Grundrechte. Daniela Schroeder
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1.Sachlicher Schutzbereich
a)Menschenwürde
Begriff der MenschenwürdeRn. 176
b)Relevante Fallkonstellationen
2.Persönlicher Schutzbereich
II.Eingriff in den Schutzbereich
3. Teil Freiheitsrechte › A. Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) › II. Schutzbereich
II. Schutzbereich
174
Zunächst prüfen Sie, ob der sachliche Schutzbereich und der persönliche Schutzbereich der Menschenwürde eröffnet sind.
1. Sachlicher Schutzbereich
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Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs prüfen Sie in zwei Schritten:
a) Begriff der Menschenwürde
176
Im ersten Schritt gilt es, den Begriff der Menschenwürde zu klären. Was unter dem Begriff der „Menschenwürde“ konkret zu verstehen ist, ist nicht leicht zu bestimmen. Dementsprechend schwierig ist es, den sachlichen Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG allgemein zu definieren. Es gibt verschiedene Ansätze, den sachlichen Schutzbereich zu beschreiben:[5] Positiv wird er beschrieben als der „allgemeine Eigenwert, der dem Menschen kraft seiner Persönlichkeit zukommt“.[6] Meist wird er – im Anschluss an Dürig – negativ beschrieben. Danach darf der Mensch nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht und nicht einer Behandlung ausgesetzt werden, die seine Subjektsqualität prinzipiell in Frage stellt (sog. Objektformel).[7] Gelegentlich werden diese beiden Beschreibungen auch kombiniert. Der Schutzbereich der Menschenwürde wird dann beschrieben als der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.[8] Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutzbereich der Menschenwürde in einer jüngeren Entscheidung wie folgt beschrieben: Jeder Mensch besitze als Person eine Würde ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seinen körperlichen oder geistigen Zustand, seine Leistungen und seinen sozialen Status.[9] Es verzichtet damit ebenfalls auf eine abstrakte Definition der Menschenwürde und bestimmt sie vielmehr anhand der Objektformel im konkreten Einzelfall.[10]
JURIQ-Klausurtipp
In der Fallbearbeitung sollten Sie einen Ansatz wählen, der die sog. Objektformel (mit-)enthält. So verfährt auch das Bundesverfassungsgericht . Obwohl Sie den Schutzbereich hierbei bereits vom Eingriff her bestimmen, ist ein solcher Ansatz gerade für die Fallbearbeitung praktikabel.
b) Relevante Fallkonstellationen
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Im zweiten Schritt gehen Sie der Frage nach, ob die so bestimmte Menschenwürde in Ihrer Fallbearbeitung relevant ist. Die Menschenwürde kann in vielen Konstellationen relevant werden. Hierzu gehören z.B. folgende aktuelle Fälle:[11]
• | Verletzung der körperlichen Identität oder Integrität |
Beispiele
Sog. Gefahrenabwendungsfolter: Um das Versteck einer entführten Geisel, die die Polizei noch am Leben glaubt, zu erfahren, soll der mutmaßliche Entführer unter Gewaltandrohung dazu veranlasst werden, das Versteck der Geisel preiszugeben.[12] – Sog. „wrongful birth“ bzw. „wrongful life“ bzw. „Kind als Schaden“: Die Zivilgerichte bejahen eine Schadensersatzhaftung von Ärzten, die eine fehlgeschlagene Sterilisation oder eine fehlerhafte genetische Beratung vor der Zeugung eines Kindes zu verantworten haben, gegenüber den betroffenen Eltern für entstehende Unterhaltspflichten. Zwischen den beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts ist umstritten, ob die Haftung des Arztes gegen die Menschwürde verstößt.[13] – Heimliche Vaterschaftstests.[14]
• | Verletzung der geistig-seelischen Integrität |
Beispiel
Strafrestaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe.[15]
• | fehlende Grundsicherung individuellen oder sozialen Lebens |
Beispiele
Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums;[16] menschenwürdige Ausgestaltung des Strafvollzugs.[17]
• | Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts, das nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts allein über Art. 1 Abs. 1 GG geschützt wird.[18] Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wird „der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat“, durch das postmortale Persönlichkeitsrecht gegen Äußerungen, die darauf gerichtet sind, die betroffene Person herabzusetzen bzw. verächtlich zu machen, geschützt.[19] |
• | Beeinträchtigung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung |
Beispiele
Online-Durchsuchung[20]; Anordnung einer Betreuung.[21]
• | sonstige Fallkonstellationen |
Beispiele
Schockwerbung;[22] finaler Rettungsabschuss gemäß § 14 Abs. 3 LuftSiG, sofern es um unbeteiligte Personen (Besatzung oder Passagiere) geht;[23] Verständigungen im Strafverfahren.[24]
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Beachten Sie, dass der sachliche Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG nur dann eröffnet ist, wenn die Menschenwürde in erheblicher Weise durch eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt berührt wird. Die Menschenwürde ist dementsprechend nicht tangiert, wenn es z.B. um die Zahlung einer Geldbuße im Ordnungswidrigkeitenverfahren,[25] die Leichenöffnung im Ermittlungsverfahren[26] oder den Friedhofszwang für Urnen[27] geht.
2. Persönlicher Schutzbereich
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Nach seinem Wortlaut handelt es sich bei der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG um ein Jedermann-Grundrecht. Grundrechtsberechtigt ist daher jede natürliche Person.