Über den "tatsächlichen Zusammenhang" im Bankrottstrafrecht. Alexandra Windsberger
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Das Erfordernis eines „tatsächlichen Zusammenhangs“ entstammt einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1881.[6] Gegenstand der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum „tatsächlichen Zusammenhang“ waren die §§ 209 ff. KO in der Fassung vom 10.2.1877:
§ 209 KO: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrüglichen Bankerutts mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht, ihre Gläubiger zu benachteiligen, 1. Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben, 2. Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder aufgestellt haben, welche ganz oder teilweise erdichtet sind, 3. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder 4. ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben, dass dieselben keine Übersicht des Vermögenszustandes gewähren.[7]
§ 210 KO: Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie 1. durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waren oder Börsenpapieren übermäßige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, 2. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben verheimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, dass sie keine Übersicht ihres Vermögenszustandes gewähren, oder 3. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen.[8]
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Die Konkursordnung in der Fassung vom 10.2.1877 basierte größtenteils auf den konkursstrafrechtlichen Bestimmungen des code de commerce, den reichsgesetzlichen Bestimmungen des 19. Jahrhunderts, mithin den §§ 259 ff. des Preußischen StGBs sowie den §§ 281 ff. des StGBs für das deutsche Reich.[9] Die erste Konkursordnung regelte, wie bei gleichzeitigem Andrängen mehrerer Gläubiger gegen einen insolventen Schuldner zu verfahren war.[10] In drei Büchern regelte die Konkursordnung das materielle Konkursrecht, das Konkursverfahren und im dritten Buch die Strafbestimmungen.[11] Die erste Reform des Konkursrechts von 1898 verlagerte die konkursstrafrechtlichen Bestimmungen von §§ 209 ff. auf die §§ 239 ff. KO, ohne relevante inhaltliche Änderungen vorzunehmen. Der Tatbestand des betrügerischen Bankrotts gemäß § 239 KO n.F. war mit § 209 KO a.F. identisch.[12] Lediglich der Anwendungsbereich des einfachen Bankrotts (§ 210 a.F./§ 240 n.F. KO) wurde um eine Nummer erweitert:
§ 240 KO: „Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängnis bestraft, wenn sie (...) 2. in der Absicht, die Eröffnung des Konkursverfahrens hinauszuschieben, Waren oder Wertpapiere auf Kredit entnommen und diese Gegenstände erheblich unter dem Werte in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst weggegeben haben (...).“
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Unabhängig davon, ob es sich um einen betrügerischen oder um einen einfachen Fall des Bankrotts handelte, war eine Bestrafung nach den §§ 209 ff./§§ 240 ff. KO stets an zwei kumulative Voraussetzungen geknüpft:
1.) | Einerseits die schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige) Vornahme einer der beschriebenen wirtschaftswidrigen Handlungen (Bankrotthandlungen). |
2.) | Und andererseits die Tatsache, dass der Täter ein „Schuldner“ ist, welcher „seine Zahlungen eingestellt hat, oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist“.[13] |
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Gegenstand der Rechtsprechung zum „tatsächlichen Zusammenhang“ war in erster Linie der Tatbestand des „einfachen Bankrotts“, da die besondere Gläubigerbenachteiligungsabsicht im Rahmen des betrügerischen Bankrotts in der Regel nicht nachzuweisen war. Schwierigkeiten bereitete im Rahmen des „einfachen Bankrotts“ die Frage, ob bereits die Koexistenz der oben genannten Merkmale – „Bankrotthandlung“ und „Relativsatz“ – genügte, um den Täter wegen Bankrotts zu bestrafen oder aber eine Beziehung beider Merkmale zueinander erforderlich war.
1. Die „Bankrotthandlung“
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Basis des Bankrottdelikts im Sinne der §§ 209 ff. KO waren eine Reihe bestimmter Bankrotthandlungen.[14] Die Normierung einzelner Handlungen folgte der Konzeption der Konkursdelikte des code de commerce.[15] Die darin geschaffenen Regelungen zum französischen Insolvenzstrafrecht konnten in der Folgezeit erheblichen Einfluss auf die Rechtsentwicklung in Deutschland gewinnen und galten als Vorbild für die Konkursstrafbestimmungen.[16] Bestraft wurden Kaufleute, die ihre Zahlungen einstellten, aus zwei Gründen: wegen „banqueroute simple“[17] und „banqueroute frauduleuse“[18]. Wegen „banqueroute simple“ war strafbar, wer sich in einer der im Gesetz beschriebenen Situationen befand[19]: also wer „übermäßige häusliche Ausgaben“[20] machte, wer beim Glücksspiel oder bei Börsenspekulationen große Summen verbrauchte[21], wer Waren verschleudert hat[22] oder Handelsbücher nicht führte[23]. Nach Ansicht der französischen Gesetzgebung lag in diesen einzelnen Handlungen „oftmals“ die Ursache des Konkurses.[24] Für die Beurteilung der Strafbarkeit genügte mithin das Vorliegen einer der normierten Handlungen, von der sodann auf einen strafbaren Bankrott geschlossen wurde[25], weshalb die Handlungen zu Recht als „Präsumtionen des Verbrechens“ interpretiert wurden.[26] Die 1. Konkursordnung übernahm diese Normkonzeption des code de commerce im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, währenddessen sich ohnehin ein Übergang vom liberalen formalisierten Strafrecht hin zu einem Strafrecht als Steuerungselement für Wirtschaftsabläufe vollzog, was allgemein zu einer deutlichen Expansion des Nebenstrafrechts führte.[27]
2. Der Relativsatz „Schuldner, welche (...)“
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Eine Bestrafung der aufgeführten Bankrotthandlung hing zusätzlich davon ab, ob die Tatsache der „Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung“ in der Person des Schuldners eingetreten war.[28] Auch die Beibehaltung des Relativsatzes folgte Art. 585 ff. des code de commerce, wonach ausschließlich „le commercant failli“ wegen Bankrotts zu bestrafen war.[29] Für einen strafbaren „banqueroute simple“ musste der Kaufmann die Tathandlung nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit („cessation des paiements“) vornehmen[30], es sei denn ihm gelang zwischenzeitlich die Überwindung seiner Zahlungsunfähigkeit.[31]
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Die Auslegung und Anwendung des so konzipierten Bankrotttatbestandes[32] bereitete der Rechtspraxis in Deutschland in der Folgezeit jedoch erhebliche Schwierigkeiten.[33] Wollte man den Relativsatz in die Kategorie der typischerweise bei Sonderdelikten vorkommenden besonderen persönlichen Merkmale einordnen[34], nötigte dies zu dem Schluss, dass im Hinblick auf den Eintritt des Konkurses zumindest Vorhersehbarkeit hätte verlangt werden müssen, was de facto ausgeschlossen war. Daher interpretierten manche die Zahlungseinstellung lediglich als „den Umstand, von dessen Vorhandensein die Anwendung der Vorschriften des vorliegenden Abschnitts“ abhänge[35], ohne dass die Zahlungseinstellung durch die beschriebenen Tathandlungen hätte herbeigeführt werden müssen.[36] Die Gegenansicht sah den Schwerpunkt des Unrechts gerade in der Zahlungseinstellung[37], da erst in diesem Moment eine Gefahr für die Konkursgläubiger entstehe. Vereinzelt wurde vertreten, dass es sich „lediglich um ein Anzeichen des eigentlich vorausgesetzten Merkmals der Zahlungsunfähigkeit“ handele.[38] Die Bedeutung des Relativsatzes und