider nicht von der Seite, und danach kam Mentorin Quandri, um Bea schon vor Ende der Pause wieder abzuholen. Luis verdrückte sich danach schnell, ohne auch nur ein Wort mit mir gewechselt zu haben. (Woran das lag, kann man sich denken.)
Auf jeden Fall schlenderte ich nach dem Ende der Pause gerade in Richtung des riesigen Raumes mit der Statue von Armet, als mir Isabell und ihre Freunde über den Weg liefen. Also noch beschissener konnte der Tag eigentlich nicht werden.
»Na, Freaki? Bist du auf der Suche nach deiner verschwundenen Magie oder was treibt dich hier her?« Isabell strich sich mit den Fingern durch die lange, braune Mähne.
Ich schüttelte den Kopf. »Lass mich einfach durch«, sagte ich bestimmt, aber sie und ihre drei Mitläuferinnen versperrten mir den Weg.
»Du gehörst wirklich nicht auf diese Schule«, sagte eine von Isabells Freundinnen, Lindsay, abfällig und lehnte sich demonstrativ cool an die Wand. Ich verdrehte die Augen, obwohl mir jedes ihrer Worte wie ein Messer ins Herz schnitt. Keine Ahnung, warum es mich nach all den Jahren immer noch so traf.
Nach weiterem abfälligen Gekicher und Spötteleien ließen sie mich endlich durch und ich rannte die Strecke bis zum Trainingraum – zu spät kam ich natürlich trotzdem. Aber Yu Weiß saß ganz entspannt auf einer der Matten, Pfeil und Bogen lagen in seinen ruhigen Händen und er schien zu meditieren. Langsam trat ich näher und er öffnete die Augen.
»Ah, Sofia. Wie geht es dir?«
Ich versuchte, meinem Gesicht einen neutralen Ausdruck zu geben und murmelte etwas Unverständliches.
Mein Mentor runzelte die Stirn, winkte mich aber heran, um mir den Pfeil und Bogen zu zeigen, die er in den Händen hielt. Der Bogen sah schlicht aus, war aus Eichenholz gemacht und eigentlich nicht wirklich besonders. Ich nahm ihn auf Yu Weiß´ Kopfnicken hin in die Hand und maß die Entfernung zu der runden Zielscheibe, die er an die Wand gehängt hatte, mit den Augen.
»Das sind mindestens zwanzig Meter«, empörte ich mich. »Ich habe das noch nie in meinem Leben gemacht.«
»Gerade deshalb sind es ja nur zwanzig Meter«, versetzte Yu Weiß und bedeutete mir mit einer Handbewegung, es einfach einmal auszuprobieren. Ich seufzte und kam zu dem Schluss, dass Yu Weiß wirklich verrückt war (nicht, dass ich das nicht schon vorher geahnt hatte).
Ich spannte den Bogen (was sich übrings ziemlich anstrengend war – morgen würde ich Muskelkater in den Armen haben) und ließ den Pfeil los. Er schoss direkt auf die Zielscheibe zu und blieb in einem der äußersten Kreise stecken.
Yu Weiß nickte zufrieden. »Noch mal.«
Ich verbrachte den gesamten Rest der Stunde, den Pfeil abzuschießen (und wieder zur Zielscheibe zu rennen, ihn zu holen, und zurückzulaufen). Als es klingelte, hängte mein Mentor Pfeil und Bogen wieder an die Wand.
»Sei morgen bitte ausgeruht«, sagte er zum Abschied.
Kaum hatte ich mich auf mein Bett gefläzt und eine Packung Kekse aus meiner Schultasche herausgezogen, (die ich aus der Mensa stibitzt hatte) als Bea in unser Zimmer stürmte. Ich wollte ihr eigentlich das ganze Du-Darfst-Nichts-Erzählen-Weil-Ich-Dich-Im-Kämpfen-Ausbilde und der schwarzen Gestalt unter unserem meinem Fenster erzählen, aber ich kam nicht dazu. Denn gerade hatte ich den Mund aufgemacht, (obwohl ich überhaupt keine Ahnung hatte, wo ich eigentlich anfangen sollte) als Bea wütend fauchte: »Quandri kann mich mal, ernsthaft! Fünf Bücher über Heilkunst! Wozu brauche ich denn das? Rotkutten können doch sowieso keine Ärzte oder Heiler werden, nur Helfer von diesen, und mich würde Mischer viel mehr interessieren, aber Quandri hört ja nicht auf mich.« Als sie mein nachdenkliches Gesicht sah, (schließlich wusste ich immer noch nicht, wie ich Bea am besten auf die ganze Geschichte ansprechen konnte) schaute sie mich zerknirscht an. »Sorry, Sofia. Ich weiß ja, dass du das alles nicht werden kannst.« Sofort schüttelte ich den Kopf. »Darum geht es nicht«, sagte ich schnell, »vielmehr …«
»Dann ist ja gut. Auf jeden Fall muss ich zusätzlich zu den Büchern auch noch Hibispilze im Wald suchen.