Familien- und Erbrecht. Ute Brenneisen
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Für die Annahme der Sittenwidrigkeit genügt allerdings ein objektiv einseitiger Vertragsinhalt nicht. Es sind vielmehr zusätzlich weitere Umstände erforderlich. Diese können sich aus der erheblichen Störung der Privatautonomie des benachteiligten Ehegatten ergeben. Subjektiv sind der mit dem Ehevertrag verfolgte Zweck und die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen.[128] Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei einer Alleinverdienerehe der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten, wenn die wirtschaftlich nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten durch die ihm gewährten Kompensationsleistungen (hier: Finanzierung einer privaten Kapitalversicherung; Übertragung einer Immobilie) ausreichend abgemildert werden.[129] Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten.[130] Die Ausnutzung einer Zwangslage kommt insbesondere bei vorsorgenden – anlässlich der Eheschließung oder in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft – geschlossenen Eheverträgen in Betracht. Die Schwangerschaft ist aber nur ein Indiz für die Unterlegenheit des benachteiligten Ehegatten bei einem evident einseitigen Ehevertrag.[131] Ein Ausgleich der Unterlegenheit kann durch die Vermögenslage, die berufliche Qualifikation und die von den Ehegatten angestrebte Aufteilung der Erwerbs- und Familienarbeit erfolgen.[132] Die Sittenwidrigkeit kann auch in der Schädigung eines Dritten liegen.[133] Das ist der Fall, wenn ein Ehegatte auf Unterhalt oder Versorgungsausgleich zu Lasten der Sozialhilfe verzichtet. Gleiches gilt, wenn ein geschiedener Ehegatte wegen den im Ehevertrag vereinbarten hohen Unterhaltszahlungen Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss.[134]
Hinweis
Die Sittenwidrigkeit eines Teils des Ehevertrags führt nach § 139 BGB zu Gesamtnichtigkeit des Vertrags. Die Gesamtnichtigkeit kann durch eine salvatorische Klausel verhindert werden.[135]
Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt.[136]
b) Ausübungskontrolle
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Ist der Ehevertrag nicht sittenwidrig, kann dennoch die Berufung auf den Ehevertrag gegen Treu und Glauben § 242 verstoßen. Anknüpfungspunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe.[137] Eine unzumutbare Lastenverteilung kommt bei einer erheblichen einvernehmlichen Abweichung von der ursprünglich geplanten und dem Vertrag zugrunde liegenden Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse in Betracht.[138]
Beispiel
Beide Ehegatten gehen im Zeitpunkt der Eheschließung und des Abschlusses des Ehevertrags davon aus, dass sie unfruchtbar sind und ihre Ehe kinderlos bleiben wird. Sie schließen in dem Ehevertrag gegenseitige Unterhaltsansprüche und damit auch den Betreuungsunterhalt aus, da sie beide berufstätig sind. Während der Ehe bekommt die Ehefrau dennoch ein Kind und gibt ihre Erwerbstätigkeit auf. Nach der Ehescheidung verlangt sie von ihrem Ehemann Betreuungsunterhalt nach § 1570. Der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt war im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags nicht sittenwidrig, da die Ehegatten davon ausgegangen sind, dass sie kinderlos bleiben. Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe ist indes die ursprünglich geplante Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, kinderlos zu bleiben, weggefallen. Die Berufung auf den Verzicht auf den Betreuungsunterhalt stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar. In diesem Fall wird die Rechtsfolge angeordnet, die den berechtigten Belangen der Ehegatten am ehesten Rechnung trägt. Hierbei erfolgt keine Beschränkung nach § 1570 auf den Notunterhalt.[139]
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Bei einem Verzicht auf den Versorgungsausgleich, der der Ausübungskontrolle nicht standhält, sind nach dem BGH[140] die ehebedingten Nachteile in der Altersvorsorge auszugleichen. Der benachteiligte Ehegatte wird so gestellt, als hätte er während der Ehe Vorsorgeanwartschaften erworben.
Nach §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 i.V.m. § 1614 ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Das gesetzliche Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt kann durch ein pactum de non petendo nicht umgangen werden.[141]
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Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle § 242 sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden; sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben.[142]
Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten noch keine (Zwangs-)Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung