Kommunalrecht Bayern. Tobias Weber
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Der Kreis der örtlichen Angelegenheiten ist offen und nicht für alle Zeit feststehend. Er variiert auch von Gemeinde zu Gemeinde.[16] Die Aufgabe besteht darin, im konkreten Einzelfall festzustellen, ob die Angelegenheit örtlich oder überörtlich ist. Hiervon hängt ab, ob die Gemeinde als unterste Stufe der Gebietskörperschaften überhaupt zu deren Bewältigung aufgerufen ist. Relevant wird diese Frage überdies bei der Bestimmung des eigenen Wirkungskreises der Gemeinde (vgl. Art. 7 Abs. 1 GO). In Art. 7 Abs. 1 GO ist normiert, dass der eigene Wirkungskreis der Gemeinde alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst.
Beispiele
Wenn es in der Gemeinde zum Absturz von Gesteinsbrocken aus einer in der Mitte des Ortes aufragenden Felswand kommt, ist diese Gefahr eine streng örtlich begrenzte. Die Gemeinde nimmt insoweit eine rein ortsbezogene Aufgabe wahr, nämlich die der örtlichen Gefahrenabwehr aus Art. 6 LStVG (= Landesstraf- und Verordnungsgesetz).
Anders ist dies z.B. bei einer Maßnahme gegenüber einem frei laufenden Kampfhund. Da dieser sich auch außerhalb des Gemeindegebietes aufhalten kann und die Problematik der Kampfhundehaltung eine landesweite Problematik darstellt, ist die Aufgabe überörtlich. Da jedoch Landkreis und Bezirk in Art. 6 LStVG nicht genannt sind, ist die Gemeinde auch zur überörtlichen Gefahrenabwehr berufen.
Hinweis
Denken Sie an dieser Stelle nochmals an das Kommunalrecht als Querschnittsmaterie. Insbesondere in sicherheitsrechtlichen Klausuren ist es erforderlich zwischen örtlichen und überörtlichen Angelegenheiten zu differenzieren. Davon hängt auch die Zuordnung zum jeweiligen Wirkungskreis in Art. 7, 8 GO ab. Näheres dazu später.
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Vergessen Sie nicht, sich den Art. 83 Abs. 1 BV neben Art. 57 GO zu kommentieren. In der Bayerischen Verfassung sind hier weitere Regelungsgegenstände der örtlichen Kommunalverwaltung genannt.
Zur Lösung der entscheidenden Frage, ob eine örtliche/überörtliche Angelegenheit in Streit steht, helfen nun die Bestimmungen in Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 GO und Art. 83 Abs. 1 BV. So enthält Art. 83 Abs. 1 BV eine exemplarische, nicht abschließende Aufzählung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft.[17] Ergänzend zu Art. 83 Abs. 1 BV wird regelmäßig die vom Bundesverfassungsgericht gewählte Formulierung der örtlichen Angelegenheit herangezogen.
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Indizielle Bedeutung für die Frage, ob eine Angelegenheit als örtlich/überörtlich zu[18] qualifizieren ist, hat daneben die Größe und Struktur der jeweiligen Gemeinde. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist die Verwaltungskraft (praktische Bewältigbarkeit der Aufgaben) der Gemeinde nicht zu berücksichtigen, da ansonsten der Staat die Finanzausstattung der Gemeinde erhöhen könnte, um so deren Aufgabenspektrum zu erweitern.[19]
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Sofern Schwierigkeiten bestehen, eine Aufgabe als örtliche oder überörtliche zu qualifizieren, ist der Schwerpunkt der Maßnahme zu ermitteln.[20] Kann ein solcher nicht festgestellt werden, spricht Art. 6 Abs. 1 S. 1 GO für die Vermutung einer örtlichen Angelegenheit (aber nur, sofern gesetzlich keine andere Aufgabenzuweisung ausgesprochen ist).[21]
2. Teil Verfassungsrechtliche Positionen der kommunalen Gebietskörperschaften › B. Selbstverwaltungsrecht › V. Zuständigkeiten von Landkreis und Bezirk als überörtlichen kommunalen Gebietskörperschaften
V. Zuständigkeiten von Landkreis und Bezirk als überörtlichen kommunalen Gebietskörperschaften
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Landkreis und Bezirk (Gemeindeverbände) sind Träger der überörtlichen Aufgabenwahrnehmung. Gemäß Art. 1 LKrO sind Landkreise Gebietskörperschaften mit dem Recht, überörtliche Angelegenheiten, deren Bedeutung nicht über das Kreisgebiet hinausgeht, im Rahmen der Gesetze zu ordnen. Art. 1 BezO bestimmt, dass Bezirke Gebietskörperschaften mit dem Recht sind, überörtliche Angelegenheiten, die über die Zuständigkeit von Landkreisen und kreisfreien Städten hinausgehen, im Rahmen der Gesetze selbst zu ordnen und zu verwalten.
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Kennzeichen der Aufgaben von Landkreis und Bezirk ist damit deren Überörtlichkeit im Verhältnis zur Gemeinde.[22] Landkreis und Bezirk sind auch keine ursprünglichen Gebietskörperschaften (vgl. unterschiedlicher Wortlaut in Art. 1 GO einerseits und Art. 1 LKrO, Art. 1 BezO andererseits). Diese Einrichtungen wurden künstlich geschaffen, um einen Rechtsträger zu bilden, der die überörtlichen Angelegenheiten bewältigen kann.[23] Folglich bestimmt auch Art. 10 Abs. 2 BV, dass der eigene Wirkungskreis der Gemeindeverbände (Landkreis, Bezirk) durch die Gesetzgebung bestimmt wird. Nur die Aufgaben die qua Gesetz an Landkreis, Bezirk zugewiesen werden, sind eigene Angelegenheiten des Landkreises bzw. Bezirks. Für die Landkreise geschieht dies z.B. über die Bestimmungen in Art. 5 Abs. 1, 51 Abs. 2, Abs. 3 LKrO.
2. Teil Verfassungsrechtliche Positionen der kommunalen Gebietskörperschaften › B. Selbstverwaltungsrecht › VI. Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinde bei Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltung
VI. Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinde bei Beeinträchtigungen der kommunalen Selbstverwaltung
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Beim Rechtsschutz der Gemeinde ist zu beachten, dass die Gemeinde sich in jeder Ausgestaltung auf das Recht kommunaler Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV berufen kann. Nur dieses Recht räumt der Gemeinde eine wehrfähige Rechtsposition bzw. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) ein.
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Zu unterscheiden ist im Folgenden, gegen welchen Akt sich die Gemeinde zur Wehr setzt. Denkbare Konstellationen sind, dass die Gemeinde gegen ein formelles Bundesgesetz, ein formelles Landesgesetz, eine Rechtsverordnung oder Satzung oder auch nur gegen einen sie belastenden Verwaltungsakt vorgeht.
1. Vorgehen gegen ein (formelles) Bundesgesetz
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Das Grundgesetz sieht in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG einen besonderen verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelf für die Rüge der Verletzung kommunaler Selbstverwaltung vor, nämlich die Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG unter Berufung auf eine Verletzung kommunaler Selbstverwaltung.[24]
2. Vorgehen gegen ein (formelles) Landesgesetz
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An sich würde auch hier Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG die Möglichkeit einer kommunalen Verfassungsbeschwerde eröffnen, jedoch gilt es hier § 91 BVerfGG zu beachten, wonach die kommunale Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen ist, wenn die Gemeinde beim Landesverfassungsgericht