Arbeitsrecht. Jean-Martin Jünger
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Hier ist nicht erforderlich, dass die „im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten“ ausschließlich auf dem Gebiet des Arbeitsrechts anzutreffen sind, es reicht aus, dass ihnen dort im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten besondere Bedeutung zukommt.[40] Unter diesen Besonderheiten versteht man beispielsweise
• | den Fixschuldcharakter der Arbeitsleistung, |
• | die Höchstpersönlichkeit der Arbeitsleistung, |
• | die fehlende Vollstreckbarkeit (§ 888 Abs. 3 ZPO) des Anspruchs auf Arbeitsleistung,[41] |
• | das besondere Bestreben nach einer schnellen Klärung und Bereinigung offener Streitpunkte.[42] |
h) Rechtsfolgen
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Liegt ein Verstoß gegen eines der Verbote der §§ 307 bis 309 BGB vor, ist die Vertragsklausel unwirksam. Der Vertrag als solcher bleibt im Übrigen wirksam, § 306 Abs. 1, Abs. 3 BGB. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf das gerade noch zulässige Maß ist abzulehnen. Dem würde der Zweck der Inhaltskontrolle, nämlich den Rechtsverkehr vor überzogenen Klauseln freizuhalten, widersprechen. Unwirksame Klauseln könnten weitgehend ohne Risiko verwendet werden, was zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen und gleichzeitig den Arbeitgeber unbillig bevorzugen würde. Eine Ausnahme von diesem Prinzip stellt der sog. Blue-Pencil-Test dar. Kann der unwirksame Teil einer Klausel mit Hilfe eines imaginären blauen Stiftes derart durch Streichung getrennt werden, dass eine weiterhin eigenständig sinnige Klausel bestehen bleibt, so handele es sich laut BAG um zwei eigenständige Klausel. In diesem Fall könne dann auch die unwirksame Klausel gestrichen werden.[43]
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Lesen Sie zur AGB-Kontrolle die lehrreiche Entscheidung des BAG bezüglich der arbeitsvertraglichen Vertragsstrafenabrede in BAGE 110, 8-27.
Etwaige Lücken im Vertrag werden durch dispositives Recht (§ 306 Abs. 2 BGB) oder ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) gefüllt.
7. Betriebliche Übung
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Der Arbeitsvertrag kann praktisch ergänzt werden durch die Grundsätze der so genannten betrieblichen Übung.
Lesenswert zur Thematik der Gleichförmigkeit: BAG NJW 2015, 3326-3328.
Betriebliche Übung nennt man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen der Arbeitnehmer schließen kann, ihm solle eine Vergünstigung oder Leistung auf Dauer eingeräumt werden.[44]
Grundsätzlich kann dabei jeder arbeitsrechtliche Gegenstand durch betriebliche Übung geregelt werden.
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Von der ganz überwiegenden Meinung wird in dem Verhalten des Arbeitgebers ein konkludentes Angebot gesehen, das durch den Arbeitnehmer stillschweigend angenommen werden kann, § 151 BGB.[45] Nicht entscheidend ist, ob der Arbeitgeber einen diesbezüglichen Verpflichtungswillen hatte. Es reicht aus, wenn der verständige Empfänger auf einen entsprechenden Verpflichtungswillen schließen kann, §§ 133, 157 BGB. Nur bei eindeutig klar unmissverständlichem Freiwilligkeitsvorbehalt kann ein verständiger Empfänger mit Rücksicht auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte nicht von einem verbindlichen Vertragsangebot ausgehen.[46]
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Ab welcher Anzahl von Leistungen der Arbeitnehmer erwarten darf, dass er auch künftig die Leistung erhält, bemisst sich nach Art und Inhalt der Leistung, Dauer und Intensität der Leistung. Handelt es sich um für den Arbeitnehmer bedeutsame Leistungen, sind an die Zahl der Wiederholungen niedrigere Anforderungen zu stellen als bei weniger bedeutsameren Leistungsinhalten.[47]
Beispiel
Zahlt der Arbeitgeber drei Jahre hintereinander vorbehaltslos eine Weihnachtsgratifikation, so hat der Arbeitnehmer in Zukunft einen Anspruch darauf.[48]
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Durch die betriebliche Übung wird ein Anspruch des Arbeitnehmers für die Zukunft begründet. Der Arbeitgeber kann sich, dem allgemeinen Vertragsrecht entsprechend, nicht mehr einseitig von seiner Verpflichtung lossagen. Lösungsmöglichkeiten sind daher nur die Änderungskündigung oder ein Änderungsvertrag.
Hinweis
Die Rechtsprechung zur sog. gegenläufigen betrieblichen Übung wurde vom BAG aufgegeben, vgl. BAG vom 18.3.2009[49] – unbedingt lesen! Nach der älteren Rechtsprechung des BAG konnte ein Arbeitgeber durch sog. gegenläufige oder negative betriebliche Übung, durch mehrmalige Nichtgewährung eines Vorteils – ohne Widerspruch des Arbeitnehmers – eine zuvor entstandene betriebliche Übung aufheben.
Will der Arbeitgeber das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern, so muss er einen entsprechenden Vorbehalt konkret zum Ausdruck bringen (Freiwilligkeitsvorbehalt[50]).
8. Gesamtzusage
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Unter einer Gesamtzusage wird die einseitige Zusage des Arbeitgebers an alle oder eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern z.B. durch Aushang, Rundschreiben oder mündliche Bekanntgabe verstanden.[51]
Wie bei der betrieblichen Übung wird hierin ein Angebot auf Ergänzung des Vertrages gesehen, welches regelmäßig durch den Arbeitnehmer stillschweigend angenommen wird, § 151 BGB.[52]
Räumt sich der Arbeitgeber bezüglich der Gesamtzusage einen wirksamen Widerrufsvorbehalt ein, kann die Gesamtzusage dann so widerrufen werden, wie sie erteilt worden ist.[53]
Anmerkungen
Wiederholen Sie hierzu die Ausführungen im Skript „Schuldrecht AT II“.
BVerfG NJW 2017, 3643.
BAG