Familienrecht. Stephan Meder
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8.3 Vorbildfunktion des nordischen Modells in der Weimarer Zeit
8.3.1 Scheidungsvoraussetzungen und elterliche Sorge
8.3.2 Von der Verwaltungs- und Nutznießungsgemeinschaft zur Zugewinngemeinschaft
8.3.2.1 Die Kritik am Güterrecht des BGB als Ausgangspunkt
8.3.2.3 Differenzen von Zugewinngemeinschaft und nordischem Güterrecht
8.4 Die Kritik von Theodor Kipp am schwedischen Modell des Güterrechts
9.1 „Individualisierung“ als Element gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse
9.2 „Pluralisierung“ als Folge einer fortschreitenden Individualisierung der Lebensverhältnisse
9.3 Merkmale der Geschlechtergerechtigkeit aus der Lebensverlaufsperspektive
9.4 Modernisierungsprozesse im Ehe-, Partnerschafts- und Familienrecht
9.4.2.1 Konflikt zwischen früheren und späteren Entscheidungen im Lebensverlauf
9.4.2.2 Der Standpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung
9.4.2.3 Zum Verhältnis von Gütertrennung und Gleichberechtigungsgebot
Rückumschlag
Einleitung
Der vorliegende Band vereinigt aus der Geschichte des Familienrechts Beobachtungen und Analysen, die ihre Gegenstände aus einem historischen Zeitraum von mehr als 2500 Jahren entnommen haben. Den Ausgangspunkt bildet das römische Recht, welches seinerseits auf Voraussetzungen aufbaut, die in eine noch viel ältere Zeit zurückweisen. Ziel ist es, von hier aus über das Mittelalter und die Neuzeit den Wandel der Geschlechterrollen bis zur Gegenwart zu verfolgen. Eine Station auf diesem Weg ist die Sozialform des „ganzen Hauses“, die um die Wende zum 19. Jahrhundert durch die bürgerliche Kleinfamilie abgelöst wurde. Das „ganze Haus“ beruht auf der Idee des antiken „oikos“, der sogenannten „Ökonomik“, deren Merkmal darin besteht, dass Frauen und Männer gleichermaßen erwerbswirtschaftlich tätig sind. Im Unterschied zur „bürgerlichen Familie“ kennt das „Haus“ weder eine eindeutige männliche Ernährerrolle noch eine strikte Trennung zwischen außerhäuslicher Erwerbsarbeit und privater Hausarbeit, was heute wieder zunehmend auf wissenschaftliches Interesse stößt (Halley / Rittich, 2010, 758; S. 154). Das gleiche gilt für Forderungen, welche die Frauenbewegungen verschiedener Länder zur Reform des Familienrechts im 19. Jahrhundert erhoben haben. Von der zeitgenössischen Rechtswissenschaft kaum wahrgenommen oder allenfalls belächelt, stimmt das heute geltende Recht mit diesen Forderungen weitgehend überein (6. Kapitel, S. 161 und 7. Kapitel, S. 189). Eine „Geschichte des Familienrechts“ hat also viele Facetten: „Wandel der Geschlechterrollen“, „Reformforderungen der Frauenbewegung“, „internationaler Kontext“, „ideengeschichtliche Hintergründe“, so mögen einige der Stichworte lauten, welche die folgende Darstellung leiten.
Ein zu großer Facettenreichtum könnte leicht zu einer Überforderung von Begriffen wie „Familie“ und „Familienrecht“ führen. Beide sind im
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steten Wandel, bilden keine festen Größen und zeichnen sich durch gewisse Definitionsschwächen aus, die gerade in den letzten Jahren wieder ins Bewusstsein rücken. Das vierte Buch des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt zwar den Titel „Familienrecht“. Doch wollten die Verfasser des Gesetzes den Begriff damit keineswegs festlegen. Sie waren sich darüber im Klaren, dass sie nur Teilbereiche eines Gesamtgebildes, insbesondere die personenrechtlichen Beziehungen der Eheleute, das Eltern-Kind- und das Verwandtschaftsverhältnis regeln. Weitgehend ausgeblendet bleibt dabei eine über das Privatrecht hinausweisende Dimension der Familie, die in ihrem Verhältnis zum Gemeinwesen und zum Politischen zu sehen ist.
Der Überblick über den entwicklungsgeschichtlichen Gang familienrechtlicher Beziehungen und Institutionen lehrt, dass lange Zeit gerade diese „öffentlichen“ Elemente überwogen haben. Schon Aristoteles hat bekanntlich das Verhältnis zwischen Mann und Frau als ein politisches aufgefasst. Seine Qualifikation der Herrschaft über das „ganze Haus“ (oikos) wurde noch im 19. Jahrhundert und im beginnenden 20. Jahrhundert zur Legitimation der Ungleichheit der Geschlechter in der Ehe herangezogen (S. 59). Auch Napoleon hat in der Entstehungsphase des Code civil auf die Analogie von Staat und Familie zurückgegriffen (S. 125). Im Hintergrund steht die aristotelische Polis-Definition, dass nämlich der Staat auf der „Gemeinschaft des edlen Lebens in den Haushaltungen und