Falltraining Insolvenzrecht. Josef Parzinger
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a) Aussonderungsberechtigte Gläubiger
Die erste Gruppe ist diejenige der aussonderungsberechtigten Gläubiger, §§ 47, 48 InsO:[1]
Hierzu zählen zunächst dingliche Aussonderungsansprüche. Dies sind insbesondere Eigentümer von Sachen, die sich im Besitz des Schuldners befinden. Die Gläubiger können hier die Herausgabe nach § 985 BGB verlangen, sobald das Recht zum Besitz erloschen ist.
Eine wichtige Fallgruppe sind Vorbehaltseigentümer (vgl. auch § 107 II InsO), d.h. Lieferanten, die vor der Insolvenz unter Eigentumsvorbehalt an den Schuldner geliefert haben. Wichtig zu beachten ist, dass der Vorbehaltskäufer zum Besitz berechtigt ist, solange der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Geschäfts abgelehnt hat. Für diese Entscheidung wird dem Insolvenzverwalter eine Zeit bis nach dem Berichtstermin eingeräumt. So kann er das betriebsnotwendige Vermögen zunächst erhalten und den Betrieb fortführen (§ 107 II 1 InsO).
Daneben gibt es schuldrechtliche Aussonderungsansprüche. Sie umfassen die „persönlichen“ (schuldrechtlichen) Rückgabeansprüche beispielsweise des Vermieters nach § 546 InsO oder des Verleihers nach § 604 I BGB.
Die aussonderungsberechtigten Gläubiger können die Gegenstände aus der Insolvenzmasse herausverlangen. Im Eröffnungsverfahren kann das Gericht als Sicherungsmaßnahme (§ 21 I, II 1 Nr. 5 InsO) anordnen, dass die entsprechenden Gegenstände vorerst nicht ausgesondert werden dürfen. Auf diese Weise soll die Fortführung des Unternehmens ermöglicht werden. Ein dadurch entstehender Wertverlust ist dem Gläubiger zu ersetzen.
Die entsprechende Vorschrift in der Einzelzwangsvollstreckung ist § 771 ZPO.
Anmerkungen
Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 94, 207 ff.; Gleußner, Insolvenzrecht, 2015, Rn. 14 ff.
b) Absonderungsberechtigte Gläubiger, §§ 49 bis 52 InsO
Die meisten Sicherungsnehmer sind absonderungsberechtigte Gläubiger.[1] Wichtige Beispielsfälle sind die Sicherungsübereignung und Sicherungsabtretung (vgl. § 51 Nr. 1 InsO). Hintergrund: Der Sicherungsnehmer erhält zwar Volleigentum am Sicherungsgegenstand. Dies ist notwendig, da das deutsche Recht kein rechtsgeschäftliches besitzloses Pfandrecht vorsieht (Faustpfandrecht, § 1205 BGB).[2] Wirtschaftlich gesehen steht das Sicherungseigentum aufgrund der Sicherungsvereinbarung jedoch einem besitzlosen Pfandrecht gleich.[3]
Personalsicherheiten, wie die Bürgschaft, die Garantie oder ein Patronat führen in der Insolvenz des Sicherungsgebers lediglich zu einer Insolvenzforderung. Die Sicherheit für den Gläubiger, sein Geld zurückzuerhalten, liegt in dem Umstand begründet, dass er einen zusätzlichen Schuldner erhält (Bürgen, Garanten, Patron).
Gemäß § 50 I InsO darf der Sicherungsnehmer auch seine Zinsen befriedigen.
Die freihändige Verwertung beweglicher Sachen erfolgt durch den Insolvenzverwalter, soweit er die Sachen in seinem Besitz hat (§ 166 I InsO). Anschließend kehrt der den Erlös, abzüglich eines Kostenbeitrags von 9 % (§§ 170, 171 InsO),[4] an den Gläubiger aus. Anders verhält es sich für unbewegliche Gegenstände (§ 49 InsO). Sie werden durch den Sicherungsnehmer oder den Insolvenzverwalter nach dem ZVG verwertet.[5]
Auch zur Sicherheit abgetretene Forderungen kann der Insolvenzverwalter einziehen, § 166 II InsO. Hier müssen Sie aufpassen: § 166 II InsO erfasst vom nicht zur Sicherheit verpfändete Forderungen; diese kann der Sicherungsnehmer einziehen.
§ 166 II InsO erfasst zudem nicht zur Sicherheit abgetretene oder verpfändete Rechte, wie insbesondere zur Sicherheit abgetretene oder verpfändete Gesellschaftsanteile, die aufgrund der Möglichkeit „über“ der Gesellschaft „abzuschneiden“ und den Geschäftsbetrieb selbst nicht zu beeinträchtigen, ein sehr wertvolles Sicherungsrecht darstellen.[6]
Im Eröffnungsverfahren kann das Gericht als Sicherungsmaßnahme (§ 21 I, II 1 Nr. 5 InsO) anordnen, dass die entsprechenden Gegenstände nicht durch die Gläubiger verwertet werden dürfen. Ein durch die Nutzung der Gegenstände entstehender Wertverlust ist dem Gläubiger zu ersetzen.
Soweit die Erlöse aus der Verwertung des Sicherungsguts nicht ausreichen, um den Gläubiger zu befriedigen, nimmt er als Insolvenzgläubiger im Rang des § 38 InsO am Verfahren teil, §§ 52, 190 InsO.[7]
Anmerkungen
Vgl. Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 238 ff.
Die gesetzlichen Einbringungspfandrechte des Vermieters oder Gastwirtes sind besitzlose Pfandrechte. Anstelle des Besitzes wird an die Einbringung der Sache angeknüpft.
§ 51 Nr. 1 InsO gibt damit ein Argument, Sicherungseigentum nicht als Drittrecht im Sinn des § 771 I ZPO zu betrachten. Gegenargument: rechtliches Eigentum.
Häufig wird vertraglich ein höherer Kostenbeitrag vereinbart.
Gleußner, Insolvenzrecht, 2015, Rn. 55-57; Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, 11. Aufl. 2018, Rn. 459.
Der BGH, NZI 2016, 2, hat indiziert, dass der Insolvenzverwalter das Verwertungsrecht innehaben könnte, wenn die Anteile der wirtschaftlichen Einheit des Schuldnerunternehmens zuzurechnen sind.
Gleußner, Insolvenzrecht, 2015, Rn. 58.
c) Massegläubiger, §§ 53 bis 55 InsO
Zu den Masseverbindlichkeiten zählen unter anderem die Kosten des Insolvenzverfahrens (insbesondere die Vergütung des Insolvenzverwalters) und die Verbindlichkeiten, die der Insolvenzverwalter eingegangen ist.[1] Damit soll, zum Beispiel für Lieferanten, ein Anreiz geschaffen werden, mit dem Verwalter zu kontrahieren. Auf diese Weise wird die (einstweilige) Fortführung des Geschäftsbetriebs ermöglicht.
Die Massegläubiger haben damit eine relativ gute Position und können häufig mit der vollen Befriedigung ihrer Forderung rechnen.
Anmerkungen
Vgl.