Über den "tatsächlichen Zusammenhang" im Bankrottstrafrecht. Alexandra Windsberger
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3. Das Verhältnis zwischen Bankrotthandlung und Konkurs?
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Demgegenüber bestand Einigkeit, dass zwischen Bankrotthandlung und Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung jedenfalls kein Kausalzusammenhang [39] erforderlich war, was sich bereits aus dem Wortlaut der Norm[40] und der historischen Entwicklung[41] ergeben sollte. Die französische Gesetzgebung verzichtete auf einen Kausalzusammenhang und einen Verschuldensnachweis im Hinblick auf den Konkurs[42], was gleichsam die konzeptionelle Besonderheit der Strafbestimmungen des code de commerce gegenüber denen der Reichspolizeiordnungen war.[43] Die „Schuldfrage“ im Strafrecht wurde von der französischen Gesetzgebung als verfahrensrechtliches Problem angesehen, weshalb Napoleon einer Konzeption der Konkursdelikte folgte, die bereits in den Stadtrechten des 13. und 14. Jahrhunderts vorherrschend war. Zu dieser Zeit wurde bereits auf Grund äußerer Merkmale – im Rahmen des Bankrotts die „Flucht des zahlungsunfähigen Schuldners“ – auf die Strafbarkeit des Täters „geschlossen“.[44] War der Kaufmann flüchtig, so unterstellte man, dass es sich um einen selbstverschuldeten Konkurs und kriminelles Verhalten handelte[45], was belegt, dass strafrechtliche Schuld eine bloße Vermutung war. Zu Beginn des Jahrhunderts, insbesondere durch die Reichspolizeiordnungen von 1548, vollzog sich eine erste Wende im Hinblick auf die „Schuldfrage“.[46] Die Strafbarkeit wegen Bankrotts hing erstmals von der Frage ab, ob und inwieweit der Schuldner seinen Konkurs tatsächlich verursachte und verschuldete.[47] Dem Rechtsgefühl der damaligen Zeit entsprach es, nur den „verdorbenen“[48], betrügerischen, ganz und gar nicht ehrbaren Kaufmann, der seinen Ruin gezielt herbeiführte, um daraus ein Geschäft zu machen, zu bestrafen und nicht denjenigen, der zufällig oder unverschuldet durch Krieg, Unglück oder Naturkatastrophe in Konkurs geriet.[49] Dem folgte auch das von Friedrich des Großen in Auftrag gegebene Preußische Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794[50], wonach gemäß § 1479 „Kaufleute, welche durch Unglücksfälle zu zahlen unvermögend geworden sind“, nicht der Bestrafung wegen Bankrotts unterworfen wurden.[51] Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hat sich mehr und mehr die auf das Menschenbild der Aufklärung zurückgehende Rechtsauffassung durchgesetzt[52], dass schuldlos Handelnde, also auch unwillentlich in Konkurs geratene Kaufleute, kein strafbedürftiges Unrecht verwirklichen.
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Einem anderen Verständnis von „Gerechtigkeit“ folgte die französische Gesetzgebung durch Napoleon[53] nachdem zahlreiche große „Fallimente“ französischer Unternehmen einen überaus schädlichen Einfluss auf die Volkswirtschaft und das gesellschaftliche Miteinander Frankreichs hatten.[54] Die Tatsache, dass 1805 eine große französische Handelskette mit 30 Millionen Passiven ihre Zahlungen einstellte und trotzdem weiterhin enormen Aufwand tätigte, veranlasste Napoleon zur Schaffung eines „Bankbruchstrafgesetzes“,[55] das strenge Strafen enthalten sollte.[56] Dieses Gesetz differenzierte zwar zwischen der einfachen „fallite“ (im Sinne der schlichten Zahlungseinstellung) und dem banqueroute (im Sinne eines betrügerischen Verhaltens), dennoch sollten beide Fälle strafrechtlich erfasst werden.[57] Anknüpfungspunkt der Vorwerfbarkeit war nicht mehr das „Insolventwerden“ des Schuldners, sondern einzelne konkret benannte Handlungen, die das schuldnerische Vermögen verminderten, was rechtstatsächlich dazu führte, dass auch „le banqueroute simple“ und damit der unverschuldet in Konkurs geratene Kaufmann bestraft werden konnte.[58] Zwischen „banqueroute fradeuleuse“ und „banqueroute simple“ wurde danach differenziert, ob der Schuldner bei Vornahme der Bankrotthandlung mit (betrügerischer Fall) oder ohne (einfacher Fall) „Gläubigerbenachteiligungsabsicht“ handelte[59]; die – schädlichen oder gar positiven – Auswirkungen der Handlung waren gänzlich unbeachtlich. Diese Art der Normkonstruktion war kriminalpolitisch motiviert und konnte die Nachweisschwierigkeiten im Hinblick auf die Kausalitätsfrage[60] oder die Konkursursache[61] weitestgehend beseitigen.[62]
