Zeuge und Aussagepsychologie. Gabriele Jansen
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Volbert[72] gibt eine grobe Orientierung nach Altersangaben (unter 4, 4-5 und ab 6 Jahre) zur Beurteilung der Aussagetüchtigkeit.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 2. Aufgabe und Zielsetzung aussagepsychologischer Begutachtung
2. Aufgabe und Zielsetzung aussagepsychologischer Begutachtung
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In der gerichtlichen Fragestellung geht es bei der aussagepsychologischen Begutachtung um die Erlebnisfundiertheit der Aussage.
Aufgabe und Zielsetzung psychologischer Begutachtungen zur Glaubhaftigkeit von Aussagen – vgl. Greuel[73] – „kann aus Sicht der empirischen Wissenschaft immer nur darin bestehen, Wahrscheinlichkeitsaussagen darüber zu treffen, ob und ggf. inwieweit eine Aussage einem subjektiven Erlebnis in der Wachwirklichkeit entspricht bzw. mit diesem korrespondiert“.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 3. Methodisches Prüfkonzept
a) (Nicht) erlebnisbezogene Aussage[75]
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Der Aussagepsychologe spricht nicht von „wahrer“ oder „unwahrer“, sondern von erlebnisbezogener oder nicht erlebnisbezogener Aussage.
Die erlebnisbezogene Aussage entspricht der „wahren Aussage“. Der Zeuge spricht über etwas, was er tatsächlich erlebt hat.
Die nicht erlebnisbezogene Aussage entspricht der „unwahren Aussage“. Hier irrt der Zeuge, er spricht über etwas, was er nicht bzw. so nicht oder in anderem Zusammenhang als dem geäußerten erlebt hat.
Bei der nicht erlebnisbezogenen Aussage hat sich der Zeuge die Aussage komplett oder teilweise ausgedacht (Lüge) oder der Inhalt der Aussage ist ihm von einem anderen suggeriert worden (Fremdsuggestion) oder er hat ihn sich selbst „eingeredet“ (Autosuggestion). Bei suggerierten Aussagen geht der Zeuge subjektiv – fehlerhaft – davon aus, dass das Ereignis stattgefunden hat.
b) Hypothesengeleitete Begutachtung
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Um herauszufinden, ob die Aussage des Zeugen erlebnisbezogen ist oder nicht, bildet der Aussagepsychologe verschiedene Hypothesen. Ausgangshypothese ist die sog. Nullhypothese: die Aussage hat keinen Erlebnisbezug. Hierzu bildet er Spezifizierungen, er sucht – dem Sachverhalt nach – nach naheliegenden Begründungen für den fehlenden Erlebnisbezug: „die Aussage hat keinen Erlebnisbezug, weil …“.
Erklärungen für den mangelnden Erlebnisbezug können z. B. darin bestehen, dass die Aussage ganz oder in wesentlichen Teilen erlogen ist, oder dass sie dem Zeugen suggeriert wurde oder er sie sich selbst eingeredet hat. Vielfach wird es auch vorkommen, dass Zeugen zunächst lügen und sich die Lüge dann so lange einreden, bis sie selbst von dem erlogenen Sachverhalt überzeugt sind (Verlauf der bewussten zur autosuggestiven Falschaussage[76]).
Die jeweilige Prüfung unterliegt unterschiedlichen Prüfkriterien. So kann z. B. die Realkennzeichenanalyse nicht zwischen erlebnisbezogenen und suggerierten Aussagen unterscheiden. Hierbei kommt es entscheidend auf die Analyse der Aussageentstehung und -entwicklung an. Die Realkennzeichenanalyse findet – neben der Motivationsanalyse – bei der Unterscheidung zwischen einer erlebnisbezogenen und einer ausgedachten, also bewusst falschen Aussage, Anwendung[77].
c) Psychologische Glaubhaftigkeitsprüfung
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Die psychologische Glaubhaftigkeitsprüfung von Zeugenaussagen ist nach dem heutigen Stand der theoretischen Entwicklungen und der empirisch-psychologischen Forschung, wie sie auch der BGH in der Grundsatzentscheidung aufgreift, im Wesentlichen unter den folgenden Aspekten vorzunehmen:[78]
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• | Hinsichtlich der Aussagevalidität Dazu gehören Merkmale und Bedingungen der Aussagesituationen, die die Zuverlässigkeit und Qualität der Aussage beeinflussen können („Fehlerquellenanalyse“), wie die Entstehung (Genese) und die weitere Entwicklung der Aussage sowie unter Umständen eine Analyse der „Motivationslage“ in Bezug auf die (Erst-)Aussage. |
• | Hinsichtlich der Aussagequalität Die konkrete(n) vorliegende(n) Aussage(n) selbst sind schließlich hinsichtlich solcher Merkmale zu untersuchen, in denen sich erlebnisbegründete Aussagen systematisch von solchen unterscheiden, denen kein selbsterlebtes Ereignis zugrunde liegt (sogenannte „Glaubhaftigkeitskriterien“ oder „Realkennzeichen“). Dabei ist die Aussage- und Erfindungskompetenz zu beachten. Dazu gehören solche Merkmale, die sich auf aussagepsychologische Besonderheiten des Zeugen beziehen[79]. |
Ausführliche Erläuterungen finden sich z. B. bei Greuel et al.[80], Steller[81], Steller/Volbert[82], Köhnken[83] und Volbert[84]; siehe auch die Ausführungen im Teil 3 (Rn. 297 ff.).
Eine Einführung in den „psychologischen Forschungsprozess“ findet man bei Gerrig/Zimbardo Psychologie, 18. A., 2008, S. 26.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 4. Aufzeichnung der Originalaussage
4. Aufzeichnung der Originalaussage
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Leider regelt der Gesetzgeber die Tonbandaufzeichnung der Vernehmung nicht gesetzlich verbindlich. Aussagepsychologisch kommt es entscheidend auf die Originalaussage an. Sie ist aber nur dann zu überprüfen, wenn die Fragen und Antworten überprüfbar sind.
In Verfahren, in denen Aussage gegen Aussage steht, und es oftmals mangels sog. „objektiver“ Beweismittel allein auf die Belastungsaussage ankommt, sollte der Gesetzgeber die Tonbandaufzeichnung der gesamten Aussage zur Pflicht machen. Die Aufzeichnung des Explorationsgesprächs entspricht weltweitem Standard, dahinter sollten Ermittlungsbehörden nicht zurückstehen.
Teil 1 Zeugenaussage › I › 5. BGH-Rechtsprechung zu aussagepsychologischen Gutachten
a) BGH 1954
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1954 entschied der BGH[85]: „Der Grund, weshalb zur Prüfung der Glaubwürdigkeit von Kinderaussagen öfter Sachverständige hinzugezogen werden müssen, liegt darin, daß die Frage, ob ein Kind glaubwürdig ist, sich schwerer beurteilen läßt, als dieselbe Frage beim erwachsenen