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Die Konkursstrafbestimmungen der 1. Konkursordnung übernahmen diese Normkonzeption, was gleichsam den Bezugsgegenstand der reichsgerichtlichen Rechtsprechung zum „tatsächlichen Zusammenhang“ bildete:
– | Die Normen der Konkursstrafbestimmungen dienten nach Ansicht des Gesetzgebers dem Schutz „der Sicherheit des Handels“ und dem Schutz „der Sicherheit des Kredits“.[63] |
– | Der „Angriff“ des Bankrotttäters im Hinblick auf diese Schutzobjekte bestand in der Vornahme einer der beschriebenen „wirtschaftswidrigen Handlungen“, welche keine Verletzungsqualität aufweisen und nicht ursächlich für den Konkurs werden mussten.[64] |
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Die Strafbarkeit wegen Bankrotts hing zusätzlich davon ab, dass der Konkurs (Zahlungseinstellung oder Verfahrenseröffnung) in der Person des „Schuldners“ tatsächlich eintrat. Die Konkursursache war unerheblich.[65]
4. Die Rechtsnatur des Bankrotts in der Interpretation durch das Reichsgericht
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Da demnach bereits die Koexistenz der tatbestandlichen Merkmale eine Strafbarkeit auslöste und darüber hinaus weder die Einordnung der Zahlungseinstellung/Konkurseröffnung noch das Verhältnis dieser Merkmale zum Täterverhalten geklärt waren, bereitete die Frage nach der Rechtsnatur des Bankrotttatbestandes der Rechtsanwendung bereits sehr früh Schwierigkeiten[66]:
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„Indem das Strafgesetz eine Reihe sehr verschieden gearteter Handlungen und Unterlassungen als einfachen Bankrott unter Strafe stellt, liegt solcher Strafandrohung wohl der gesetzgeberische Gedanke zu Grunde, dass jene Handlungen und Unterlassungen als Kriterien einer leichtsinnigen, verschwenderischen, unordentlichen Geschäftsführung erfahrungsgemäß in einem ursächlichen Zusammenhang zum Bankbruch zu stehen pflegen. Diesen ursächlichen Zusammenhang aber, der sich überdies nach den unberechenbaren Wechselfällen des Verkehrslebens meist jedem zweifellosen Nachweis entzieht, erfordert das Gesetz nicht als Moment des objektiven Tatbestandes, folglich auch nicht als Merkmal des subjektiven Tatbestandes, sei es als vorsätzliche oder sei es als fahrlässige Verschuldung gedacht. Das Strafgesetz begnügt sich vielmehr mit der positiven Satzung: ‚Schuldner, welche Ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankrotts ... bestraft, wenn sie...‘ (...). Von Fahrlässigkeit im strafgesetzlichen Sinne, von fahrlässiger Verschuldung eines kausal zuzurechnenden Erfolges[67] ist hier nirgends die Rede, und ist es deshalb von vornherein verfehlt, den einfachen Bankrott in seinem legalen Tatbestande schlechthin als Fahrlässigkeitsdelikt zu bezeichnen.“[68]
„Dergleichen Operationen (Spiel, Wette, Differenzgeschäfte) beeinträchtigen das Vertrauen auf die dauernde Kreditfähigkeit und rechtfertigen, (...) die gesetzliche Fiktion, dass solche zum eingetretenen Vermögensverfalle und der daran geknüpften Zahlungseinstellung, in mehr oder weniger ursachlicher Beziehung stehen. Diese unsolide Weise des Geschäftsbetriebes soll der strafrechtlichen Ahndung verfallen.“[69]
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Parallel zum einfachen Bankrott nach Art. 587 des code de commerce wurden damit wirtschaftswidrige Handlungen pönalisiert, welche die Verletzung oder Gefährdung der Gläubigerrechte fingierten bzw. präsumierten[70], sofern beide Tatbestandsmerkmale[71] tatsächlich eintraten.[72] Es genügte, wenn der Täter wusste oder sich vorstellen konnte, „dass er Handlungen vornimmt, welche ihm die Möglichkeit, den Ansprüchen seiner Gläubiger gerecht zu werden, rauben werden oder rauben können.“[73] Zentraler Gegenstand der Rechtsprechung des RG war im Anschluss daran die Frage, ob die gesetzliche Fixierung von Kriminalität, welche die bloße „Koexistenz“ von Bankrotthandlung und